Pressefreiheit:Wo der Staat prügelt und mordet

"Reporter ohne Grenzen" hat die Rangliste der Pressefreiheit veröffentlicht - und sie in einem Buch um Reportagen und quälende Bilder ergänzt. Eine Auswahl.

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(Foto: Picture Alliance/ AP Photo)

Pressefreiheit, das klingt so abstrakt. Gerade in einem Land wie Deutschland, in dem sie so selbstverständlich scheint. Dass sie das keineswegs ist, auch hier nicht, zeigt die Rangliste der Pressefreiheit, die "Reporter ohne Grenze" (ROG) jedes Jahr veröffentlicht. Fazit für 2017: "Besonders erschreckend ist, dass auch Demokratien immer stärker unabhängige Medien und Journalisten einschränken, statt die Pressefreiheit als Grundwert hochzuhalten", sagt ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. So habe etwa in den USA (Rang 43) die Verfolgung von Investigativjournalisten und Whistleblowern zugenommen. Um den abstrakten Begriff greifbar zu machen, hat die Organisation ein Buch veröffentlicht. Es ergänzt die Rangliste um kurze Reportagen - und um quälende Bilder. Wie das dieser Frau. Sie wurde am 15. März 2016 auf einer Demonstration für die Pressefreiheit in Istanbul verletzt. Die regierungskritische Zeitung Zaman war gerade geschlossen worden. Bei der Demonstration vor dem Hauptsitz der Zeitung ging die Polizei mit Wasserwerfern und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Auf der Rangliste der Pressefreiheit findet sich die Türkei damit auf Platz 155 (von 180) - einen Platz hinter der Demokratischen Republik Kongo.

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(Foto: Mohammed Badra / EPA / Picture Alliance / dpa)

Syrien: Auf Platz 177 der Rangliste der Pressefreiheit befindet sich Syrien. Nur Turkmenistan, Eritrea und Nordkorea sind für Journalisten noch gefährlicher. Zwischen 2011 und 2016 wurden in Syrien mindestens 214 Journalisten getötet. Mohammed Badra fotografierte für dieses Bild einen Vergnügungspark für Kinder, der zum Schutz vor Luftangriffen unter die Erde gelegt wurde. "Ich will nicht nur Leid und Zerstörung zeigen, sondern auch die menschliche Seite unseres Alltags", sagt er.

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(Foto: Dominic Nahr / Agentur Focus)

Südsudan: Fast zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht, seit 2013 herrscht im Südsudan (Platz 145) wieder ein Bürgerkrieg, bei dem es vor allem um die Vorherrschaft über die lukrativen Erdölfelder geht. Dominic Nahr fotografiert Menschen auf der Suche nach Sicherheit. Auf diesem Bild hilft ein Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" einem Jungen, sich auf die kleine Insel Kok zu retten. Auf die Insel flüchteten sich 2000 Menschen, um den Kämpfen zu entkommen.

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(Foto: Jacek Taran)

Polen: 2015 befand sich Polen auf der Rangliste der Pressefreiheit noch auf Platz 18. Durch die Parlamentswahl 2015 vollzog sich jedoch ein Macht- und damit ein Politikwechsel. Seitdem höhlt die nationalkonservative Regierung den Rechtsstaat zusehends aus. 2016 fiel das Urteil von "Reporter ohne Grenzen" schon wesentlich schlechter aus: Polen rutschte auf Rang 47. Im Jahr 2017 kommt es nur noch auf Platz 54. Jacek Taran fotografierte diese Frau Anfang Oktober 2016 bei einer Demonstration gegen einen Gesetzentwurf, der ein fast vollständiges Abtreibungsverbot vorsah. An der Demonstration beteiligten sich Zehntausende Polinnen.

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(Foto: Dondi Tawatao / Getty Images)

Philippinen: Auch auf den Philippinen (Platz 127) hat eine Präsidentschaftswahl fundamentale Veränderungen hervorgerufen. Präsident Rodrigo Duterte führt seit seiner Wahl im Mai 2016 einen gnadenlosen Krieg gegen Drogenkriminelle und Süchtige. Seit seinem Amtsantritt Ende Juni starben etwa 6000 Menschen durch die Polizei oder Auftragsmörder, deren Hintermänner im Dunkeln blieben. Der Fotograf Dondo Tawatao dokumentierte die Menschenjagd bei Nacht von Anfang an und erlebte dabei Szenen, die er in ihrer Brutalität selbst kaum aushielt. Auf diesem Bild hält die 26-jährige Jannilyn Olayres ihren erschossenen Ehemann in den Armen.

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(Foto: Emmanuel Guillen Lozano)

Mexiko: Am 26. September 2014 wurden in Mexiko 43 Studenten verschleppt. Polizisten und Mitglieder des kriminellen Kartells "Guerreros Unidos" hatte die Gruppe angegriffen. Sechs Menschen starben. Wohin die Studenten gebracht wurden und was mit ihnen passierte, ist bis heute ungeklärt. Emmanuel Guillen Lozano portaitiert seither die Angehörigen auf der Suche nach ihren vermissten Familienmitgliedern, um ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Hier sieht man Bernabe Abrajan auf einer Straße in Mexiko-Stadt. Er schläft dort, nachdem er vergeblich nach seinem Sohn gesucht hat. Das Land landet im Jahr 2017 auf Platz 147 der Pressefreiheits-Rangliste.

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(Foto: Francois X. Klein)

Eritrea: Auf der Liste schneidet Eritrea mit am schlechtesten ab. Das Land liegt auf dem vorletzten Rang (179), es gilt als das Nordkorea Afrikas. Diktator Isayas Afewerki herrscht seit 1993 in Form einer Übergangsregierung. Seine Partei ist die einzige - eine politische Opposition oder freie Medien gibt es nicht. Jeden Monat fliehen etwa 5000 Menschen aus dem Land. Das Mädchen auf dem Bild läuft jeden Tag zwölf Kilometer zu ihrer Arbeit. Fotograf Francois Klein reiste durch das Land, um Eindrücke zu sammeln und mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen.

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(Foto: Johny Pitts)

Großbritannien: Das Vereinigte Königreich schneidet auf der Rangliste der Pressefreiheit mit Platz 40 im Vergleich zu anderen europäischen Staaten auffallend schlecht ab - unter anderem, weil dort Spitzenpolitiker ihre Geringschätzung gegenüber Journalisten so offen zur Schau stellen. Johny Pitts fotografiert Menschen im Arbeiterviertel der nordenglischen Stadt Sheffield und macht Bilder, die die Wurzeln des Brexit zeigen sollen. In dem Viertel haben nur neun Prozent einen Hochschulabschluss. 81 Prozent stimmten dort für den Ausstieg aus der EU. Auf diesem Bild ist die Bar "Casbah" abgebildet. Vor ein paar Jahren wurde sie geschlossen und ist inzwischen ausgeräumt.

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(Foto: Miguel Angel Sanchez & Nuria Teson / MasTeson)

Ägypten: Ägypten liegt auf Platz 161 der Rangliste der Pressefreiheit. Fünf Jahre nach der Revolution herrscht dort eine Staatskrise. Von den Protagonisten der Proteste 2011 machten der Fotograf Miguel Angel Sanchez und die Journalistin Nuria Teson gemäldeartige Portraits: Auf diesem Bild ist Ahmad al-Belasi zu sehen. Der Zahnarzt verlor während der Proteste sein Augenlicht. Auf seinem Glasauge steht in arabischer Schrift "Hurriya": Freiheit.

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(Foto: Guy Martin / Panos Pictures)

Türkei II: Vor allem die Gezi-Proteste im Sommer 2013 bedeuteten für die Türkei einen Wendepunkt. Auch diese Demonstrationen waren gewaltsam niedergeschlagen worden - und Versammlungen auf dem Taksim-Platz verboten. Seitdem wird in der Türkei konsequent gegen Gengner der regierenden AKP von Recep Tayyip Erdoğan vorgegangen. Mit diesem Bild dokumentiert Guy Martin den Protest gegen Angriffe auf die türkisch-kurdische Zeitung Özgür Günem im Juni 2016. Zwei Monate später wurde die Zeitung geschlossen. In der Türkei wurden die Medien von einer "Säuberungswelle" erfasst, die bis heute anhält. Dutzende kritische, freie Zeitungshäuser und Fernsehsender wurden geschlossen. Es ist ein Kampf gegen die Meinungsfreiheit, dessen prominentester Fall in Deutschland zuletzt der noch immer in der Türkei inhaftierte Journalist Deniz Yücel ist.

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