Radiofeature über Wolf Wondratschek:"Geht Sie nichts an!"

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Wolf Wondratschek. (Foto: Imago/Skata)

"Mit Zunder und Zartheit": Der WDR porträtiert den eigenwilligen und streitlustigen Schriftsteller Wolf Wondratschek.

Von Stefan Fischer

Marcel Reich-Ranicki war stets sehr entschieden in seinen Kritikerurteilen: Den Lyriker Wolf Wondratschek hat er gelten lassen. Aber erzählen könne dieser Autor nun einmal nicht, sagte Reich-Ranicki vor sehr vielen Jahren. Sämtliche Romane Wondratscheks also: missglückt.

Vielleicht waren diese beiden Männer einander gar nicht einmal so wesensfremd: streitlustig, großmäulig, apodiktisch in ihren Urteilen, verletzend und verletzlich, nach Einzigartigkeit strebend. Und umstellt von der gleichen Falle: dass sie nämlich Gefahr liefen, irgendwann nur noch als Darsteller ihrer selbst wahrgenommen zu werden, deren öffentliches Auftreten zur Masche verkommt, die ein Image bedient. Große Poesie und große Pose, das gehörte bei Wolf Wondratschek in den Siebzigern und Achtzigern zusammen. Irgendwann war er es leid, die Erwartungen an ihn, die er selbst geweckt hatte, weiter erfüllen zu müssen.

Wondratschek hat sich deshalb vor Jahrzehnten zu einem radikalen Schritt entschlossen: ein Umzug von München nach Wien, ein Rückzug aus der Öffentlichkeit. "Ich hatte die Schnauze voll von meinem Leben in München", sagt Wondratschek rückblickend: "Ich hatte die Schnauze voll von mir selber." Er, der kaum noch öffentlich auftritt, hat sich aber doch getroffen mit der Journalistin Corinne Orlowski, die ihn, der nun 80 Jahre alt wird, porträtiert hat für ihr Kulturfeature Mit Zunder und Zartheit. Untertitel: Die Neuerfindung des Schriftstellers Wolf Wondratschek.

Altersmilde? Auf Konventionen gibt Wondratschek bis heute nichts.

Orlowski interessiert sich nur am Rande für den zur Genüge öffentlich ausgeleuchteten jungen Autor, der als kraftstrotzende Sensation herumgereicht worden ist im Literaturbetrieb. Sie umkreist vielmehr den Mann, der in Wien begonnen hat, weitgehend still und äußerst produktiv an seinem literarischen Alterswerk zu arbeiten. Wondratschek selbst gibt Auskunft, wobei er durchaus auch Antworten parat hat wie jene auf die Frage, was ihn zum Schreiben inspiriere: "Geht Sie nichts an!" Darüber hinaus kommt vor allem der Fotograf Jim Rakete zu Wort, der Wondratschek ein später enger Freund geworden ist.

Auf Konventionen gibt Wondratschek bis heute nichts. Und je weniger Corinne Orlowski ihn mit konventionellen Fragestellungen behelligt, desto näher kommt sie dem abweisenden Schriftsteller. Der offenkundig das Kunststück fertigbringt, länger schon mit sich im Reinen zu sein, ohne sich deshalb dem Verdacht der Altersmilde auszusetzen.

Mit Zunder und Zartheit - Die Neuerfindung des Schriftstellers Wolf Wondratschek , WDR 3, 12. August 2023, 12.04 Uhr und 13. August 2023, 15.04 Uhr.

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