ZDF-Film "Eine verhängnisvolle Nacht":Der fremde Mensch

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"Als würde im Kopf jemand einen Schalter umdrehen": Silke Bodenbender und Matthias Brandt in Eine verhängnisvolle Nacht. (Foto: dpa)

Hannah vertraut sich ihrem Kollegen an, doch der Frauenversteher entpuppt sich als Frauenverprügler. Matthias Brandt spielt den schizophrenen Sensibel-Brutalo, Silke Bodenbender die gehetzte Paranoikerin. Alles in diesem grandiosen ZDF-Thriller verstört - und wirkt lange nach.

Von Barbara Gärtner

Jetzt ist es vorbei, sagt die Freundin und ruckelt sacht an der Schulter von Hannah. Die hat gerade vor Gericht gegen ihren Ex-Freund ausgesagt. Vergewaltigung, das fand auch der Richter, und nun muss Bernd ins Gefängnis. Aufatmen. Doch der Film ist da nur ein paar Minuten alt, der Schrecken beginnt also erst, denn nach 18 Monaten ist der Kerl wieder frei und Hannah von der Angst besessen, er könne sich rächen - an ihr und den Kindern.

Dabei hätte alles so happyendschön sein können! Der neue Kollege - ein Frauenversteher, findet Hannahs beste Freundin - albert mit den Kindern, ist charmant und küsst sehr sanft. Bald redet Hannahs Brillenträgersohn von Menschen, die ihn "komisch anschauen, weil ich keinen Papa habe", und Hannah, die sonst alles superpatent im Griff hat (Lehrerjob, zwei wohlgeratene Kinder, Wohnung tipptopp), lässt diesen Mann in ihr Leben. Ein Fehler, den sie bald bereut. Der Frauenversteher ist ein Frauenverprügler, ohne Anlass schlägt er zu, um dann wieder mit Rosenopulenz vor der Tür zu stehen. An einem dieser Entschuldigungsabende vergewaltigt er Hannah brutal. "Als würde im Kopf jemand einen Schalter umdrehen", versucht es Hannah ihrer Tochter zu erklären. "Plötzlich steht ein fremder Mensch vor dir. Auch seine Augen sind dann ganz anders."

Diese Augen gehören Matthias Brandt, er lässt sie zucken, fies aufblitzen, dann fallen sie wieder voll Wärme zu, den Kopf einfühlsam zur Seite gelegt. Das ist beängstigend und grandios. Brandt ist ja mittlerweile eine Instanz: Wenn er in Filmen Rotwein in dickbauchige Weingläser schenkt, kann man davon ausgehen, dass die bildungsbürgerliche Fassade nicht mehr lange hält. Doch derart finster, als schizophrenen Sensibel-Brutalo, hat man ihn noch nie gesehen. Auch Silke Bodenbender ist großartig. Sie wandelt sich von der kicherigen "Stößchen"-Enddreißigerin zur gehetzten Paranoikerin. Alles an ihr wird harsch und straff: der Gang, die Haare, die Reaktionen. Dank der Schauspieler bekommt dieser Thriller Dramatiefe, lange lässt Regisseur Miguel Alexandre die Kamera auf deren Gesichtern ruhen, zeigt Zucken und Blinzeln, mehr braucht es eigentlich nicht.

Man kann den Film kaum unbeteiligt, als bloßen Nervenkitzel anschauen. Zu viele Nachrichtenschlagzeilen trüben den Blick, werden doch gleich zwei relevante Themen dramaturgisch verwertet. Der Vergewaltiger wird hier zwar verurteilt, das Stalking aber lässt sich schwer belangen. "Objektiv haben wir nichts gegen ihn in der Hand. Es gibt keine Zeugen", sagt ein Polizist zur blutig geschlagenen Hannah. "Diese extreme Form des Stalkings ist ein schweres Feld, Sie sind nicht die Einzige, glauben Sie mir." Recht gesprochen und vorbei? Nein, vorbei ist es mit der Gewalt leider nie. So eine Nacht wirkt lange nach. Dieser Film auch.

Eine verhängnisvolle Nacht , ZDF, 20.15 Uhr.

© SZ vom 16.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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