Wenn eine Serie ein Gefühl so treffend auf den Punkt bringt, dass man nach dem Sehen nur noch sagen muss "das ist wie in der Folge, in der ..." und alle wissen Bescheid, dann hat die Serie etwas richtig gemacht. In Modern Love, einer neuen und schon etwas übertrieben prominent besetzten Anthologie-Serie auf Amazon, gibt es so einen Moment in Folge vier. Die fabelhafte Komikerin und Schauspielerin Tina Fey spielt darin zusammen mit John Slattery (ja genau, der Weißhaarige aus Mad Men) ein Paar, das gerade vor den Augen seiner erstaunten Therapeutin entschieden hat, sich zu trennen. Als die beiden die Praxis verlassen, rutscht Feys Figur aus, fällt zu Boden und blickt hinauf zu ihrem Noch-Ehemann. Der blickt zurück - und zögert. Zögert, der Frau, mit der er wohl zwanzig Jahre verbracht und zwei Kinder großgezogen hat, vom vereisten New Yorker Asphalt aufzuhelfen. Viel besser lässt sich das Elend einer zerrütteten Beziehung wohl kaum illustrieren.
Man könnte Modern Love im weitesten Sinne als Literaturverfilmung bezeichnen, basiert die Serie doch auf der gleichnamigen, sehr populären New-York-Times-Kolumne, die seit 15 Jahren in wöchentlichen Essays den Liebes-Zeitgeist erforscht. Genau wie die Kolumne ist die Serie thematisch breit angelegt: Liebe kommt hier in ganz unterschiedlichen Aggregatzuständen daher - von der verpassten Liebe über die zerlebte bis zu der zwischen Freunden.
Dem Kitschrisiko, das ihr Gegenstand naturgemäß mit sich bringt, entgeht die Serie dabei mal mehr, mal weniger gut. Folge zwei etwa - Dev Patel spielt einen Dating-App-Erfinder, der seiner Ex-Freundin hinterhertrauert - wirkt wie eine mittelmäßige Romcom, die man in dreißig Minuten gepresst hat: Verlobungsringe werden pathetisch in Pfützen geworfen und Telefonnummern der Geliebten in Tolstoi-Romanen transportiert.
Andere Geschichten leben vor allem von ihrem Willen zur perfekten Inszenierung, etwa die Episode, in der Anne Hathaway eine bipolare Juristin spielt. In ihren Hochphasen tanzt die Figur als Rita-Hayworth-Wiedergängerin durch ein knallbonbonfarbenes New York, nur um dann - das hier sei schließlich nicht La La Land, kommentiert sie selbstreflektiv - während des darauffolgenden Tiefs mehrere Tage im Bett dahin zu vegetieren. In einem Designerbett freilich, so wie auch alle anderen Dramen, die Modern Love erzählt, sich in lichtdurchfluteten Akademikerapartments abspielen. Apartments eben, wie sie New-York-Times-Abonnenten bewohnen, oder gerne bewohnen würden (man kann sich während des Guckens schon manchmal fragen, ob arme Menschen sich überhaupt verlieben).
Die besten Momente hat die Serie, wenn sie eben diese Kernklientel durchleuchtet. So wie in der besagten Folge mit Fey und Slattery, die wie die Kreuzung eines Jonathan-Franzen-Romans mit dem frühen Woody Allen wirkt: Neurotische New Yorker und bitterböse Dialoge mischen sich mit einer genauso deprimierenden wie komischen Sezierung der amerikanischen Mittelklasse. Kitschig ist hier nichts, die Liebe kommt mühsam und kleinlich daher. Genau deshalb aber ist sie interessant und schafft es am Ende sogar, etwas gänzlich Unromantisches wahnsinnig romantisch aussehen zu lassen: Das Tennisspiel.
Modern Love läuft auf Amazon*
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