Nun also Mario Barth. Nachdem die Bild-Zeitung die "Leser-Reporter" für ihre Zwecke entdeckt und der Bürger- und Blogger-Journalismus sich im Netz entfaltet hat, wundert es kaum noch jemanden, wenn RTL am Mittwochabend Mario Barth ernsthaft als "investigativen Comedian" verkauft. Mario Barth deckt auf, heißt folgerichtig, aber leider falsch, seine neue Show.
Über die größten Steuerverschwendungen seitens der Politik soll Barth sein Publikum informieren. Das erste Problem ist: Die Steuerverschwendungen hat er natürlich nicht selbst aufgedeckt. Sondern der Bund der Steuerzahler in seinem jährlichen Schwarzbuch und viele Medien zuvor. Der mittlerweile 40-jährige Berliner tut aber so, als sei er höchstpersönlich daran beteiligt gewesen. Der Bau der Hamburger Elbphilharmonie macht Probleme? Ist ja ein Ding. Wie, bei Berlin liegt ein großer Flughafen brach? Kann doch nicht sein.
Das zweite Problem ist, dass Steuerverschwendungen in Milliardenhöhe hier der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Nichts gegen einen guten Scherz, aber Mario Barth ist nun wahrlich nicht für einen solchen bekannt.
Gar nichts gegen das kölsche Publikum im Saal, das, fröhlich wie der Rheinländer nun mal ist, auch noch den versemmeltsten Gag höflich mit Klatschen und Johlen goutiert. Selbst der Gastgeber ist davon beeindruckt - und lässt zwischendurch Karnevalslieder wie "Mer losse d'r Dom en Kölle" anstimmen. Dass auch aus der ewigsten Baustelle der Welt, dem Kölner Dom, Honig für das Thema der Sendung gezogen werden könnte, darauf kommt Barth in dem Moment natürlich nicht.
Problem erkannt - Problem gebannt?
Überhaupt nichts auch gegen den Versuch, ein möglichst breites Publikum mit dem Problem der Steuerverschwendung vertraut zu machen, das Bewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen und - als Medium - verschärfte Kontrolle über die Politik auszuüben, gerne auch nach der Wahl.
Wenn aber Mario Barth daraus eine Zirkusshow macht, mit Spielgeld, das er im großen Stil zerschreddert und in die Manege bläst, "um die Dimensionen klarzumachen" (was aber dadurch erst recht nicht passiert, sondern nur dem Show-Aspekt der Sendung geschuldet ist), was genau soll uns das sagen? Dass doch alles nicht so schlimm ist? Dass man nur darüber lachen muss, und dann ist alles wieder gut?
Ganz so einfach sieht das wohl selbst ein Mario Barth nicht. Gleich zu Beginn und dann noch mal am Ende der zweistündigen Show betont er mehrfach: "Ich bleibe dran!", "Wir holen Ihr Geld zurück!" - und sogar: "Wir werden die Steuern senken!". Wenn das mal nicht zu viel versprochen ist.
Das Ansinnen der Sendung ist dennoch nicht das schlechteste. Bei der Umsetzung hakt es halt. Und das, obwohl dem Comedian zur Unterstützung weitere Witzemacher zur Seite gestellt wurden: Ingo Appelt berichtet über Steuerverschwendung in Köln, wie die unterirdische Oper, Kabarettist Florian Schroeder weiß von einer unerhörten Wildkatzenbrücke in Niedersachsen zu erzählen, TV-Reporterin Johanna Maria Knothe macht Scherze über geschlossene öffentliche Toiletten im Norden der Republik, "RTL-Anwalt" Christopher Posch weiß über eine nie in Betrieb genommene Bio-Gasanlage ein bisschen Bescheid.
Mario Barth, größtmöglicher Aufdecker
Der einzige, der das alles vollkommen ernst meint, ist Reiner Holznagel. Seines Zeichens Präsident des Bundes der Steuerzahler. Sichtlich amüsiert ist er darüber, dass fast die ganze Show nur um sein Anliegen kreist. Immerhin: Er kann davon berichten, dass bei der immens hohen Staatsverschuldung Deutschlands auch Aserbaidschan seine Finger im Spiel habe - weil der aserbaidschanische Staatsfonds deutsche Staatschulden gekauft habe. Das wäre an sich eine in der Tat originelle Info. Mario Barth aber leitet daraus selbstredend grenzwertige Witzchen ab. Später scherzt er noch über Polen.
Der Comedian sei fast alleine schuld an der verkorksten Sendung, schreibt die Frankfurter Rundschau, weil es ihm nicht gelinge, auch nur einen einzigen Gedankengang zu strukturieren oder zu pointieren, im Gegensatz zu den Kollegen aus der Show, und fordert deshalb: "Barth zum Logopäden. Und dann nochmal versuchen."
Damit wäre es aber nicht getan. Das Problem liegt eher bei RTL, wo man versucht, Barth als großen Investigator zu verkaufen. Und ihn Versprechungen machen lässt, die er niemals wird halten können. Unter anderem verspricht er vor jedem Werbeblock, er habe Wowereit auf dem Flughafen getroffen, es habe einen Unfall gegeben, der Zuschauer müsse dranbleiben, um das zu sehen. Am Ende folgt aber bloß eine lahme Nummer mit Wowi-Maske.
Womöglich muss man nicht RTL vor Mario Barth schützen, sondern andersrum. Im Übrigen haben über vier Millionen Zuschauer die Pilotsendung gesehen (2,38 Millionen davon sind zwischen 14 und 49 Jahre alt, was den Tagessieg in dieser Zielgruppe bedeutete). Eine Fortsetzung ist also wahrscheinlich.