Das Bundesverfassungsgericht hat am Vormittag mit der Verhandlung über die Klage gegen den ZDF-Staatsvertrag begonnen. Rheinland-Pfalz und Hamburg hatten beanstandet, dass in den Aufsichtsgremien der Sendeanstalt zu viele Vertreter von Staat und Parteien säßen. Dies verstoße gegen das Gebot der Staatsferne im Rundfunk. Ein Urteil wird es voraussichtlich erst im kommenden Jahr geben.
Die beiden Bundesländer hatten vor zwei Jahren in Karlsruhe Klage eingereicht, nachdem sich 2009 eine CDU-nahe Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat gegen den damaligen Chefredakteur Nikolaus Brender ausgesprochen hatte. Ursprünglich wollte der ehemalige Intendant Markus Schächter den Vertrag von Brender bis 2015 verlängern. Besonders der hessische MInisterpräsident Roland Koch (CDU) stellte Brender damals in Frage.
Kritische Fragen stellten die Richter am ersten Verhandlungstag vor allem mit Blick auf die informellen politischen "Freundeskreise", in denen sich die meisten Mitglieder des Fernsehrates organisiert haben. "Warum haben sie die Freundeskreise, wenn das nicht der Vorsortierung politischer Grundhaltungen dient?", fragte Verfassungsrichterin Gabriele Britz. "Es hat sie immer schon gegeben", antwortete der sächsische Staatsminister Johannes Beermann. Außerdem sei es "nicht verboten", wenn sich die Gremienmitglieder am Vorabend der Sitzungen informell treffen wollten.
Infrage gestellt wurde auch, ob es nötig sei, dass die Landesregierungen in den Gremien vertreten sind. Verfassungsrichter Andreas Paulus fragte, ob die Kompetenz der Gremien nicht auch gewahrt werden könne, wenn die Landesregierungen dort nicht mehr vertreten wären.
Unabhängigkeit wahren
Politik und Medien:Wenn der Minister zweimal klingelt
Der Anruf beim ZDF durch CSU-Pressesprecher Hans Michael Strepp war nicht der erste Versuch, Einfluss auf deutsche Journalisten zu nehmen. Wie sich die Politik schon früher bei Medien eingemischt hat - in größeren und kleineren Affären, die ans Licht gelangten.
Um die Medienfreiheit zu gewährleisten, dürfe der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht vom Staat geleitet werden, sagte der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof. Zwar sei eine Mitgliedschaft von Staatsvertretern in den Gremien "nicht gänzlich auszuschließen", das Grundgesetz untersage es aber, den Rundfunk "für staatliche Zwecke zu instrumentalisieren" und Vertretern des Staates bestimmenden Einfluss auf das Programm zu erlauben.
ZDF-Intendant Thomas Bellut betonte, es würden jeden Tag "zahllose Entscheidungen" getroffen, an denen kein Gremium mitwirke - vor allem solche, die direkt das Programm betreffen. "Ich kann aus meiner bisherigen Amtszeit sagen, dass die Unabhängigkeit der Programmverantwortung gewahrt ist", so Bellut, der seit März 2012 im Amt ist.
Der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck sagte, die Mehrzahl der Entscheidungen werde im Konsens getroffen. Es gebe aber Ausnahmen, bei denen eine "konzentrierte politische Einflussnahme" stattfinde. Als Beispiel nannte der SPD-Politiker die Verlängerung von Direktorenverträgen.
Die Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht beginnt erst jetzt, weil zum Einen das Verfahren vorbereitet werden musste und zum Anderen Stellungnahmen der Beteiligten abgefragt wurden - unter anderem von den unionsgeführten Ländern und der ARD.
Der Weg zur Klage gegen den Staatsvertrag war holprig. Kurt Beck (SPD), 2009 noch Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und immer noch Vorsitzender des Verwaltungsrates, sprach sich damals für Brender aus. Er wollte das Gesetz reformieren, scheiterte aber. Denn: Einstimmigkeit bei den Ländern ist im ZDF-Gesetz Pflicht.
Auch die Bundestagsfraktion der Grünen wollte rechtlichen Einspruch gegen den Parteieinfluss erheben, hätte dafür aber auch die Stimmen der SPD gebraucht. Dieser gingen die Forderungen der Grünen zum Umbau des Gremiums zu weit. Mit dem Verweis auf eine eigene Klage lehnte Beck den Vorstoß der Grünen schließlich ab. Später schloss sich Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz der Klage von Beck an. Bayern, Sachsen, Hessen und das Saarland sind der Klage entgegengetreten. Sie halten die derzeitige Regelung fü rechtens.
Seit der Gründung des ZDF in den 60er-Jahren gehören Politiker dem Verwaltungsrat an. Von den insgesamt 14 Mitgliedern sind fünf Vertreter der Länder, unabhängig davon, welchen Beruf sie ausüben. Es gibt einen Vertreter des Bundes, die acht weiteren Mitglieder werden vom Fernsehrat gewählt und dürfen offiziell weder in einer Regierung noch in einer gesetzgebenden Organisation sein. Nach der Rechnung der Kläger sind von den 77 Posten im ZDF-Fernsehrat - der unter anderem die Programmrichtlinien aufstellt - mehr als 45 Prozent dem Staat zuzurechnen.
Die Gremien der Öffentlich-Rechtlichen sollen die Gesellschaft widerspiegeln. Dies wird auch gerne als Argument vorgebracht, warum es nicht ohne Politiker in den Gremien der Sender gehe. Aber auch die Vertreter in den Fernsehgremien, die offiziell unabhängig sind, beispielsweise von Naturschutz- oder Wohlfahrtsverbänden, besitzen nicht selten ein Parteibuch.