Mafia-Kommunikation in Italien:Der Pate schaut Fußball

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Im Heimatland der Mafia versuchen Mitglieder, das strikte Kommunikationsverbot in den Gefängnissen zu umgehen und schicken die SMS an den Boss hinter Gittern - live über das Fernsehen.

Lena Jakat

Im Filmklassiker Frühstück bei Tiffany stattet Audrey Hepburn alias Holly Golightly jeden Donnerstag dem Mafioso Sally Tomato im New Yorker Gefängnis Sing Sing einen Besuch an - und übermittelt ihm verschlüsselte Botschaften. Danach befragt, gibt sich das naive Partygirl erstaunt und ahnungslos - es seien doch schließlich harmlose Nachrichten gewesen, die sie dem alten Mann mitbrachte.

Ahnungslos war Moderatorin Simona Ventura. Die Mafia hatte die eingeblendete SMS-Banderole ihrer Sendung "Quelli che il calcio" missbraucht, um geheime Nachrichten an inhaftierte Clan-Oberhäupter zu senden. (Foto: Reuters/Alessia Pierdomenico)

Mindestens ebenso verdattert dürften die Macher der italienischen Fußballshow Quelli che il calcio (etwa: "Die Fußball spielen") gewesen sein, als sie erfuhren, dass die Mafia ihre Sendung missbraucht, um verschlüsselte Botschaften zu senden. Während der Sendung werden in einer Banderole fortlaufend SMS eingeblendet - zumeist stammen sie von vollkommen unbescholtenen Fußball-Fans.

Doch wie italienische Medien berichten, haben auf diesem Weg auch Mitglieder der Cosa Nostra mit inhaftierten Bossen kommuniziert. Das berichtete der Staatsanwalt Enzo Macrì in der Anti-Mafia-Kommission des italienischen Parlaments. Als stellvertretender Generalstaatsanwalt für Mafiabekämpfung war Macrì zuständig für jene Gefangenen - zumeist Mafia-Mitglieder -, die unter dem berüchtigten Artikel 41a einsitzen. Dieses Regelwerk sieht besonders strikte Isolation vor: keine Telefonate, keine Päckchen, kaum Besuche.

Mordaufträge liebevoll verpackt

Das Gesetz soll Mafia-Granden davon abhalten, vom Gefängnis aus weiter ihre kriminellen Imperien zu regieren. In der Vergangenheit benutzten Mafiosi liebevoll verpackte Päckchen schon mal zum Versenden von Mordaufträgen oder herzten bei Besuchen ihre Kinder so innig, dass sie ihnen unbesehen Briefe in die Hosentaschen schmuggeln konnten.

Unter heftigen Protesten, bei denen bis zu 300 inhaftierte Mafiosi in Hungerstreik traten, wurde der Artikel 41a fester Bestandteil des italienischen Strafgesetzes. Seitdem hat sich das organisierte Verbrechen in Italien andere Wege der Kommunikation gesucht.

So scheute sich die 'Ndrangheta auch nicht, einen ganzen Radiosender zu kaufen. Für die meisten Zuhörer war Radio Olimpia ein gewöhnlicher Radiosender und spielte gewöhnliche Radiomusik. Doch in der Reihenfolge der gespielten Songs waren geheime Codes verborgen - Botschaften an inhaftierte Clan-Bosse. Der Sender wurde im Rahmen einer großangelegten Razzia im April beschlagnahmt und abgeschaltet.

Andere findige Mafiosi versteckten bedeutungsschwere SMS im harmlosen Geplänkel der besagten SMS-Banderole. "Alles ist ok - Paolo", zitierte Staatsanwalt Macrì eine solche augenscheinlich unverfängliche Botschaft.

Macri' wäre den verdeckten Codes vielleicht nie auf die Schliche gekommen, hätte die Staatsgewalt nicht einen Brief an einen inhaftierten Clan-Chef abgefangen: Darin wurde dieser aufgefordert, Quelli che il calcio einzuschalten.

Während der sozialdemokratische Senator Carlo Vizzini empört nachfragte, wie es inhaftierten Paten überhaupt erlaubt sein könne, die Sportsendung anzuschauen, reagierte die Moderatorin der Show, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Rai Due läuft, gleichermaßen irrtiert und amüsiert: Den Produzenten der Sendung wäre der Missbrauch nicht bewusst gewesen und die SMS-Einblendung würde sofort gestoppt, sagte Simona Ventura der englischen Tageszeitung Guardian. "Die Show hat schon immer allen gefallen - von den Jungen über die Akademiker bis zu den Alten und, wie ich jetzt erkenne, auch Mafiabossen und ihren Familien."

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