Finale Staffel von "Peaky Blinders":Hofft nicht auf Erlösung

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(Foto: Matt Squire/NETFLIX/Matt Squire/NETFLIX)

Die sechste ist auch die letzte Staffel von "Peaky Blinders", doch das Ende der Geschichte fehlt. Über eine geniale Gangster-Serie und die Schwierigkeit des Schlussmachens.

Von Carolin Gasteiger

Erlösung wird es für den Großgangster Thomas Michael Shelby nicht geben. Auch wenn er behauptet: "Ich bin kein Teufel. Ich bin ein sterblicher Mann." Aber wie könnte einer, der immer noch tötet und töten lässt, der korrumpiert, schmiert, vertuscht und die eigene Familie belügt und betrügt, überhaupt zu einem besseren Menschen werden?

Denn das ist, zumindest mal angeblich, das Ziel von Tommy Shelby in der finalen Staffel von Peaky Blinders: Ein besserer Mensch zu werden, die Welt zu verändern, für seine Familie zu sorgen. Aber sieht man sich seine Methoden an, so hat sich eher wenig verändert und in dem Abgeordneten, der im britischen Parlament sitzt, den Titel OBE führt und mit Winston Churchill korrespondiert, steckt natürlich immer noch der skrupellose Ganove aus den Gassen Birminghams.

Mit Undercuts, Tweedsakkos, Uhrenketten und wehenden Mänteln wurden die Peaky Blinders - in ihre Schirmmützen sind Rasierklingen eingenäht - zu Kultfiguren und Stephen Knights Serie ein Hit. Knights Eltern waren in Small Heath aufgewachsen, wo die Peaky Blinders, die echten, damals wirklich regierten, sie erzählten ihrem Sohn von der Gang. Nostalgische Gangster-Mythologie vom Feinsten. So lässt sich auch erklären, dass Knight jetzt einfach nicht loslassen kann.

Ganz oben Tommy Shelby, kriegstraumatisiert und auch ansonsten völlig kaputt

Anfangs von den Kritikern belächelt, entwickelte die Serie bald einen Sog. Idris Elba und Brad Pitt sind Fans, Snoop Dogg coverte Nick Caves legendären Titelsong "Red Right Hand", Friseure mussten Undercuts schneiden und der Times zufolge rangierte unter britischen Jungennamen Arthur - der älteste, aber auch kaputteste der vier Shelby-Brüder - weit vorn. Die brutalen Kampfszenen, in Zeitlupe und untermalt mit Musik von Joy Division über Radiohead bis David Bowie, erinnerten in ihrer splatterhaften Ästhetik an das Kino Quentin Tarantinos. Und im Zentrum von allem stand immer Thomas Shelby, kriegstraumatisiert, völlig kaputt. Cillian Murphy spielt den Bandenchef, hoffnungslos übermännlich, ständig am Whiskey, mit tiefer Stimme, kaltem Blick und diesem Gang, als laufe er die ganze Zeit durch einen Ganzkörperscanner.

Auch wenn er inzwischen ein einflussreicher Politiker ist und seine Schwester Ada nun Chanel trägt: Die Peaky Blinders sind in der Krise. Ende der fünften Staffel war Shelby schon angeknackst, ein Attentat auf den Faschisten Oswald Mosley war schiefgegangen, Shelby hielt sich eine Pistole an die Schläfe und lief schreiend in den Nebel. Nun, Anfang der sechsten Staffel liegt er im Schlamm, er hat gerade so überlebt.

Bei dem Attentat kamen drei seiner Leute um, darunter Tante Polly, die Matriarchin der Familie. Deren Verlust hat Tommy Shelby gebrochen. "Keine Polly mehr, kein Whiskey mehr, kein Tommy mehr", so fasst es seine Ehefrau Lizzie zusammen. Polly-Darstellerin Helen McCrory ist im April 2021 an Krebs gestorben, bevor die Dreharbeiten zur finalen Staffel aufgenommen wurden. Pollys Flüstern, das Tommy nachts hört, ist nun Leitmotiv: "Es wird in dieser Familie Krieg geben und einer von Euch wird sterben."

Matriarchin und Tommys Mentorin aus dem Jenseits: die 2021 verstorbene Helen McCrory als Polly Gray in der ersten Staffel von "Peaky Blinders". (Foto: Netflix/imago images/Everett Collection)

Es ist 1933, die Faschisten unter Mosley bekommen Zulauf, Ziegelsteine mit Morddrohungen fliegen durch Fenster. Aber die wahren Herausforderungen kommen für Tommy Shelby aus dem Innersten seiner Familie. Und damit sind nicht nur Michael und Gina Grey (grandios: Anya Taylor-Joy) gemeint, die die Firma ihres Onkels umstrukturieren wollen, weil Amerika nichts anfangen kann mit der "zwielichtigen Rasiermesserbande". Schließlich glaubt Thomas Shelby, ständig auf der Suche nach dem einen Feind, den er nicht besiegen kann, diesen gefunden zu haben.

Zum Glück sieht man im Finale auch das, was "Peaky Blinders" ausmacht

Er kämpft und kämpft. Und das wird in der finalen Staffel zelebriert. Es ist eh alles in düsterem Licht gehalten, das Wetter immer schlecht, die Gesichter eingefallen, aber wenn Tommy mit sich und seinen Dämonen ringt, wird es zappenduster. In langsamen Szenen ziehen sich die Qualen des Familienoberhaupts, das schwört: "Ich werde ein besserer Mensch". Und dann schläft er mit der Frau des Faschisten, der Faschistin.

In den dreckigen Straßen von Small Heath: Tommy Shelby (Cillian Murphy) und seine Tante und Mentorin Polly Gray (Helen McCrory) in der dritten Staffel. (Foto: Robert Viglasky/Netflix)

Zum Glück merkt man im Finale, was den Reiz von Peaky Blinders über so viele Staffeln ausgemacht hat: die Plottwists, die Actionszenen, die Ausstattung und ein grandioser Soundtrack (Geheimtipp: Sinéad O'Connors "In this heart"). Spätestens wenn Arthur Shelby, in den ersten Folgen noch eine opium-benebelte Karikatur seiner selbst, und Jeremiah Jesus mit Atemmasken im Senfgasnebel stehen, wirkt das so überzogen, da hält man auch eine Comicadaption für möglich.

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Wie Stephen Knight, der Macher der Show, dem Guardian erzählte, sind mehrere Spinoffs von Peaky Blinders geplant. Unter anderem ein Ballett - harte Waffen am Tutu? - und ein Kinofilm. Das erklärt einiges. Denn die letzte Staffel ist gut gemacht, aber sie ist kein Paukenschlag, kein Feuerwerk, und zwar: ein ehrliches Ende.

Warum nicht einfach mit einem großen Bang aufhören?

Mehrere Figuren tauchen auf, deren Entwicklung vielversprechend wäre, neue Handlungsstränge werden aufgemacht, Tom Hardy als jüdischer Bandenchef Alfie Solomons ist wieder da ("Was den Tod angeht, als jemand der schon seit Jahren tot ist, kann ich ihn nur empfehlen") und Tommy Shelby, nun ja, Sie werden sehen. Am Schluss bleiben zu viele offenen Fragen, als hätten die Macher mit dieser Staffel alles vorbereitet für das Finale nach dem Finale, zum Beispiel für einen Kinofilm.

Dabei ist es ja nicht so, dass der nachfolgende Kinofilm prinzipiell das Serienende ruinieren muss: Bei den Sopranos griff der Kinofilm mehr als zehn Jahre nach deren Ende eine Vorgeschichte der Serie auf, bei Downton Abbey besiegelte die abschließende Weihnachtsepisode das Ende des Adels, Sex and the City schaffte es mit Mr. Big und dem begehbaren Kleiderschrank, einen Punkt zu machen. Doch selten lag ein Serienfinale mit so vielen ausgefransten Enden da wie das von Peaky Blinders. Aber wie Stephen Knight im Guardian sagt: "Die Idee bei Peaky war, diese Mythologie aufrechtzuerhalten, diese Legende zu verewigen." Fest steht: Erlösung wird es für Thomas Shelby nicht geben.

Sechs Folgen, auf Netflix.

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