Pressefreiheit:Journalisten unter Verdacht

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Vor dem Marseiller Polizeipräsidium demonstrieren Journalisten und Aktivisten am Mittwoch für die Freilassung der Investigativ-Journalistin Ariane Lavrilleux. (Foto: ISABELLE WESSELINGH/AFP)

Untersuchungshaft und Durchsuchungen: Alleine in der vergangenen Woche wurden in Frankreich vier Journalisten von der Polizei verhört. Medienverbände fordern einen besseren Quellenschutz.

Von Léonardo Kahn

Es ist gerade mal sechs Uhr, als die Investigativ-Journalistin Ariane Lavrilleux am Dienstag wachgeklingelt wird. Vor ihrer Tür steht die Marseiller Polizei. Sie wird verdächtigt, in den Enthüllungen der sogenannten Egypt Papers vertrauliche Informationen des Verteidigungsministerium geleakt zu haben. Ihre Wohnung inklusiver Laptops und Handys wird durchsucht. Später wird sie auf das Polizeipräsidium gebracht, wo sie zehn Stunden verhört wird und die Nacht in der Zelle verbringt. Sie wird nach 39 Stunden aus der Untersuchungshaft entlassen. Das schildert die junge Journalistin nach ihrer Freilassung bei einer Pressekonferenz mit der französischen De­pen­dance von "Reporter ohne Grenzen", RSF, in Paris.

Das Ministerium streitet dabei die Authentizität ihrer Enthüllungen nicht mal ab. Vor zwei Jahren legte sie im Investigativ-Medium Disclose offen, wie der französische Geheimdienst mit dem ägyptischen Präsident Abd al-Fattah as-Sisi kooperierte und sich dadurch indirekt an Hinrichtungen beteiligte. Die Dokumente wurden ihr vermutlich von einem ehemaligen Beamten zugespielt, dem nun wegen Landesverrat bis zu sieben Jahre Haft drohen könnten. Selbst eine Gesetzesklausel, die seit 2016 Whistleblower schützen soll, würde ihn nicht vor einer Haftstrafe bewahren, denn Beamte aus dem Geheimdienst werden von diesem Gesetz nicht geschützt.

Quellenschutz in Frankreich nicht per se schlechter als in Deutschland

Der Fall sorgte in Frankreich für Empörung. Am Mittwoch wurde auf der Place de la République in Paris und vor der Polizeizentrale in Marseille demonstriert und nahezu alle Journalistenverbände fordern in einem offenen Brief einen rechtlich besseren Schutz der Pressefreiheit. "Ohne Garantie für den Schutz unserer Quellen ist die Ausübung unseres Berufs selbst gefährdet", schreibt das Kollektiv. Der Brief wurde Donnerstagmittag in zahlreichen Medien veröffentlicht, darunter Le Figaro, Le Monde und Radio France - wenige Stunden später wurden drei weitere Kollegen in Lille von der Polizei vorgeladen.

Die Journalisten von der Tageszeitung Libération haben über die Todesumstände eines jungen Mannes recherchiert, der vergangenes Jahr von einem Polizisten in seinem Auto erschossen wurde. Auch hier wird ermittelt, inwiefern die Journalisten Zugang zu internen Akten hatten. Die Chefredaktion verurteilt das Verfahren in einer Pressemitteilung und bezeichnet es als "unwürdig" für ein demokratisches Land, in dem die Pressefreiheit unter keinen Umständen behindert werden dürfe.

Wahrscheinlich ereigneten sich beide Verhöre zufällig in der selben Woche. Nichtdestotrotz erkennt RSF darin einen "Einschüchterungsversuch" seitens staatlicher Institutionen. "Regelmäßig" würden Journalisten in Frankreich von der Polizei verhört werden, weshalb RSF eine Liste mit Vorschlägen aufgestellt hat, wie sich der Gesetzesentwurf von 2010 konkret ausbessern ließe, um die journalistische Arbeit und auch Informanten besser zu schützen.

Die Gesetzeslage in Frankreich sei jedoch nicht per se schlechter als in Deutschland, betont der EU-Beauftragter von RSF, Pavol Szalai. Es sei die Kombination aus unzureichend rechtlichem Schutz und der Wille von den Behörden, die Journalisten durchsuchen zu wollen. In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit steht Frankreich auf Platz 24, Deutschland liegt auf Platz 21.

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