Ziemlich genau vier Jahre ist es her, da musste der Schweizer öffentlich-rechtliche Rundfunk zittern. Die "No Billag"-Initiative wollte die Radio- und Fernsehgebühren abschaffen, damit der Schweizer Radio und Fernsehgesellschaft (SRG) die Finanzierung entziehen und auch ihren staatlichen Bildungsauftrag aus der Verfassung streichen. Hinter der Abstimmung standen Ultraliberale, die die Staatsnähe der SRG und auch die hohen Gebühren kritisierten. Die Initiative wurde zwar mit wuchtigen 71 Prozent abgelehnt, doch die Debatte um Sinn und Unsinn von "Staatsmedien" war lanciert - und lebt bis heute fort.
Am Sonntag stimmen die Schweizerinnen und Schweizer nämlich wieder über die Frage ab, wie viel Staatsnähe der Journalismus verträgt. Diesmal geht es allerdings nicht um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern um private Medien: Regierung und Parlamentsmehrheit wollen die Medienförderung stark ausbauen, von aktuell knapp 140 auf fast 290 Millionen Franken jährlich.
Schon heute verteilt die öffentliche Hand in der Schweiz Geld an bestimmte Medien: So erhalten private Lokalradios und das Regionalfernsehen einen Anteil der Radio- und Fernsehgebühren. Seit Jahrzehnten fördert der Bund zudem Zeitungen und Zeitschriften indirekt, indem er ihre Zustellung subventioniert. Für beide Instrumente will die Politik nun mehr Geld zur Verfügung stellen. Neu hinzukommen sollen außerdem eine direkte Subventionierung von Bezahl-Onlinemedien sowie eine Förderung der Früh- und Sonntagszustellung. Fast alle Förderinstrumente sind degressiv gestaltet, also: Je kleiner das Medium, desto stärker soll es im Verhältnis profitieren. Die neuen Mittel für die Zustellung und die Onlinemedien laufen nach sieben Jahren wieder aus.
Das Geld soll Berichterstattung stärken, sagen Befürworter
Dieses "Maßnahmenpaket zugunsten der Medien" wurde im Juni 2021 verabschiedet. Die Regierung, die das Ganze initiiert hat, begründet die Reform mit der schwierigen Lage vieler Medienunternehmen: Sie verweist auf die Werbegelder, die in den vergangenen Jahren weg von Schweizer Medien und hin zu den internationalen Tech-Firmen geflossen sind, auf das Zeitungssterben vor allem im ländlichen Raum. "Diese Entwicklung schwächt die Berichterstattung über das Geschehen vor Ort", so das Bundesamt für Kommunikation. Darum also: mehr Geld vom Staat.
Eine Gruppe von Medienunternehmern und Politikern, vor allem aus dem bürgerlichen und rechten Lager, will das nicht hinnehmen und hat nun die Abstimmung darüber erzwungen. Sie warnen vor "Steuermilliarden für Medienmillionäre" - ein Verweis auf große Schweizer Medienhäuser wie Ringier, CH Media oder TX Group, die auch von dem Gesetz profitieren würden. Zudem geißeln die Gegner, zu denen auch bekannte Medienmacher wie Weltwoche-Chef Roger Köppel oder Nebelspalter-Verleger Markus Somm gehören, die mit dem Paket wachsende Abhängigkeit der Medien vom Staat und befürchten letztlich das Ende von Presse- und Meinungsfreiheit.
Kritiker fürchten, der Journalismus würde abhängiger vom Staat
Das Land debattiert also von Neuem darüber, wie abhängig Journalismus von der Politik sein darf. Dabei haben sich ungewöhnliche Allianzen ergeben: Für die Ausweitung der Förderung sprechen sich nicht nur kleine, unabhängige Medien wie die Republik oder die Wochenzeitung aus, sondern eben auch die großen Häuser Ringier und TX Group. Insbesondere bei letzterer - mit deren Qualitätsmedien die Süddeutsche Zeitung kooperiert - war in den vergangenen Jahren nicht immer klar, ob es ihr überhaupt um Journalismus oder nicht viel mehr um hohe Dividenden geht. Auf der Nein-Seite wiederum tummeln sich einige Medienleute, die für ihre Unternehmungen gerne das Geld von verschwiegenen Mäzenen mit rechter Agenda angenommen haben und deren Unabhängigkeit deshalb zumindest bezweifelt werden darf.
Wer sich am Sonntag durchsetzen wird, ist noch unklar; die Umfragen sagen ein knappes Rennen zwischen Ja- und Nein-Lager voraus. Fest steht dagegen, dass dem Land der Streit um die staatliche (Mit-)Finanzierung von Journalismus erhalten bleiben wird: Als jüngst publik wurde, dass die Geschäftsleitung der SRG künftig statt Boni 20 Prozent mehr Fixlohn erhält, kochte die Wut bei vielen Kritikern von Neuem hoch - insbesondere bei der rechtskonservativen Schweizer Volkspartei (SVP). Deren Parteipräsident Marco Chiesa kritisierte in einem Interview, dass die SRG "die Welt mehrheitlich aus einer linken Optik" beschreibe, das sei inakzeptabel. "Daher dürfte eine Volksinitiative, die eine Halbierung der Zwangsgebühr auf 200 Franken vorsieht, in der Bevölkerung breite Unterstützung finden." Der nächste Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Schweiz: Er ist schon in Vorbereitung.