Die bisherige Weltordnung scheint wirklich ins Wanken geraten zu sein, anders lässt sich die Nachricht nicht deuten, die aus Amerika kommt und vorgeblich nur von einer geplanten Serie handelt. Es geht um die dritte Staffel der Reihe American Crime Story des Kabelsenders FX, die wahre Verbrechen, die Amerika und den Rest der westlichen Welt erschüttert haben, spielfilmhaft dramatisiert. Die erste Staffel hatte 2016 Premiere und handelte vom Strafprozess gegen O. J. Simpson; Cuba Gooding Jr. spielte die Hauptrolle, John Travolta seinen Anwalt. Die zweite Staffel, 2018 veröffentlicht, ging um den Mord an Gianni Versace. Penelope Cruz war darin Donatella Versace, Édgar Ramírez ( Carlos - der Schakal) ihr Bruder Gianni, als Lebenspartner des Ermordeten glänzte der Popstar Ricky Martin. Es ist ein Serienformat, teuer produziert, das wahrgenommen wird, mit vielen Preisen ausgezeichnet und begeisterten Zuschauerbewertungen im Internet.
Nun wurde bekannt gegeben, welches Verbrechen die dritte Staffel behandeln wird: das Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton. Premiere von Impeachment, so der Titel, wird im September kommenden Jahres sein. Als Besetzung wurden bislang erst drei Namen bekannt: Sarah Paulson (bekannt unter anderem aus Ocean's 8) wird Linda Tripp spielen, die sogenannte "Freundin" von Monica Lewinsky, die Telefonate mit dieser heimlich aufzeichnete und via Sonderermittler Kenneth Starr an die ganze Welt verriet. 1998 war das.
Annaleigh Ashford wird Paula Jones sein, die Clinton 1994 wegen sexueller Belästigung verklagte. Die Klage wurde 1998 abgewiesen, Clinton zahlte ihr vorsorglich dennoch 850 000 Dollar, damit sie die Sache auch wirklich auf sich beruhen ließ.
Beanie Feldstein verkörpert Monica Lewinsky
Und Beanie Feldstein, jüngere Schwester von Jonah Hill, die man aus Greta Gerwigs fantastischem Kinofilm Lady Bird kennen könnte, wird Monica Lewinsky spielen, die damals 22 Jahre alt war und berühmtermaßen Praktikantin im Weißen Haus - vor wenigen Wochen erst antwortete Monica Lewinsky, die einen extrem trockenen Humor hat, auf Twitter irgendjemandem, der nach dem schlechtesten Karriereratschlag aller Zeiten fragte: "Ein Praktikum im Weißen Haus wird sich in deinem Lebenslauf großartig ausmachen."
Wer das Präsidentenpaar Bill und Hillary Clinton spielen wird, wurde bisher nicht bekannt gegeben, was bereits erste vorsichtige Schlüsse auf die erzählerische Gewichtung zulässt. Offenbar kommen hier Frauen, normalerweise in wichtigen weltpolitischen Zusammenhängen eher als Nebenfiguren erzählt, Schlüsselrollen zu.
Was aber die eigentliche Sensation ist: Monica Lewinsky wird koproduzieren.
Der Produzent der Serie, Ryan Murphy, bat sie darum, mehr noch, es war für ihn die Voraussetzung, diesen Stoff überhaupt anzugehen, der eine Adaption eines Buchs von Jeffrey Toobin sein wird ("A Vast Conspiracy: The Real Story of the Sex Scandal That Nearly Brought Down a President", 1999). Niemand außer ihr selbst solle ihre Geschichte erzählen, sagte Murphy zu Lewinsky, als er sie vergangenes Jahr irgendwo zufällig traf, und wenn es andere täten, sei das irgendwie eklig. "Wenn Sie das mit mir produzieren wollen, fände ich das großartig; aber Sie sollten Produzentin sein, und Sie sollten das ganze verdammte Geld verdienen."Sie habe zunächst gezögert zuzusagen, erzählt Lewinsky in Vanity Fair. Aber Murphy habe so sehr am Herzen gelegen, den normalerweise an den Rand Gedrängten eine Stimme zu geben, dass sie schließlich eingewilligt habe.
"Meinen Part in dieser Geschichte haben jahrzehntelang andere erzählt", so Lewinsky. "Es ist mir tatsächlich erst in den letzten paar Jahren gelungen, meine Version der Geschichte zurückzuerobern, fast 20 Jahre später." Anders als Clinton, dem die Affäre mit einer 30 Jahre jüngeren Untergebenen - ein absoluter "Me Too"-Fall, Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses, der mächtigste Mann der Welt vergnügt sich mit einer jungen Praktikantin - so gut wie nichts anhaben konnte, klar, er hatte ein paar Unannehmlichkeiten, aber er blieb Präsident, blieb sogar verheiratet, verdient heute noch Millionen als weltweit respektierter Rentner, der gerne Reden hält (und neuerdings auch noch Thriller schreibt), wurde sie, die junge Frau, in der Affäre zur Witzfigur. Ihr Name, nicht seiner, wurde zum Namen für die Affäre. Sie war freigegeben zum Abschuss für jeden, der auch mal einen zotigen Witz machen wollte, sehr gerne taten das auch berühmte Talkshowhosts zur besten Sendezeit oder Rapper, Zigarre, haha, Fleck auf dem Kleid, hoho, that woman, hihi. Die Witze gingen ausnahmslos auf ihre Kosten, als wäre sie diejenige gewesen, die Macht gehabt und ausgenützt hätte, nicht er.
Und deshalb ist das so eine sensationell schöne und irgendwie neuartige Nachricht, dass Monica Lewinsky nun zumindest ein Mitspracherecht bekommt, wie die Geschichte erzählt wird, die ihr Leben so entscheidend geprägt hat. Sie sei dankbar für den gesellschaftlichen Reifeprozess, der Menschen wie ihr, die historisch immer zum Schweigen gebracht wurden, endlich eine Stimme gebe, scheibt sie in Vanity Fair.
Diesmal hat sie Macht, nicht er.