Pressefreiheit:Finger weg von Kollegah

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Der Rapper Kollegah auf der Party nach der Echo-Verleihung. (Foto: Jens Kalaene/dpa)
  • Immer wieder versuchen von Rappern engagierte Rechtsanwälte unliebsame Berichterstattung noch vor der Veröffentlichung zu beeinflussen.
  • Laut einer neuen Studie der Otto-Brenner-Stiftung sorgen solche Anwaltsschreiben bei investigativ recherchierenden Medien nicht für Einschüchterung, sondern für das Gegenteil: vertiefte Recherchen.

Von Kathrin Müller-Lancé

Wenn es darum geht, unangenehme Berichterstattung zu verhindern, wird auch ein gestandener Gangster-Rapper auf einmal ganz staatsbürgerlich: "Presserechtliches Informationsschreiben betreffend Felix Blume (auch bekannt unter dem Künstlernamen 'Kollegah') sowie die Alpha Music Empire GmbH" steht über dem Dokument, das die Anwälte des Musikers vergangene Woche an verschiedene Redaktionen schickten, darunter die der Süddeutschen Zeitung. Es nimmt Bezug auf einen Artikel des Portals Vice, der dem Online-Coaching-Programm des Rappers vorwirft, den Teilnehmern das Geld aus der Tasche zu ziehen. "Unser Mandant musste in Erfahrung bringen", heißt es in dem Schreiben, "dass (...) eine - inhaltlich unwahre - Berichterstattung veröffentlicht wurde (...). Wir haben Sie daher vorbeugend aufzufordern, von jeglicher Berichterstattung Abstand zu nehmen, die die vorbezeichneten Rechte unserer Mandanten unzulässig beeinträchtigt."

Immer wieder versuchen Presserechtsanwälte im Namen ihrer Mandanten, unliebsame Berichterstattung noch vor der Veröffentlichung zu beeinflussen. "Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!", könnte man auch als Quintessenz aus den juristischen Verklausulierungen ableiten. Genau so heißt eine neu veröffentlichte Studie der Otto-Brenner-Stiftung, die zeigt: Oft bleiben diese presserechtlichen Informationsschreiben ohne die gewünschten Ergebnisse. "Es spricht vieles dafür, dass die allgemeine Wirkkraft dieses Instruments lange Zeit überschätzt wurde", schreiben die Autoren, der Medienrechtler Tobias Gostomzyk von der TU Dortmund und der Journalist Daniel Moßbrucker. Lediglich im Bereich des Boulevardjournalismus erzielten diese präventiven Maßnahmen regelmäßig gewünschte Effekte. Bei investigativ recherchierenden Medien hingegen haben sie laut der Studie eher das Gegenteil zur Folge: Dort gäben entsprechende Schreiben dann oft sogar erst den Anstoß für vertiefte Recherchen.

Trotzt der Journalismus also allen juristischen Drohungen? Nicht unbedingt

"Anwaltliche Tätigkeit der Gegenseite führt gemeinhin nicht zu einer Einschüchterung, wohl aber zu erhöhter journalistischer Sorgfalt", schreiben die Autoren. Trotzt der Journalismus also allen juristischen Drohungen? Nicht unbedingt. So sind laut Studie Verlage heute seltener bereit, Streitigkeiten vor Gericht auszufechten - und eher gewillt, Unterlassungserklärungen abzugeben, sich also bereit zu erklären, Inhalte nicht mehr weiterzuverbreiten.

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Aus Sicht der Medien sei das lukrativ, weil die Inhalte ohnehin längst öffentlich seien und so teure Rechtsstreitigkeiten vermieden werden könnten. Doch die Autoren warnen: Wenn die Medienhäuser vermehrt klein beigäben, verhindere das die abschließende Klärung von Rechtsfragen, die für den Schutz der Pressefreiheit bedeutsam seien. Anfang des Jahres hatte der Bundesgerichtshof übrigens entschieden, dass presserechtliche Informationsschreiben unzulässig sind, wenn sie keine konkreten Informationen darüber enthalten, dass durch die geplante Berichterstattung Persönlichkeitsrechte verletzt werden.

Das freilich wissen die Anwälte von Kollegah - sie führen in ihrem Dokument über mehrere Seiten detailliert aus, was sie für "einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht" ihres Mandanten halten.

© SZ vom 12.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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