Podcast "Zehn Gebote":Ehre das kluge Gespräch

Lesezeit: 2 min

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Taugen die Zehn Gebote noch als Maßstab für menschliches Miteinander? Im Podcast "Du sollst nicht ..." wird darüber diskutiert.

Von Stefan Fischer

Solange sich die Menschen an diese zehn im Grunde einfachen Regeln halten, könnte das mit dem Zusammenleben eigentlich ganz gut klappen - möchte man meinen. Doch die Bindungen vieler Menschen an Glaube, Kirche sowie christliche Werte ist geschwunden. Was bedeuten die biblischen Zehn Gebote also in der Gegenwart noch?

Jens Becker, Drehbuchautor und Filmregisseur, ergründet das auf kluge, charmante Weise in dem Podcast Du sollst nicht ... - Wie die 10 Gebote unser Leben bestimmen, einer Produktion von Radio Bremen. Sein erster Besuch in jeder Folge gilt Margot Käßmann, ehemals Landesbischöfin. Er spricht in den ersten beiden Episoden mit ihr über Ehebruch und darüber, den Feiertag zu heiligen, also über das sechste und das dritte Gebot. Dabei spielen die persönlichen Erfahrungen der beiden stets eine Rolle: Sowohl Becker als auch Käßmann sind geschieden, beide hatten oder haben Arbeitszeiten, die weit über die klassische Montag-bis-Freitag-36,5-Stundenwoche hinausgehen.

Diese Gespräche sind Einführungen in die jeweiligen Recherchen, die dann schnell wegführen von theologischen und moralischen Kategorien. Becker interessiert sich ganz lebenspraktisch für Verhaltensweisen Einzelner wie auch der gesamten Gesellschaft, die lange Zeit durch die Gebote geregelt schienen, es in dieser Form aber nicht mehr ohne Weiteres sind.

Eine Sexarbeiterin spricht über Liebe, Treue, Offenheit und Monogamie

In jeder Folge tritt auch die Kriminalpsychologin Lydia Benecke auf, außerdem baut Becker stets ein Minihörspiel ein. In der Auftaktfolge ist das kleine fiktionale Stück angelehnt an Goethes "Wahlverwandtschaften", in der zweiten handelt es vom selbstausbeuterischen Schaffensdrang Vincent van Goghs. Tatsächlich spannend und definitiv hörenswert werden die knapp 50-minütigen Episoden vor allem, wenn der Autor mit seinem jeweiligen Interview-Gast ins Gespräch kommt. In der Ehebruch-Episode ist das eine extrem reflektierte Sexarbeiterin, die sehr klug und offen über Liebe, Sexualität, Treue, Offenheit und Monogamie spricht.

Neuer Podcast
:quoted. der medienpodcast

Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura und SZ-Autor Nils Minkmar analysieren in diesem neuen Podcast aktuelle mediale Diskurse. In der ersten Folge geht es um den Krieg in der Ukraine und welchen Effekt die Berichterstattung auf unser Meinungsbild hat.

Es geht unter anderem darum, mit welchem Stigma das Fremdgehen heutzutage verbunden ist. Innerhalb einer Beziehung wird es von beiden Geschlechtern häufig in gleichem Maß sanktioniert, so die These, können sich Männer also nicht mehr erlauben als Frauen. Im sozialen Umfeld würden Frauen, die fremdgehen, aber nach wie vor kritischer gesehen als Männer.

Die zweite Episode über den zu heiligenden Feiertag handelt ebenfalls von der Missachtung dieses Gebots, was in diesem Fall zu einer extremen Konsequenz führt: dem Burnout-Syndrom. Gesprächsgast ist der ehemalige Skispringer Sven Hannawald, der über seine eigene Erkrankung spricht. Er ist nach seiner erfolgreichsten Saison unter dem Druck auch eigener Erwartungen zusammengebrochen. Aus heutiger Sicht glaubt er, dass er auf dem Höhepunkt seiner Karriere deshalb so erfolgreich sein konnte, weil er am Ende des Winters zuvor pausiert hatte, er also besser regeneriert in seine Top-Saison gestartet ist - mehr Erfolg durch weniger Belastung.

Auch Hannawald wägt klug ab, was er sagt, wie die Sexarbeiterin vor ihm. Weder simplifizieren noch skandalisieren die beiden. Somit beherzigt der Podcast ein Gebot, das es seinerzeit nicht auf die Zehnerliste geschafft hat: Du sollst nicht dummes Zeug reden!

Du sollst nicht ... - Wie die 10 Gebote unser Leben bestimmen , Bremen Zwei, 10. April 2022, 18 Uhr. Weitere Folgen: 12., 13., 15., 17., 18., 19. und 24.4 Uhr. Sowie ab 10. April 2022 in der ARD-Audiothek.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMelnyk bei Maischberger
:"Klingt hart. Isso aber"

Nach dem Massaker von Butscha fragt der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, was noch passieren müsse, damit sich Deutschland zu schärferen Sanktionen und Waffenlieferungen entschließt. Und verteidigt seine mitunter drastischen Worte.

Von Christoph Koopmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: