TV-Kritik: Hart, aber fair:Schwäbische Scharmützel

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"Hock mer uns na": Bei Plasberg wollten Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 wieder einmal ihre Dialogbereitschaft demonstrieren. Doch auch das schönste Schwäbisch kann die festgefahrenen Positionen nicht aufweichen.

Lena Jakat

Ihre Garderobe hatte Tanja Gönner ungeschickt gewählt. Der Blusenkragen der baden-württembergischen Umwelt- und Verkehrsministerin leuchtete als einziger Farbklecks hinter Plasbergs Gästetresen in Hellgrün - ausgerechnet der Farbe ihrer Gegner, der des Protests gegen Stuttgart 21. Dabei war Gönners Botschaft pro Stuttgart 21 ansonsten kaum misszuverstehen. Ausschließlich um der Deutschen aktuell liebstes Streitobjekt drehte sich dieses Mal die mittwöchliche Debatte bei Frank Plasberg - mochte der Titel "Wie viel Aufstand verträgt die Demokratie?" auch mehr versprechen.

"Bürger gegen Politiker: Wie viel Aufstand verträgt die Demokratie?" - über diese Frage diskutierte Frank Plasberg am gestrigen Mittwoch mit seinen Gästen. (Foto: AP)

In lupenreinem Schwäbisch erklärte Christdemokratin Gönner wieder und wieder die Gesprächsbereitschaft der Projektinitiatoren und, dass man die Ängste und Sorgen der Wähler sehr ernst nehme. Ein Chorus, in den ihr Landsmann, der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir alsbald einfiel: "Hock mer uns nommal na und schwätzet ma."

Doch all dieser gutgemeinten Rhetorik zum Trotze: Den Eindruck, beide Lager würden an ihrer jeweiligen Ganz-oder-gar-nicht-Position festhalten, konnten sie beide nicht so recht aus der Welt schaffen. Weder die Ministerin, die auf Fragen nach dem Gewaltausbruch und der falschen Informationspolitik mit unverändert reduzierter Mimik und gleichbleibenden Parolen antwortete. Noch der Parteichef, der sich, auf den Baustopp als Gesprächsbedingung angesprochen, geschickt um eine Antwort wand.

Schwäbische Sprachverwirrung

Die Unvereinbarkeit der Standpunkte in Sachen Stuttgarter Bahnhof wurde nie schöner deutlich, als zu dem Zeitpunkt, an dem Özdemir über seine Schulzeit im "schönen Baden-Württemberg" sprach und Gönner - kurzzeitig auf einen Nebenkriegsschauplatz galoppiert - zeitgleich über den Sachstand in Gorleben dozierte. Ihre Zungen sprachen dieselbe Sprache, die Sprachverwirrung war dennoch komplett.

Einer versuchte, Ordnung in die Debatte zu bringen: Patrick Döring, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Dazu berief er sich auf ein höheres Prinzip - die Allmacht des Planfeststellungsverfahrens. Ist der Plan einmal festgestellt, ist er nicht mehr angreifbar, allerhöchstens noch ignorierbar, so das Mantra des Freidemokraten. Der Prozess legitimiere demnach das Ergebnis: Was nach jahrelangem Prozess des Vergleichens, Gutachtens und Debattierens planfestgestellt sei, sei auch die beste Lösung. "Sonst wären ja alle, die damit befasst waren, die Dümmsten unter der Sonne."

Natürlich wollte auch Döring im Chor der Gesprächsbereiten nicht fehlen und konstatierte: "Wir können uns im Moderationsprozess erneut austauschen. Auch über angebliche Alternativvorschläge." Vielleicht war der Beigeschmack von Dörings Theorie einer Planfestellungs-Demokratie dann doch ein wenig zu bitter, vielleicht fürchteten sie auch um ihre Standpunkte: Özdemir und Gönner wollten auf diesen Zug jedenfalls nicht aufspringen.

Lieber beschäftigten sie sich mit den praktischen Dingen und trieben die Debatte von Gutachten zu Gutachten, von Zahl zu Zahl, von der Europa-Magistrale zur Rhein-Neckar-Bahn. Kurzum: mit dem Klein-Klein. So mancher Zuschauer mag verwirrt noch einmal den Knopf mit der Eins auf seiner Fernbedienung gedrückt haben, um dann irritiert festzustellen, dass er sich bereits im deutschlandweiten Programm der ARD befand und nicht etwa einer Sendung des SWR beiwohnte.

"Aalls was zahla ka"

Einmal erhielten die landespolitische Scharmützel unerwartete Brisanz, durch die astronomischen Umfrageergebnisse der Grünen. "Würde eine grüne Landesregierung in Baden-Württemberg Stuttgart 21 begraben, Herr Özdemir?", wollte Talker Plasberg wissen. Verkehrsministerin Gönner horchte auf, lächelte sogar. Doch der Vorsitzende der Anti-Stuttgart-21-Partei blieb eine entschiedene Antwort schuldig.

Es sei ja schließlich die Idee der Kanzlerin gewesen, den Bahnhof zum Wahlkampfmotto zu erheben. "Wir wollen das Projekt so schnell wie möglich stoppen", so Özdemir. "Zu den heutigen Bedingungen kann man aussteigen und den Bau stoppen. Wenn es weitergeht, muss man sich hinsetzen und rechnen."

Ob es das volle Programm mit Tunnel und Magistrale wird, oder doch nur der erweiterte Kopfbahnhof - der Umbau des Stuttgarter Bahnhofs wird auf die neue Regierung zukommen. Egal, ob dort Özdemirs Parteigenossen sitzen - vielleicht sogar gemeinsam mit Tanja Gönner.

Bei einer Paartherapie mit Mediator Heiner Geißler würde sie sich, gab die Verkehrsministerin auf Nachfrage an, die Couch am liebsten mit Özdemir teilen. Dafür, dass in jedem Fall alle Beteiligten auf dem brüchigen Stuttgarter Boden bleiben, sorgt die heimliche Hymne der Schwaben.

Das Lied gemahnt der Unsummen, die das Bahnprojekt verschlingen wird: "Auf de schwäb'sche Eisebahne dürfet Küh' und Ochse fahre; Büeble, Mädle, Weib und Ma: Kurzum, alls was zahla ka."

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