Serie "Jett":Gier und Schuld

Lesezeit: 2 min

Femme fatale, aber nicht klischeehaft: Carla Gugino als Jett. (Foto: Christos Kalohoridis)

Die Serie "Jett" erzählt von einer Meisterdiebin, die noch ein letztes großes Ding drehen will. Aber wie das so ist: Dieses Ding geht natürlich schief.

Von Luise Checchin

Menschen, die sich schon durch ein bisschen Berufsverkehr den Tag vermiesen lassen, sollten sich diese Frau zum Vorbild nehmen. Eben ist die Meisterdiebin Jett, Heldin der gleichnamigen Serie, die jetzt auf Sky anläuft, wegen eines missglückten Auftrags von einem verräterischen Mitarbeiter angeschossen worden, musste sich einen Sportwagen klauen, um vom Tatort zu fliehen (wobei sie sich während des Fahrens mit einer Hand den blutenden Arm abband) - und trotzdem ist in ihrem Gesicht gerade mal eine milde Genervtheit zu erkennen.

Einen letzten großen Coup will sie zwischen den Elternabenden erledigen

Wenn Lässigkeit die wichtigste Gangster-Tugend ist, dann gehört Daisy "Jett" Kowalski definitiv zu den ganz Großen. Was auch erklärt, warum sie das organisierte Verbrechen nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis nicht in Ruhe lässt. Noch ein letztes großes Ding soll sie für ihn drehen, bittet sie der mondäne Oberganove Charlie, dann könne sie sich ja getrost zur Ruhe setzten und ganz um ihre kleine Tochter kümmern. Man ahnt es schon, denn nicht zum ersten Mal in der Film- und Seriengeschichte gerät ein potenzieller Ex-Gangster bei seinem großen Finale in Schwierigkeiten: Dieses Ding geht natürlich schief.

Und so findet sich Jett schon am Ende der ersten Folge gefangen in einem Netz aus Lügen und Verrat, ohne den geringsten Schimmer, wem sie noch vertrauen kann.

Die Femme fatale, die erotische mit krimineller Energie verbindet, ist der Hauptfigur Jett als Thema eingeschrieben und weil das ein recht strapazierter Topos ist, spielt die Serie mit den Klischees. Man sieht Carla Gugino, wie sie als Jett Martinis in Hotelbars schlürft, am nackten Oberschenkel befestigte Revolver hervorzieht und mit sehr vielen Männern schläft. Allerdings sieht man sie auch abgekämpft in der Schulsprechstunde ihrer Tochter sitzen oder als solidarische Freundin und Mentorin andere Frauen unterstützen. Sie ist auf jeden Fall mehr als eine reine Männerfantasie, die Sexszenen wurden nach dem Start in den USA im Sommer besonders gelobt.

Tatsächlich sind die Frauen im Verlauf der Geschichte weitestgehend selbstbestimmt dargestellt - allerdings sind sie auch um ein Vielfaches häufiger nackt zu sehen als die Männer und das mitunter in Situationen, die das inhaltlich nicht zwingend erfordern würden. Abgesehen davon ist Jett eine ausgesprochen sehenswerte Serie. Das liegt zunächst an der sehr spezifischen Ästhetik - angefangen beim neonblinkenden Titelschriftzug, über das Retro-Design der Inneneinrichtung bis zu den immer wieder auftauchenden exzentrischen Lichtwechseln.

Jett hat eine Siebzigerjahre-Anmutung, die so spielerisch inszeniert ist, dass die Serie natürlich wirkt, obwohl sie in der Gegenwart angesiedelt ist. Der Sog, den diese ganz eigene Welt kreiert, wird verstärkt durch wilde Zeitsprünge und Handlungstwists, mit denen Regisseur Sebastian Gutierrez hantiert (für müde oder denkfaule Zustände ist die Serie jedenfalls eher ungeeignet). Am beeindruckendsten sind darin die Nebenfiguren, denen eine ungewöhnliche Tiefe zugestanden wird. Etwa der Auftragskiller, der gerade noch einem Mann am Telefon anschaulich erläutert hat, auf welche Art er dessen entführte Frau zerstückeln würde, wenn dieser nicht gehorche, und der wenig später besagter Frau höchst empathisch Atemübungen zur Angstreduktion ans Herz legt.

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Auch die Opfer der Gangster werden nach der Tat nicht einfach von den Geschichtenerzählern vergessen, auch ihre Handlungsfäden spinnen sich fort. Sie verstricken sich mit den Gangsterschicksalen zu einem Geflecht aus Gier und Schuld. Für dessen Entwirrung ist unerschütterliche Lässigkeit nicht die schlechteste Eigenschaft.

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© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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