Kolumne: Abspann:Allenthalben Kernfusionen

Lesezeit: 2 min

Für diese Stern-Ausgabe durften Aktivisten von Fridays for Future eine Woche lang bei den Konferenzen mitdiskutieren, Vorschläge einspeisen, Fragen stellen und Kritik üben. (Foto: Gruner + Jahr GmbH)

Beobachtungen aus der Medienlandschaft, diesmal: "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt regt sich über Kooperationen von "taz" und "Stern" mit Klimaaktivisten auf. Aber hatte die "Welt" nicht mal eine von VW mitgestaltete Ausgabe?

Von Philipp Bovermann

Der Stern und die taz haben sich entschieden, jeweils eine ganze Ausgabe der Tatsache zu widmen, dass der Planet, auf dem sie erscheinen, drauf und dran ist, sich in einen anderen, sehr viel heißeren und lebensfeindlicheren Planeten zu verwandeln. Eine ganze Ausgabe über das Ende der Welt. Die Redaktion des Stern hat sich dabei über die Schultern schauen lassen. Aktivisten von "Fridays for Future" durften eine Woche lang bei den Konferenzen mitdiskutieren, Themenvorschläge einspeisen, Fragen stellen und Kritik üben. Die taz ließ sich, in ihren eigenen Worten, von der Klimabewegung gar "kapern". Die Aktivisten strichen zunächst einmal die Ressorts Inland, Ausland, Wirtschaft und Umwelt und unterteilten die Welt neu, in Lokales und Globales.

Nicht so gut findet all das der Twitter-Aktivist und Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt. Er kritisiert in einem Tweet die angebliche "Kernfusion von Klimajournalismus und Klimaaktivismus", die er auch in "zig anderen Redaktionen" beobachte, dort allerdings "inoffiziell".

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Der Stern hat die Kritik vorweggenommen. In einem Artikel "in eigener Sache" lässt die Redaktion auch die internen Stimmen zu Wort kommen, die das, bei aller Liebe zur Weltrettung, für einen Tabubruch halten. Aber: das Magazin sei in dieser Sache eben "nicht neutral", sondern positioniere sich eindeutig, "ähnlich wie bei der Ablehnung des Rechtsextremismus". Der Vergleich hinkt zwar etwas, weil der Stern, soweit aktuell bekannt, die Artikel über Rechtsextreme nicht von Antifa-Aktivisten schreiben lässt, noch mehr hinkt aber die Kritik von Poschardt.

Der hat sich nämlich im Juni 2019 für einen Tag einen Kollegen in die Chefredaktion geholt, der nebenbei einen Autokonzern zu lenken hatte: Herbert Diess, den Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen. Eine kritische Auseinandersetzung damit oder eine Offenlegung, was der neue Chefredakteur durfte und was nicht, findet man in der Ausgabe "über die Zukunft der Mobilität" nicht. Dafür eine ganze Seite mit Thesen des autoaktivistischen Chefredakteurs "zu 21 Themen, die alle bewegen". Außerdem eine Aufarbeitung der Ökobilanz von E-Autos, in der die Autoren es "aus Klimaschutzgründen" ratsam finden, "vorerst am Diesel festzuhalten". Oder ein Porträt einer jungen Frau, die bei VW erst das Schweißen gelernt hat und nun, weil die Autos immer smarter werden, das Programmieren. Im Artikel schwärmt sie, dass VW die IT-Leute "wie kleine Rohdiamanten" behandle, überhaupt sei ihre Ausbildung "wie ein Sechser im Lotto".

Nach einiger Lektüre bleibt eigentlich nur ein Wunsch übrig. Wie schön wäre es, denkt man sich, wenn "Kernfusionen" zwischen Redaktionen und interessierten Parteien nicht nur Twitter-Debatten, sondern auch Autos antreiben könnten.

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