Wulff und Ebeling über N24:Ein gut moderierter Schauprozess

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Was sind Nachrichten wert? Politiker Christian Wulff und Privat-TV-Chef Thomas Ebeling diskutieren in Berlin - Sieger ist dabei Wulff.

Christopher Keil

Es war von Anfang an nicht nur eine wirtschaftliche, sondern vor allem eine politische, eine kulturpolitische Debatte, die der frühere Pharma-Manager Thomas Ebeling auslöste. Er löste sie mit einem Satz seines SZ-Interviews Ende November 2009 aus: " Nachrichten sind vielleicht für das Image bei Politikern wichtig, aber nicht unbedingt bei allen Zuschauern. Der Durchschnittszuschauer wird nicht verzweifeln, falls es bei N 24 Veränderungen geben sollte."

Seither ist passiert, was konsequenterweise passieren musste - aus Sicht eines von Finanzinvestoren geführten Medien-Konzerns: Ebeling, Vorstandsvorsitzender von Pro Sieben Sat 1, hat bankgeführt einen Verkaufsprozess des zur Gruppe zählenden Nachrichtenkanals N24 eingeleitet, der sicher bald abgeschlossen wird.

Er hat an alle Ministerpräsidenten geschrieben, um seine Einschätzung, N24 sei dauerhaft defizitär, nachhaltig zu verbreiten. Er hat auf Betriebsversammlungen gesprochen, sehr ehrlich, weil er den Sender so nicht weiter betreiben werde. Und am Montag dieser Woche nahm er in Berlin an einer Diskussion teil zum Thema "Nachrichten in Gefahr - Welches Fernsehen braucht die Demokratie?".

Veranstaltungsort war die Bayerische Landesvertretung, Gastgeber, konnte man annehmen, war Bayerns Medienminister Siegfried Schneider (CSU). Tatsächlich hatte aber der Redaktionsausschuss von N24 geladen, und präsentiert wurde die Runde von der engagierten N-24-Mitarbeiterin Christiane Jörges.

Schneider war Gast im eigenen Haus. Außer ihm sprachen noch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zur Sache sowie der notorische Jürgen Doetz, Chef des Verbandes Privater Rundfunkanbieter, und Thomas Langheinrich, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Medienanstalten.

In Amerika würde man vielleicht das, was Fernsehquereinsteiger Ebeling sich vorgenommen hat - Nachrichten beinahe ohne Qualitätsrücksichten auf ein nahezu kostenneutrales Niveau abzuschmelzen, und sei es, dass sie extern zugeschneidert werden - als campaign bezeichnen. Die Frage, ob er sich überschätzt, seine Worte unterschätzte, ob er bis heute wirklich weiß, was er anrührt, blieb unbeantwortet, und viele andere Frage bleiben offen. Wie immer nach so genannten Podiumsdebatten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Christian Wulff zu der Debatte.

Trotzdem punktete Ebeling, allein schon, dass er sich auf diesen, allerdings respektvoll geführten, gut moderierten Schauprozess einließ, den die Journalisten von N24 in Sorge um ihre Arbeitsplätze inszenierten. Ebeling, der Harte, der Kühle, wirkte zurückhaltend, fast weich, ruhig, konzentriert und einlassungsbereit.

Doch richtig kenntnisreich oder taktisch schlau wirkte er nicht. Und ja, er sagte wie bisher, dass Pro Sieben Sat1 zur publizistischen Verantwortung stehe und dass sich am Umfang der Nachrichten bei Sat1, Pro Sieben, Kabel1 nichts ändere. Und er vertrat wie stets die Ansicht, kommerzielles TV müsse zwischen publizistischer Verantwortung und Wirtschaftlichkeit balancieren. Doch zu welchem, auch publizistischen Preis?

Da hätte die öffentliche Aussprache jetzt beispielsweise hinsteuern müssen, auf den Punkt, was publizistische Verantwortung kostet. Dass sie koste, merkte der Medienminister Schneider immerhin an. Ebeling will nur noch 20 Millionen der bisher N24 für die Nachrichtensetzung zur Verfügung gestellten 60 Millionen Euro ausgeben. Beim Geld windet sich der Vorstandsvorsitzende, während der Aktienkurs des Konzerns von jeder Einsparung nach oben gezogen wird.

Als strahlender Sieger, das stand früh fest, würde Ebeling das Podium nicht verlassen. Seine Strategie, so es eine gewesen ist, war: rückwärts verteidigen. Am Ende wurde sein Mitwirken fast noch ein auch medienpolitisches Desaster. Etwa, als ihm zur Zukunft der ProSieben Sat1-News spontan einfiel: Es brauche "nicht immer ein bewegtes Bild" sein, "manchmal reicht ein Foto". Tags darauf verschickte der Konzernsprecher eine Mail, in der breit ausgeführt wurde, was Ebeling angeblich ausdrücken wollte. Wenn der Vorstandsboss ein Team hatte, das ihn vorbereitete, war er schlecht gebrieft.

So gewann ein Außenseiter, der sich bisher kaum zum Fall N24 geäußert hat: Christian Wulff. Der Regierungschef aus Hannover definierte am deutlichsten, worum es im Allgemeinen geht ("Fernsehen ist Kulturgut, nicht Wirtschaftsgut") und worum im Besonderen. Es geht im Besonderen auch darum, wer Medienunternehmen führen sollte.

"Mit Zwang (ansprechende Nachrichten im Programm zu halten, d.R.) wird man nichts erreichen", bilanzierte Wulff. Man werde wohl an das Medienkonzentrationsrecht gehen, Verlegern (wie den Springers) den Einstieg ins TV-Geschäft erleichtern und Finanzinvestoren den Zugang erschweren. "Da wird es hingehen." Warum nicht.

© SZ vom 24.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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