Serie "The Investigation":Tat ohne Täter

Lesezeit: 3 min

Keine Zeugen, und der Tatort - ein U-Boot - auf dem Meeresgrund: denkbar ungünstige Ausgangslage für Ermittlerin Maibritt Porse (Laura Christensen). (Foto: TV Now)

"The Investigation" handelt vom Mord an der Journalistin Kim Wall. Man merkt: Die Serienmacher hatten Zugang zu den Eltern und den realen Ermittlern. Und widerstehen jedem Voyeurismus.

Von Silke Bigalke, Moskau

Einen Mörder gibt es hier nicht zu sehen, so viel gleich vorweg. Eine gute Entscheidung von Regisseur Tobias Lindholm: Die neue dänische Serie The Investigation über den realen Mord an der Journalistin Kim Wall konzentriert sich weder auf die monströse Tat noch den egomanischen Täter.

Stattdessen zeigt sie auf unaufgeregte Weise, wie die Ermittler dem Tüftler Peter Madsen die Tat nachweisen. Das ist wahrlich spektakulär genug. Alle - Polizei, Staatsanwalt, Presse - sind von der Schuld dieses Mannes, den Kim Wall in seinem U-Boot für ein Interview treffen wollte, überzeugt. Doch nun müssen Beweise her, die vor Gericht bestehen. Es gibt aber, genau wie in der Realität im Jahr 2017, keine Zeugen. Und der Tatort, das U-Boot, liegt auf dem Meeresgrund. Viele Spuren sind verwischt, mögliche Beweise im Wasser verstreut, die Leiche so zugerichtet, dass sich die Todesursache nicht feststellen lässt. Und Madsen selbst ändert ständig seine Aussage darüber, was passiert sei.

Von Lindholm ist auch die Erfolgsserie "Borgen". Diesmal erzählt er von einem System, das funktioniert

Für den Leiter der Kopenhagener Mordkommission Jens Møller, gespielt von Søren Malling, wird sein letzter Fall zu einem der schwierigsten. Die Serie beginnt, als er zum ersten Mal hört, dass ein U-Boot verschwunden ist - beim Morgenkaffee im Radio. Sie endet, als er den Fall dem Staatsanwalt übergibt.

Søren Malling (rechts) spielt Jens Møller, den Leiter des Morddezernats der Kopenhagener Polizei, Pilou Asbæk (links) den Staatsanwalt. Der echte Møller hat den Verdächtigen nie befragt, entsprechend fehlt das auch in der Serie. (Foto: TV Now)

Dass der Täter dabei nie ins Bild und nie zu Wort kommt, hat sich von selbst ergeben. Der echte Jens Møller habe den Verdächtigen nie persönlich befragt, sagt Regisseur Lindholm im Gespräch, das haben andere übernommen. Deswegen fehlt in der Serie, was man aus Krimis gewohnt ist: Die Szene, in der der Ermittler den Verdächtigen in einem fensterlosen Raum verhört. "Wenn Jens den Fall lösen konnte, ohne je den Täter zu treffen", sagt Lindholm, "konnte ich definitiv eine Serie machen, ohne ihn zu porträtieren."

In The Investigation spielen Darsteller mit, die Lindholm auch schon für seine Erfolgsserie Borgen besetzt hatte. Die Schauspieler haben eng mit ihren realen Vorbildern zusammengearbeitet, das merkt man der Serie an. In einer Szene sitzt Jens Møller mit seinen Kollegen im Büro, sortiert laut seine Gedanken, Kim Wall gilt da noch als vermisst. Wenn sie tot sei, sagt der Ermittler, gäbe es dafür vier mögliche Ursachen. Er schreibt sie an eine Tafel: natürlicher Tod, Unfall, Selbstmord, Mord. Genauso hat der echte Jens Møller es Lindholm bei ihrer ersten Begegnung erklärt. "Es hat mich inspiriert, den Tod auf diese vier Worte zu reduzieren", sagt der Regisseur.

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Die Szene zeigt, wie sich die Ermittler angesichts des sadistischen Verbrechens immer wieder an ihr Handwerkszeug erinnern müssen. Nicht nach einem Monster zu suchen, sondern nach einem Mörder, den man einsperren kann. Während der realen Ermittlungen 2017 sind viele grauenvolle Details in der Presse ausgebreitet worden. Über die Werkzeuge, die der Täter benutzt hat, seine abartigen Vorlieben, die sexuelle Natur des Verbrechens, wie er den Mord vorbereitet und wie er die Leiche zerstückelt hat. Über all das erfährt man in der Serie nun nur aus Telefongesprächen der Ermittler oder Teambesprechungen zwischen Aktenordnern. Als hätten die Serienmacher ganz gezielt jedem Vorwurf von Sensationslust vorbeugen wollen.

Die Serie zeigt die "unbesungenen Helden": Polizisten, Ermittlerinnen, Taucher, Wissenschaftlerinnen, Spürhunde

Wenn man sie fragt, wie sie sich an den wahren Mordfall erinnern, antworten Søren Malling und Pilou Asbæk, der den Staatsanwalt spielt, dass sie damals außer Landes gewesen seien. Damals, sagt Søren Malling, "wurde es schnell zu einer Sache, die jeder verfolgte, Blut tropfte von den Titelseiten." In der Serie aber wollten sie die Menschen zeigen, die Ordnung in die unerträgliche Situation bringen mussten, die Polizisten, Ermittlerinnen, Taucher, Wissenschaftlerinnen, Spürhunde, Ersthelfer. Die "unbesungenen Helden", sagt Pilou Asbæk. Das sei eigentlich nicht besonders typisch für Regisseur Lindholm, sagt Asbæk, der sonst eher die Risse im System beleuchte, durch die die Leute fallen. "Aber hier spricht er von einem System, das tatsächlich funktioniert."

Dieser Ansatz verschafft den Serienmachern etwas sehr Nützliches: Zugang, etwa zur Kopenhagener Mordkommission. Und auch die Eltern der ermordeten Kim Wall wollten die Geschichte erzählen und waren eng involviert. Deswegen gelingt bei aller Sachlichkeit eine große Nähe zu den Protagonisten.

Die schwedische Journalistin Kim Wall. (Foto: TT News Agency/Reuters)

Ganz besonders zu sehen ist das bei Søren Malling als Ermittlungsleiter Møller. Der U-Boot-Mord ist dessen 138. Fall, und er kann während der Ermittlung gar nicht anders, als auf Abstand zu seinem eigenen Leben zu gehen, zu seiner Frau, seiner Tochter.

Die erzählt ihm in seiner Szene während des Abendessens, dass er Großvater wird. Doch Jens Møller schafft es nicht, eine Reaktion zu zeigen, sitzt da und schweigt. Dann klingelt auch noch sein Handy, ein Kollege möchte vom Verhör des Verdächtigen berichten. "Und wie ist er so?", erkundigt sich der Ermittler. "Ganz normal, nicht nervös oder so", hört man die Antwort. Die Tochter sieht den Vater fassungslos an, irgendwann geht sie einfach. Es ist herzzerreißend. "Er muss sich hinter etwas verstecken - Eisentüren, Eisenwänden, irgendetwas", sagt Schauspieler Søren Malling über seine Figur. "Aber wenn er sich nachts auf sein Kissen legt, dann weint er auch." Das sieht man in der Serie nicht. Aber man kann es sich gut vorstellen.

The Investigation - Der Mord an Kim Wall , ab 28. Januar auf TV Now.

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