Öffentlich-rechtliches Fernsehen:Auf allen Kanälen

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Managt mehr als nur einen Channel: Sophie Burkhardt. (Foto: ARD/funk/Anke Christina Schäfer)

Wie die neue Channel Managerin der ARD, Sophie Burkhardt, die Mediathek aufmotzen möchte und so das Publikum vergrößern will.

Von Carolin Gasteiger

"Fernsehen guck ich nicht". Das ist, wirklich, der neue Werbeslogan für die ARD-Mediathek. In der Kampagne stellen Fernsehpromis wie Carolin Kebekus, Daniel Donskoy oder Jana Ina Zarrella vor, was sie dort am liebsten streamen. Die Botschaft lautet: Die Mediathek kann mehr, als nur verpasste Sendungen bereitstellen. Aber stimmt das auch?

Die Antwort kennt keine besser als Sophie Burkhardt. Die 39-Jährige verantwortet seit März die ARD-Mediathek und das mit offiziellem Titel: Channel Managerin. Als sich die ARD-Programmdirektion im vergangenen Jahr mit Chefredakteur Oliver Köhr, Programmdirektorin Christine Strobl und ihrem Stellvertreter Florian Hager neu aufstellte, wurde mit der Zusatzaufgabe für Hager als Channel Manager vor allem ein internes Signal gesetzt: Schaut, worauf wir das digitale Augenmerk legen!

Sophie Burkhardt hat Hager abgelöst, der als Intendant zum Hessischen Rundfunk gegangenen ist - und nun ist es ihre Aufgabe, die Mediathek aufzumotzen, auch als Konkurrent zum übergroßen Netflix. Aber so kanalspezifisch wie die Jobbezeichnung suggeriert, will Sophie Burkhardt gar nicht arbeiten. Sie will gute Inhalte, und zwar auf allen Kanälen: "Alles, was in der Mediathek ist, steht für das Fernsehprogramm zur Verfügung", sagt sie. Sie war schon beim ZDF, in der Hauptredaktion für Digitale Medien und hatte davor mit Florian Hager das öffentlich-rechtliche Jugendprogramm Funk aufgebaut. Mit Formatentwicklung kennt sie sich also aus, mit dem Digitalen sowieso.

"Wenn das Programm auch nur eine bestimmte Zielgruppe erreicht, kann ich das als Erfolg werten"

Aber wie lockt man die Leute in die ARD-Mediathek? Mit groß angekündigten Serien wie Babylon Berlin, die später auch noch im Fernsehen laufen? Mit Sportevents wie der Bundesliga? Oder fernsehbekannten Testimonials? Klickt man sich durch die Rubriken wie Filme, Serien oder Shows - die Sportschau wird extra aufgeführt - findet man sehenswerte Produktionen wie Zerv oder die Doku über Kevin Kühnert, unter der Rubrik Filme natürlich den Tatort. Den kann man inzwischen auch tagsüber abrufen (früher ging das nur nach 20 Uhr). Die knapp 1,9 Millionen Nutzer, die sich bislang angemeldet haben - und die mit dem Login auch die ZDF-Mediathek nutzen können - finden ein vielfältiges Angebot, das sich aber immer noch hinter viel zu vielen Rubriken versteckt.

Was für die Nutzer unübersichtlich wirkt, ist für Sophie Burkhardt gerade das, was die Mediathek ausmacht. Anders als Netflix biete man hier schließlich Sendungen, die auf Deutschland zugeschnitten sind, auch regionale Angebote und all die journalistischen Formate. Burkhardt sagt: "Netflix hat kein Korrespondentennetz." Die Neuausrichtung funktioniert offenbar: In den ersten drei Monaten des Jahres verzeichnet die ARD-Mediathek mit etwa 609 Millionen Abrufen zwölf Prozent mehr als in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres.

Szene aus "Babylon Berlin" - auch hier im Hintergrund am Zeitungsstand definitiv nicht zu finden: Eine Spezialausgabe des Magazins "Compact". (Foto: Frédéric Batier/dpa)

Wenn nun also neun Landesrundfunkanstalten nicht nur fürs Fernsehen, sondern auch fürs Digitale produzieren, dann zählen Abrufzahlen und Verweildauer in der Mediathek mindestens so viel wie die Quoten. "Wenn das Programm auch nur eine bestimmte Zielgruppe erreicht, mit der wir uns sonst schwertun, dann kann ich das als Erfolg werten", sagt Burkhardt. Und die bevorzugte Zielgruppe umfasst nicht mehr nur die Jungen, sondern alle unter 50 Jahren.

Das Schwierigste an ihrem Job sei es, die Geschwindigkeit zu halten

Das hilft übrigens auch dem Fernsehen: Eine Dokumentation über den unabhängigen russischen Sender Doschd etwa wurde in der Mediathek so häufig abgerufen, dass sie schließlich auch im linearen Fernsehen lief - ganz nach Burkhardts Überzeugung. "Ich bin ja keine Puristin, die sagt, ich will in erster Linie, dass die Mediathek funktioniert", sagt sie. Und dann fügt sie hinzu: "Fernsehen ist viel toleranter und offener für neue Formate, als wir manchmal annehmen."

Ist es am Ende nicht so, dass - ob Babylon Berlin oder investigative Dokus - gute Inhalte immer ihren Weg zum Zuschauer finden, egal auf welchem Kanal? Channel Managerin hin oder her? Ganz so sieht Burkhardt das nicht. So funktionierten etwa Spielshows, die die Menschen gern live schauen, in der Mediathek höchstens noch nach der Ausstrahlung. Auch journalistische Magazine wie das Morgenmagazin täten sich im On-Demand-Bereich schwer. Aber das liege an der Erzählform, nicht an der Qualität des Inhalts, meint sie.

Bei Serien sei das einfacher: "Gerade im Fiktionalen kann man auch mal anders erzählen, andere dramatische Bögen spannen." Weil die Leute sich stärker drauf einlassen und ein Format zu Ende schauen würden. Am schwierigsten sei aber, die Geschwindigkeit zu halten, erklärt Burkhardt. In der Branche herrscht eine unheimliche Dynamik, es braucht ständig neue Inhalte, aber ein Haus wie die ARD mit dezentraler Struktur kann alles andere als schnell reagieren. Alle Entscheidungen basieren auf Kompromissen.

Vermutlich auch ein Grund dafür, warum die ARD die Digitalisierung nicht schon früher vorangetrieben, die Mediathek nicht schon eher modernisiert hat. Vor wenigen Wochen hat Programmdirektorin Strobl verkündet, alle zwei Wochen eine neue Serie in der Mediathek präsentieren zu wollen. Allein in diesem Jahr sollen insgesamt 25 neue Serien anlaufen. Das sind nicht immer gleich Kracher wie Babylon Berlin, sondern auch mal die zweite Staffel der Dramedy-Serie All You Need oder die Comedy-Produktion How To Dad über vier überforderte Väter. Zu ambitioniert findet Sophie Burkhardt das nicht: "Wenn es jemand durchhalten kann, dann wir."

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