ZDF-Film über Unterwasserforscher Hass:Eine fast perfekte Schnulze

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Ein Film über die Unterwasserforscher Lotte und Hans Hass mit Yvonne Catterfeld und Benjamin Sadler in den Hauptrollen? Klingt wenig vielversprechend - doch "Das Mädchen auf dem Meeresgrund" hat einen in dem Moment am Wickel, in dem man merkt, dass es hier womöglich selbstironisch zugeht.

Claudia Tieschky

Schöne Menschen, Sonne und Meer, Tellerröcke mit Streifen und am Ende die Hochzeit - genau, das sind die Fünfzigerjahre und man könnte jetzt darüber nachdenken, warum ein Film, der in dieser Zeit spielt, genauso aussieht wie ein Film aus dieser Zeit. Aber eigentlich hat einen Das Mädchen auf dem Meeresgrund schon am Wickel in dem Moment, in dem man merkt, dass es hier womöglich auch selbstironisch zugeht.

Die ZDF-Verfilmung der Autobiografie von Lotte Hass ist zweifellos Unterhaltungsfernsehen, aber auf gewisse Weise geht es darin tatsächlich um den Traum aller Beteiligten von Ausbruch aus einer muffigen Welt, in der alle immer zu wenig Luft haben. (Foto: dpa)

Das passiert ungefähr in der zweiten Filmminute, wenn Ernst A. Grandits von der 3sat- Kulturzeit, hier kostümiert als Wiener Hörfunkmoderator anno 1950, sehr einfühlsam den einfühlsamsten aller Interviewersätze sagt: "Mich hat beim Lesen am meisten berührt . . ."

Was seinen Gesprächspartner Hans Hass (Benjamin Sadler) am meisten berührt hat, erfährt man auch. Dem Unterwasserforscher, der alles daran setzt, als erster einen weißen Hai zu filmen, ist der riesige Fisch begegnet und wieder entwischt: "Ich hatte nur noch für eine halbe Minute Luft". Dafür darf er dann bei einer Expedition ins Roten Meer entdecken, dass seine bildhübsche, aber verdammt selbstständige und widerborstige Sekretärin nicht nur eine begabte Taucherin, sondern auch seine große Liebe ist, obwohl sie gar nicht tippen kann.

Die ZDF-Verfilmung der Autobiografie von Lotte Hass ist zweifellos Unterhaltungsfernsehen, aber auf gewisse Weise geht es darin tatsächlich um den Traum aller Beteiligten von Ausbruch aus einer muffigen Welt, in der alle immer zu wenig Luft haben. Deshalb muss Yvonne Catterfeld als Lotte im Freibad natürlich Sartre lesen: Die Wege der Freiheit. Dabei ist eigentlich genau diese pressierte Lage, die Hass beschreibt, nur noch für eine halbe Minute Reserven zu haben, Luft, Geld, was immer - die Urszene des Geistesblitzes, mithin die Urszene der Komödie, und daraus sind großartige Filme entstanden.

Der Mann, den Sadler da verkörpert ist allerdings frei von jedem komödiantischen Anflug, ein todernster Held, der einen Bart wie Gernot Erler trägt und ausruft: "Ich mache weiter bis ich den Hai im Kasten habe". Auch Drehbuch-Sätze wie "du tauchst wochenlang nicht auf" gewinnen in diesem Kontext ganz neuen Reiz.

Der Produzent will Lotte im Badeanzug - wegen der Kinokasse

Er, der niemals eine Frau auf sein Expeditionsschiff lassen wollte, kriegt die Finanzierung für seinen Unterwasserfilm nur zusammen, weil der Produzent von Lotte im Badeanzug träumt. Nicht wegen der Erotik. Wegen der Kinokasse. In der Folge saugt der Film viel Honig aus dem Konflikt zwischen einem Mann und einer Frau, die sich ständig streiten müssen, obwohl natürlich gleich klar ist, dass sie zusammengehören. Außerdem wird auch ein bisschen von Rollenklischees erzählt, davon, wie die muntere Lotte sie unterläuft und dem Abenteurer, na klar, Gefühle beibringt.

Der Meeresforscher Hans Heinrich Romulus Hass erhielt für die spektakulären Unterwasseraufnahmen in seinem Film Abenteuer im Roten Meer 1952 den Ersten Preis für große Dokumentarfilme bei der Biennale in Venedig. Drei Jahre später drehte der Franzose Jacques-Ives Cousteau mit Louis Malle seinen Unterwasserfilm Le monde du silence und gewann die Goldene Palme in Cannes. Cousteaus Sohn verfilmt jetzt dokumentarisch das Leben seines Vaters. Mit dem Thema ist das ZDF auf der Höhe der Zeit, auch weil Hass und Cousteau heute als Vorbilder für Umweltschützer gelten.

Ob allerdings Das Mädchen auf dem Meeresgrund wirklich als Komödie gemeint war oder einfach als bunter Bilderbogen mit Walzer und Hans Moser und der Reblaus? Es ist egal. Es ist leicht und wunderschön anzuschauen. Die fast perfekte Schnulze. Natürlich mit Tiefgang.

Das Mädchen auf dem Meeresgrund, ZDF, 20.15 Uhr.

© SZ vom 08.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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