"Sisi" kommt wieder:Ja, es ist Liebe

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In der legendären "Sissi"-Trilogie aus den Fünfziger Jahren funkelten die Diademe und bebten die Busen. So sehr, dass Kaiser Franz Joseph I. (Karlheinz Böhm) ganz schwindelig wurde. Denn mit Sissi (Romy Schneider) wurde es nie fad. (Foto: SAT.1_Ufa-Filmverleih/picture-alliance/ obs)

Netflix verfilmt das Leben der Elisabeth von Österreich-Ungarn - und konkurriert mit der kaiserlichen Weichspül-Trilogie der Fünfzigerjahre.

Von Bernd Graff

Devrim wird Romy, Sisi bleibt: Sisi. Das ist in Allerkürze die Nachricht, die der Streaming-Dienst Netflix unmittelbar vor Weihnachten verbreitet. Wer nun zu jenen Jahrgangskohorten gehört, die sofort wissen, wer Romy und die Sisis mit einem s und mit Doppel-s sind, aber Devrim Lingnau und vielleicht auch Netflix noch nicht einordnen können, ahnt, worum es geht. Alle anderen werden sich darin bestätigt sehen, dass ihre Großeltern immer noch vor einem Fernseher mit Häkeldecke drauf leben.

Gemach! Ihr, die ihr diese plüschigen Alten geringschätzt, werdet euch noch gehörig wundern! Netflix verfilmt noch einmal das Leben der Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach, der geborenen Herzogin von Bayern und späteren österreichischen Kaiserin. Echt jetzt? Die verfilmen doch alles und jeden neu. Genau, und jetzt auch die größten Ausstattungs-Historienschmachtschinken, die der deutsche Nachkriegssprachraum vorzuweisen hat. Was aber nicht zu schnell abgehandelter Geringschätzung führen sollte.

Der österreichische Filmregisseur Ernst Marischka drehte zwischen 1955 und 1958 eine Sissi-Trilogie mit der hinreißenden Romy Schneider in der Hauptrolle. Diese Filme, die es immer mit den Geigen und den fleckfreien Uniformen zu gut meinten, sahen geschätzte 25 Millionen deutsche Kinobesucher, mindestens geschätzt, weil man damals die Kartenverkäufe nicht lückenlos erfasste. Es waren keine Historienfilme mit dokumentarischem Anspruch, es waren mit Diademen gekrönte Walzer-Operetten vor großartiger Bergkulisse. Darin ging es um Herzeleid, bebende Busen und Kaiserschmarrn. Karlheinz Böhm, der nur wenig später einen großartigen Peeping Tom im Thriller von Michael Powell spielte, gab hier den behandschuhten, aber etwas hüftsteif gehemmten Kaiser Franz Joseph I. Dafür tänzelte seine Romy-Sissi liebreizend durch die im Film blank geputzte Historienkulisse wie später nur noch der Kleine Lord.

Österreichisches Traumpaar in der Neuauflage: Philip Froissant als Franz Joseph I. und Devrim Lingnau als künftige "Sissi". (Foto: Mathias Bothor)

All das und vielleicht noch viel mehr soll nun in einer sechsteiligen Netflix-Serie mit dem vorläufigen Codenamen "The Empress" wieder funkeln. Die Jungschauspielerin Devrim Lingnau, die man bislang vielleicht nur aus einigen Einspielfilmen von Aktenzeichen XY ... ungelöst kannte, ist für die Hauptrolle vorgesehen. Den männlichen Part als Kaiser Franz Joseph übernimmt der lausbubenhafte Philip Froissant, der ein wenig an den frühen Kostja Ullmann erinnert, was jedenfalls kein Fehler ist. Die Dreharbeiten der Produktionsfirma Sommerhaus sollen im Frühjahr 2021 beginnen. Zu sehen ist der Sechsteiler voraussichtlich im Frühjahr 2022. Netflix überrascht nun keinesfalls mit der dramaturgischen These, dass im Zentrum allen Sissitums "die große Liebesgeschichte zwischen Elisabeth und Franz steht."

Was auch sonst? Die politische Geburt der konstitutionellen Monarchien Österreich und Ungarn? Nein, dann schon lieber bebende Busen, Schmarrn, Dreivierteltakt und ein klein wenig jungmädchenhafte Rebellion "gegen die starren Regeln des 19. Jahrhunderts und des Hofes" (Netflix-PR-Text). Es wird also spannend, ob die neue Sisi den Charme der alten Sissi toppen kann, wenn das überflüssige "s" zeitgemäß verschwindet.

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