Serie "Les Revenants":Bis es dunkel wird

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"Les Revenants" ist eine der besten europäischen Serien der Gegenwart - so gut, dass in den USA ein Remake der französischen Zombie-Geschichte entstanden ist. Jetzt startet die zweite Staffel.

Von Karoline Meta Beisel

Es gibt so viele Vorurteile gegen Zombies. Sie fressen Menschen, sie schlurfen und röcheln, sie tragen Klamotten, die man selbst bei Ebay nicht mehr verkaufen könnte, und das Fleisch fault ihnen von den Knochen. So jedenfalls kennt man die Untoten aus den Filmen von George Romero, aus Danny Boyles 28 Days Later und nicht zuletzt aus der Fernsehserie The Walking Dead, die nach mittlerweile sechs Staffeln zwar auch schon leicht müffelt, aber nach wie vor Jahr für Jahr Rekordquoten erzielt.

Nach dem Busunglück kletterte das tote Mädchen die Böschung hinauf und ging nach Hause

Was in all diesen Horrorstreifen höchstens am Rande vorkommt: Zombies sind auch nur Menschen, allerdings eben leider verstorbene. Dabei kann man um die Konfrontation mit Toten, die einst Väter, Schwestern und Geliebte waren, so viele spannende Geschichten stricken - und den ganzen Gleich-erschreck'-ich-dich-Buhei weglassen. Genau das hat die französische Fernsehserie Les Revenants im Jahr 2012 getan, eine der besten europäischen Produktionen der jüngeren Vergangenheit. Von Mittwoch an ist die zweite Staffel in Deutschland zu sehen.

Nicht falsch verstehen: Von Zombies wimmelt es auch in Les Revenants - international kennt man die Serie als The Returned, die Zurückgekommenen, weil außerhalb Frankreichs niemand "revenants" richtig aussprechen kann. Das sorgt für Verwirrung, aber dazu später. In der ruhigen Serie The Returned jedenfalls kommen die Untoten nicht als faulige Monster daher. Sie sehen genauso aus wie zum Zeitpunkt ihres Todes, und sie wissen noch nicht mal, dass sie längst gestorben sind.

So begann die erste Staffel: Ein Schulbus verunglückt in den französischen Alpen; vier Jahre später klettert eines der Opfer, das Mädchen Camille (Yara Pilatz), die Böschung wieder hinauf, offenbar unversehrt. Dann geht sie nach Hause und schmiert sich ein Brot, ganz unzombiehaft. Die Mutter erschrickt sich - nicht zu Tode, aber doch ganz schön.

Ein amerikanischer Fernsehsender gab ein vollkommen überflüssiges Remake in Auftrag, um den US-Amerikanern lästige Untertitel zu ersparen

Für all die Fragen, die sich in diesem Moment stellen, nahm sich The Returned ausgiebig Zeit: Ist das wirklich unsere Tochter? Warum ist sie zurück? Ist sie irgendwie böse? Geht sie wieder weg? Warum sind die anderen Kinder aus dem Bus nicht wieder da? Wen rufe ich zuerst an, und was passiert, wenn die Nachbarn das Kind sehen? Für den Mut, diese Fragen nicht wie im schnell geschnittenen Hochgeschwindigkeitsfernsehen mit ein, zwei Szenen zu beantworten, bekam die Serie viel Lob - und diverse Fernsehpreise, etwa einen Emmy als beste internationale Dramaserie.

Dann geschah, was oft passiert, wenn etwas Tolles im Fernsehen zu sehen ist, aber leider nicht auf Englisch gedreht wurde: Ein amerikanischer Fernsehsender gab ein vollkommen überflüssiges Remake in Auftrag, um den US-Amerikanern lästige Untertitel zu ersparen. Lost-Miterfinder Carlton Cuse drehte die Serie The Returned (!). Die war selbst eine Art Wiedergänger: Sehr ähnlich wie etwas, das man liebte - aber irgendwie anders. Das Remake war okay, kein Wunder, orientierte es sich doch bis zur Physiognomie der Hauptdarsteller eng am Original. Aber trotzdem eben längst nicht so gut wie die Vorlage; nach nur einer Staffel wurde The Returned abgesetzt. Im Angebot der Streamingdienste geistern die Folgen aber noch herum - und verwirren den, der das Original sucht. Als Unterscheidungshilfe: Auf dem französischen Plakat ist eine Frau, auf dem amerikanischen ein kleiner Junge abgebildet.

Jetzt also starten die neuen französischen Folgen in Deutschland, vier Jahre nach dem Ende der ersten Staffel. Die Erfinder hatten zunächst versucht, die neuen Folgen inhaltlich nahtlos an das Ende der ersten Staffel anschließen zu lassen. Aber das habe sich zu sehr angefühlt, als würde man Staffel eins verlängern, und nicht wie der Beginn von etwas Neuem. Die Drehbücher mussten neu geschrieben werden.

Nun setzt die Handlung ein halbes Jahr später ein. Man kann nicht viel darüber sagen, ohne den Glücklichen, die die erste Staffel noch vor sich haben, den Spaß zu verderben. Was geblieben ist, ist dieses unwirkliche, trübe Licht, das die Drehorte in den französischen Alpen als beinahe mystische Stätten erscheinen lässt. Les Revenants wurde so viel wie möglich am späten Nachmittag und am Abend gedreht, mit nur einer Kamera, weil es zu schwierig war, das richtige Licht für zwei oder noch mehr Perspektiven zu setzen. Nicht, dass die Spielstätten nicht schon selbst Anlass zum Schaudern geben würden: Die Talsperre von Tignes, die die Isère staut, war in der ersten Staffel immer wieder zu sehen, im See versank 1952 ein altes Dorf. In der zweiten Staffel, das wenigstens sei verraten, spielt dieses Motiv eine noch größere Rolle: Der Staudamm ist gebrochen, die Zombies können schwimmen. Aber warum auch nicht: Sie waren ja mal Menschen.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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