Neue Staffel "Girls"::Am Ende sind alle allein

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Tiefgründiger und düsterer: Die neue Staffel von Lena Dunhams TV-Serie "Girls" schmeckt schon nach Abschied. Noch 20 Folgen, dann ist Schluss.

TV-Kritik von Nadja Schlüter

Als Hannah auf der Flucht vor ihrem eigenen (sanftmütigen) Freund im blauen Schlafanzug mit Kuchenmuster durch einen Wald rennt und sich hinter einem Baum versteckt, sieht sie aus wie ein verängstigtes kleines Mädchen. Und als ihr Kumpel Ray sie danach abholt, will sie ihm als Dankeschön einen blasen, was zwar nicht gerade kleines-Mädchen-mäßig unschuldig ist, aber dafür völlig irrational. Hannah reagiert also mal wie ein Kind, mal einfach nur unreif, und ist in jedem Falle - und wie gewohnt - ziemlich durchgeknallt.

Dabei sprechen in dieser fünften Staffel der HBO-Serie Girls, die in Deutschland an diesem Sonntag auf dem gerade neu gestarteten Pay-TV-Sender TNT Comedy anläuft, alle Charaktere auffällig oft davon, dass sie ja jetzt erwachsen seien. Wahrscheinlich, weil sich diese schon lange währende Coming-of-Age-Geschichte langsam ihrem Ende nähern muss. Nach der sechsten Staffel, die für Anfang 2017 geplant ist, ist Schluss. Das hat die Produktionsfirma HBO bestätigt.

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Mit 28 Jahren hat sie eine Autobiografie veröffentlicht, jetzt schiebt die Hauptdarstellerin von "Girls" Tagebuchnotizen aus ihrem ersten College-Jahr hinterher. Muss das sein? Unbedingt.

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Also: Endzeitstimmung bei Girls. Und es wird immer deutlicher, dass am Ende nicht nur alle erwachsen sein werden, sondern auch: alleine. Girls ist seit dem Start 2012 eine sich immer schneller drehende Zentrifuge geworden, die die Figuren auseinander fliegen lässt. Jetzt legt sie noch mal deutlich an Tempo zu. Zum Auftakt der neuen Staffel versammeln die Freundinnen sich zwar, um Marnies Hochzeit mit dem übersentimentalen Musiker Desi zu feiern - aber eigentlich ist dabei jede entweder mit sich selbst beschäftigt oder regt sich über die anderen auf. Dem Rest der Staffel folgt die Serie episodenhafter als jemals zuvor den einzelnen Charakteren. Sie treffen nur noch aufeinander, wenn ein besonderes Ereignis ansteht, eine Hochzeit eben oder ein wichtiges Theaterstück. Ansonsten weiß der Zuschauer zwar, dass Hannah im Kurzurlaub lesbischen Sex ausprobiert, Marnie eine seltsame Nacht mit ihrem Exfreund verbringt oder Shoshanna für ein neues Leben in Japan beinahe ihre Beziehung opfert - aber von den Freundinnen selbst weiß keine, was die andere eigentlich macht.

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Es scheint sie auch gar nicht zu interessieren. Sie sind alle so sehr in ihre eigenen Beziehungs-, Job- und sonstigen Probleme und persönlichen Schrulligkeiten verstrickt, dass es ihnen unmöglich ist, sie irgendwem noch plausibel darzulegen, geschweige denn, die von anderen zu ertragen. Die Verbindungen zwischen ihnen hängen wie gekappte, lose Drähte in der Luft. Das wird besonders deutlich, als Hannah nach ihrer Flucht im Schlafanzug Jessa anruft und die absichtlich nicht rangeht. Und setzt sich in der analogen Welt fort, als Hannah von Jessas Beziehung zu einem gemeinsamen Freund nur erfährt, weil sie aus der Ferne einen Blickkontakt des frisch verliebten Paars beobachtet. Als sie die beiden später trifft, weichen sie ihrem Blick konsequent aus. Keine Verbindung.

Die Figuren verlieren aber nicht nur die Verbindung untereinander, sondern auch die zu ihrer Stadt. New York war immer ihr Nest; nicht immer ein warmes zwar, aber eines, das sie verstanden und in dem sie sich wohl gefühlt haben. Doch jetzt macht gegenüber von Rays Café ein neuer Laden auf, der programmatisch für das "neue New York" steht: alles ist genderneutral und ökologisch. Bei Ray bleiben daraufhin die Kunden aus und er versteht die Welt - und New York - nicht mehr. Shoshanna springt als Retterin ein: "Es ist höchste Zeit, dass wir Kaffee an Menschen mit Jobs verkaufen!", sagt sie und baut dafür auf ein neues Geschäftskonzept, mit dem man Anti-Hipster anlockt. Unter anderem werden deswegen ab sofort Männer mit Man Bun (also einer Dutt-Frisur) rausgeworfen. Das funktioniert zwar und witzig ist es auch - aber man ahnt schon, dass die Girls und ihre Jungs beim nächsten Schritt, den New York machen wird, wohl endgültig den Anschluss verlieren werden. Sie sind eben doch schon Mitte zwanzig. Mir dreißig werden sie nach Brooklyn-Maßstäben alt sein.

"Tiefgründiger" und "düsterer" hat ein Interviewer des US-Magazins The New Yorker die neue Staffel gegenüber Lena Dunham genannt. Und Dunham, die wenige Stunden vor ihrem eigenen dreißigsten Geburtstag mit dem New Yorker sprach, hat das nicht dementiert. Dafür hat sie selbst gesagt, dass man Girls nicht mehr viel länger weitererzählen kann - sonst hätte man am Ende lauter einzelne Serien über einzelne Menschen. Es wäre Dunhams Stil, wenn sich die Freundinnen ganz zum Schluss, bevor sie sich endgültig trennen, noch mal zu einer letzten großen Party treffen, und dabei alle nostalgisch und ein bisschen melancholisch sind, aber auch irgendwie glücklich. Ziemlich genau mit diesen Gefühlen - und damit verrät man nicht zu viel - endet nämlich auch die fünfte Staffel.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Nadja Schlüter

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