Radiofeature "Fifty Shades of Meryem":Die Gretchenfrage

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Ein Hörfunk-Porträt der Schauspielerin Meryem Öz. Auf eine wie sie hat das Theater gewartet. Gegen viele Wahrscheinlichkeiten.

Von Stefan Fischer

"Nutzen Leon und Yannick mich aus?", fragt sich Meryem Öz. "Oder sind sie tatsächlich für mich da?" Spannende Fragen sind das, weil sie den Kern des Radiofeatures Fifty Shades of Meryem berühren . Leon Daniel und Yannick Kaftan, beide Jahrgang 1990, sind Filmemacher, die seit ihrer Ausbildung gemeinsame Sache machen. Und die in ihrer ersten Hörfunkarbeit die Schauspielerin Meryem Öz porträtieren, Ensemblemitglied am Thalia-Theater in Hamburg mit ersten Rollen auch für Film und Fernsehen. Oder porträtiert Öz sich hier selbst? Weil die Mittzwanzigerin ihr öffentliches Bild autonom bestimmen möchte. Welche Rolle kommt dann aber den beiden Autoren und Regisseuren zu? Welches Selbstverständnis haben sie - sehen sie es tatsächlich als ihre Aufgabe an, für ihre Protagonistin "da zu sein"? Umgekehrt ist es eine legitime Frage von Meryem Öz, wo eine faire Berichterstattung aufhört und etwas beginnt, das man als ein Ausgenutztwerden wahrnimmt, als eine (missbräuchliche) Umdeutung der eigenen Geschichte.

Klug nutzt Meryem Öz den Freiraum, den ihr die Autoren bieten

Die Anordnung von Fifty Shades of Meryem ist also spannend, durchaus auch heikel. Die Sendung ist ein Originalton-Feature, es gibt keine Interviewfragen, keine erklärenden Passagen, keine Kommentierungen durch die Autoren. Die beiden tauchen zwar auf - aber als Teil einer Szene und nicht als Berichterstatter. Dadurch wird dieses Porträt insgesamt sehr dynamisch und kraftvoll. Und ist doch, das merkt man mit der Zeit, sehr strukturiert und reflektiert angelegt. Das liegt zum einen sehr an Meryem Öz, die das Feature eben nicht missbraucht für eine große Ego-Show, sondern etwas Essenzielles erzählen möchte. Es liegt aber auch an Leon Daniel und Yannick Kaftan, die diese Schattenwürfe der Meryem Öz choreografieren.

Und die ihr Feature gemeinsam mit Öz auch wegführen von der Form des Porträts. Allzu viel erfährt das Publikum gar nicht über den konkreten Lebensweg der Schauspielerin. Stattdessen, und das ist weitaus relevanter, eine ganze Menge über die deutsche Gesellschaft, den Kulturbetrieb - und welcher Anpassungsleistung es bedarf, um als Tochter türkischer Eltern ein Teil davon zu werden. Wie viel Spielraum das Theater wiederum lässt, wenn darin die eigene Biografie und Sozialisation eine Rolle spielen sollen - was für Meryem Öz zentral ist. Und inwieweit sie dieser Weg von ihren Wurzeln entfremdet hat. "Kultur", sagt Öz an einer Stelle, "hat für meinen sozialen Aufstieg gesorgt." Zuvor erzählt sie davon, dass ihre Familie ihren Beruf nicht verstehe.

Fifty Shades of Meryem, DLF-Audiothek.

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