Hörspiel "Unverpackt":Kommt nicht in die Tüte

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

In Hengameh Yaghoobifarahs erstem Hörspiel werden die radikalen moralischen Ansprüche von Nachhaltigkeitsideologen zerlegt.

Von Stefan Fischer

"Ich bin nicht umsonst Unternehmerin des Jahres geworden", blafft Aylin trotzig: "Ich lass mich jetzt nicht unterkriegen." Der Preis, den sie gewonnen hat, ist der Green Entrepreneuse Award. Dafür, dass es auf dem Hof ihres Unverpackt-Ladens nur eine einzige Mülltonne gibt - eine Biotonne. Ihr Problem: Sie befürchtet, bald nicht mal mehr verdorbene Bioabfälle zu haben. Da sie kaum noch Ware anzubieten hat.

Denn es gibt viel zu wenige Landwirte und andere Lebensmittelhersteller, die biologisch, fair, regional sowie klimaneutral produzieren und ihre Ware obendrein auch noch in wiederverwendbaren Behältnissen ausliefern. Und für manche dieser Hersteller lohnt sich das Geschäft nicht einmal, obwohl ihnen die Abnehmer die Türen einrennen: Auch deutlich gehobene Preise decken die Kosten nicht, also geben diese ambitionierten Produzenten auf.

Es ist Hengameh Yaghoobifarahs erstes Hörspiel, inszeniert von Eva Solloch für den WDR, und gewählt wurde die Form der Satire: Die Figuren in Unverpackt sind hart an Klischees entlang entworfen und könnten so auch im Programm eines Kabarettisten auftauchen, der sich über radikal-ökobewegte Großstädter und deren Achtsamkeitsvokabular lustig machen möchte.

Bevor die Regale im Bio-Laden leer bleiben, holt man die Ware eben mit dem SUV vom Erzeuger

Indem die Figuren alle ein bisschen drüber sind und auch die Handlung zunehmend abstruser wird, wirft Yaghoobifarah jedoch ein grelles Licht auf eine ernstzunehmende Problematik: Anhand des schlaglichthaften Exempels wird durchgespielt, inwiefern ein kompromissloses, nachhaltiges Wirtschaften im Kapitalismus überhaupt möglich ist.

Aylin, die Unternehmerin, will sich keine Blöße geben. Sie füllt die Regale ihres Ladens, indem sie gegen die eigenen Prinzipien verstößt. Dann sind eben nicht alle Waren biologisch oder regional erzeugt. Und wenn man sie auf einem polnischen Wochenmarkt besorgen muss, leiht man sich eben den SUV eines Bekannten. Und der Ex, dem kriminelle Geschäfte nicht fremd sind, hilft dabei, den Verpackungsmüll, der nun eben auch anfällt, heimlich zu entsorgen.

Hengameh Yaghoobifarah zieht ein ernüchterndes Fazit: Unverpackt erzählt eine Geschichte über die Verlogenheit kompromissloser Verbissenheit und geht auch streng ins Gericht mit Personen, die ihre Haltung zur Ideologie überhöhen und nicht anerkennen wollen, dass sie aus einer privilegierten Position heraus handeln und über andere urteilen.

Unverpackt , WDR 5, 9. Juli 2023, 17.04 Uhr.

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