TV-Kritik: Hart aber fair:Dackelbeine und andere Grausamkeiten

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Polit-Talker Plasberg ließ in der ARD über Lifting und ähnliche Probleme plaudern - wenn er nicht mit Einspielfilmchen quälte.

Christina Maria Berr

Es ist ein Abend der kleinen Geständnisse. So verrät Jürgen Drews, 64, der Musiker vom Ballermann, dass er gerne ein anderes Untergestell ("Ich habe Dackelbeine") hätte. Der 60-jährige Nasenoperateur Werner Mang ("Schönheitschirurgie ist Wohlfühlchirurgie") wiederum würde sich mit angelegten Ohren viel wohler fühlen. Und auch der Moderator spricht über seine Geheimratsecken und weiß - oho! - zu berichten, dass er Konkurrenzgefühle angesichts von Sandra Maischberger, Maybrit Illner und Anne Will durchaus kennt.

So darf bei Frank Plasberg in Hart aber fair am gestrigen Mittwochabend jeder mal über seine heimlichen Schönheitswünsche sprechen. Schließlich lädt der TV-Gastgeber, der im Mai 53 Jahre alt wird, zur öffentlichen Midlifecrisis: "Ewig jung oder würdig grau - Wie wird man alt mit Stil?" heißt es in der ARD. Plasberg, der bereits vor drei Wochen mit seiner Sendung über Liebe und Weiberfastnacht im Terrain von Bunte und Brigitte theoretisiert hat, gelingt eine Vorstellung, die man auch als unfreiwillige Bewerbung für ein talkähnliches Plauderstündchen im Privatfernsehen verstehen könnte.

Zur Ewig-jung-Session ist kein einziger Politiker geladen. "Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft", so lautet der Slogan zu Hart aber fair, aber Plasberg hat sich diesmal für Menschen aus der Wirklichkeit - oder die dafür gehalten werden sollen - entschieden. Plasberg formuliert: "Knackige Gäste" für ein "pralles Thema". Und diese knackigen Gäste sind neben Mang und Drews noch ein gelifteter Drehbuchautor, der Unterhaltungschef vom Wirklichkeitsmagazin Stern (Kester Schlenz) sowie zwei Menschen, von denen man wirklich nicht weiß, ob sie nicht zufällig ins Studio geraten sind: Kabarettistin Maren Kroymann, 60, und Schauspieler Uwe Friedrichsen, 75. Beide sind sie Lifting-Gegner.

Aber das ist an diesem Abend ohnehin nicht wichtig, denn es geht vor allem um eines: Harmonie. Das Motto könnte auch lauten: "Jeder nach seinem Gusto", da sind sich alle sechs Studiogäste einig.

Auf Krawall ist hier niemand gebürstet. Schönheitschirurg Mang ("Mein Name ist Nase") verteilt ein paar Komplimente und erklärt wieder einmal, warum seine eigene Nase noch immer schief ist ("Weil ich keine Zeit habe und mich selbst nicht operieren kann"). Und Bett-im-Kornfeld-Barde Drews spricht geradezu manisch von seiner Neurose, wegen der er sich den Kieferknochen gerade richten ließ. Dann ärgert er sich noch mal ein bisschen über sein angebliches Popo-Lifting und erwähnt ein Gerangel mit Bild um eine Richtigstellung ("mit Bild habe ich gut zusammengearbeitet") - aber da schwärmt Drews schon wieder von seiner guten Laune und seinen Endorphinen.

Das Thema scheint selbst die Gäste zu langweilen.

Und Plasberg? Der Mann, der mal als Hard Talker der ARD galt, als einer, der Politikern richtig einheizen kann? Moderiert er bald vor Rentnern mit Rheumadecken auf Kreuzfahrtschiffen?

Er ist an diesem Abend hauptsächlich damit beschäftigt, seine vielen Einspielfilmchen unterzubringen. Diese zeigen Vorher-nachher-Bildchen von Friedrichsen und Plasbergs geliftetem Gast Oliver Spiecker. Der sieht aus, als würde er gerne das Gesicht verziehen, wenn er denn könnte. Man fühlt sich an die Bilder aus der Zeitungswerbung erinnert, die Abnehmkuren oder Pigmentcremes anpreisen.

Frank Plasberg verpasst es, wenigstens ein paar provokante Thesen oder interessante Ansätze aus seinen Gästen herauszuholen. Und das, obwohl mit Mang ein Gestalter anwesend ist, der als sein eigner PR-Berater herumreist und es schafft, zu jedem Thema eine angeblich witzig anmutende Verbindung zu seinen Schönheitsoperationen herzustellen. Der Chirurg ist in der Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft zu Hause und gerade auf Werbetour für seine asiatische Nase unterwegs. Nur einmal kann Plasberg den umstrittenen Gast in Widersprüche zu verwickeln. Denn Mang lehnt Wadelverdickung ab - und wirbt doch auf der Homepage seiner Mang Medical One AG damit.

Nun gut, meint der Schönheitschirurg vom Bodensee, das lasse er im Internet ändern. Doch der Moderator ist schon bei der nächsten Frage, die Zeit zwischen all den Minifilmbeiträgen ist schließlich knapp. Manche transportieren so sensationelle Aussagen wie: "Frauen tun es für den Heiratsmarkt, Männer für den Arbeitsmarkt". Man fragt sich, wann es heißt: Hart aber fair - Wenn Einspielfilm auf Einspielfilm trifft.

Der ARD-Gastgeber Plasberg könnte viel mehr auf den Dialog mit seinen Gästen vertrauen. Die sitzen schön brav aufgereiht und kommen eigentlich gar nicht zum Zug. Da trifft es sich vielleicht ganz gut, wenn Uwe Friedrichsen freimütig erklärt, er habe noch nie über Facelifting nachgedacht, bevor er die Einladung zur Sendung erhalten habe. Und fügt hinzu, und das war einer der wirklich entlarvenden Momente des Abends, er würde nicht mehr viele Drehbücher erhalten ("Man will die Alten einfach nicht mehr haben"). Keine Arbeit mehr im Alter, das wäre vielleicht ein spannenderes Thema gewesen.

Oder vielleicht: Bespitzelungsjournalismus in Gesellschaftsblättern - wie weit darf man gehen? Einen passenden Kandidaten hätte Plasberg mit dem Mann vom Stern schon gehabt. Dafür aber hätte Plasberg Politiker einladen müssen. Werner Mang jedenfalls hätte auch hier den richtigen Riecher gehabt und Jürgen Drews wäre auch etwas eingefallen. Eine Verbindung zu schönen Nasen und lustigen Liedern am Ballermann finden die beiden immer.

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