Jörg Schönenborns Interview mit Wladimir Putin:"Wie heißen Sie übrigens?"

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Schlagabtausch in Moskau: Russlands Präsident Putin teilt gegen Jörg Schönenborn aus. (Foto: REUTERS)

Geldwäsche, Waffenlieferungen, Razzien: Russlands Präsident Putin wehrt sich gegen Kritik aus Deutschland. Im ARD-Interview teilt er kräftig aus - und düpiert Interviewer Jörg Schönenborn.

Von Jakob Schulz

Die Allianz gegen Wladimir Putin ist in diesen Tagen besonders breit. Die Grünen-Chefin Claudia Roth nennt den russischen Präsidenten einen "Despoten" und will gegen ihn demonstrieren. Die Konrad-Adenauer-Stiftung bezeichnet die deutsch-russischen Beziehungen als beeinträchtigt. Grundlage der kritischen Allianz sind die jüngsten Razzien bei Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Russland. Die hält auch FDP-Chef Philipp Rösler für "nicht akzeptabel".

An diesem Sonntag war Putin nun zu Gast bei seinen Kritikern. Gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eröffnete er die Messe Hannover. Auf der Messe präsentieren Firmen aus aller Welt hochentwickelte Industrieprodukte. Hier wollte Putin Russland als selbstbewusstes Land präsentieren und um deutsche Investitionen werben. Demokratie und Menschenrechte dürften auf seiner Agenda eher weiter unten zu finden gewesen sein.

Menschenrechte statt Hightech

Doch genau darüber wollte WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn in einem am Freitag in der ARD ausgestrahlten Interview mit Putin sprechen ( lange Fassung des Interviews). Zwei Tage vor seinem Deutschland-Besuch traf der Journalist den russischen Präsidenten in Moskau. Die Themen: Razzien bei NGOs, Rechte der russischen Opposition, Waffenlieferung an den syrischen Diktator Assad. Putin, der selbst fließend Deutsch spricht und im Kalten Krieg als KGB-Agent in der DDR arbeitete, wusste, was ihn erwartet.

Abgebrüht fuhr der russische Präsident dem Interviewer gleich zu Beginn in die Parade. "Ich glaube, Sie schüchtern die deutsche Öffentlichkeit ein", beschuldigte er Schönenborn. Nebenbei sprach er deutschen Medien ab, objektiv über die Lage in Russland zu berichten.

Von Anfang an forderte der russische Präsident den WDR-Chefredakteur heraus. Gegen kritische Fragen wehrte er sich mit Gegenfragen, Unterstellungen und einem persönlichen Affront. "Wie heißen Sie übrigens?", fragte Putin unvermittelt. "Jörg Schönenborn", antwortete Schönenborn und zieht eine Grimasse. "Jörg?", vergewisserte sich Putin. "Ja", bestätigte Schönenborn.

Putin präsentiert sich

Mal gab sich Putin hart, mal herzlich. Er freue sich, dass er den Zuschauern die Position Russlands erklären könne, was "in Wirklichkeit passiert und wovon wir uns leiten lassen", sagte er. Und diese Chance ergriff Putin nur zu gern. Er ließ sich von seinem Sprecher eine Dokumentenmappe reichen, die nach seiner Aussage belegt, dass - wie jetzt Russland - auch die USA von ausländischen NGOs umfangreiche Angaben zu ihrer Finanzierung verlangen. Er spielte auf den 1938 von den USA erlassenen Foreign Agents Registration Act (FARA) an, der sich gegen Propaganda der Nationalsozialisten richtete.

Wladimir Putin
:Ein toller Hecht trifft Tiger

Er ist der Mann, der alles kann: Angeln, reiten, tauchen, mit Kranichen fliegen. Russlands Präsident Wladimir Putin inszeniert sich als Botschafter der Wildnis. Eine Auswahl seiner bildträchtigen Auftritte - alles ganz natürlich, versteht sich.

Ein ähnliches russisches Gesetz hatte zuletzt auch in Deutschland zu Irritationen geführt. Putin verteidigte die neue Gesetzeslage, wonach NGOs, die in Russland arbeiten und aus dem Ausland finanziert werden, als "ausländische Agenten" betrachtet werden. Putin berichtete von 654 Organisationen, die in den vier Monaten seit Inkrafttreten des Gesetzes knapp eine Milliarde Dollar aus dem Ausland bekommen haben sollen. Eine Zahl, die erfahrenen Beobachtern "absurd hoch" vorkommt: "Die russischen NGOs wären hocherfreut, ja sie würden geradezu jubilieren, hätten sie auch nur einen Bruchteil dieser riesigen Summe Geld zur Verfügung", schrieb etwa Jens Siegert, Leiter des Moskauer Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in seinem Blog.

Während Putin weiter gegen seine Kritiker austeilte und Schönenborn etwa fragte, ob er wirklich nicht verstünde, wie absurd seine Frage sei, bekräftigte er bekannte Ansichten. Er kritisierte die Waffenlieferungen des Westens an die syrische Opposition, verteidigte zugleich aber die russischen Hilfen für Assad. Eine Lösung des blutigen Bürgerkrieges? Gibt es in seinen Augen nur am Verhandlungstisch. Scharf kritisierte Putin, dass viele Russen mit Sparguthaben auf Zypern an der Bankenrettung beteiligt werden. Von ganz allein sprach er das Thema Geldwäsche an. Ob denn nicht auch für russische Anleger auf Zypern die Unschuldsvermutung gelte?

Schwierige Mission

Schönenborn war in Moskau auf schwieriger Mission, mit dem russischen Präsidenten hatte er einen listigen Interviewpartner. Es war ein schwieriges Gespräch, das stellenweise an Claus Klebers missglücktes Interview mit dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad im Frühjahr 2012 erinnerte. Doch Schönenborn parierte Putins Attacken einigermaßen gelassen. Gegenfragen des Präsidenten wich er aus, Putins Dokumente legte er nonchalant beiseite.

Das hinderte viele Zuschauer aber nicht daran, Schönenborns Leistung teils drastisch zu kritisieren. In Blogs und sozialen Netzwerken musste sich der WDR-Chefredakteur üble Schmähungen gefallen lassen. Tonangebend waren Blogs zweifelhafter Couleur, etwa islamfeindliche Plattformen.

Die wichtigste Frage blieb letztlich offen. Welches Ziel verfolgt ein Medium, wenn es den russischen Präsidenten befragt? Der Erkenntnisgewinn aus dem Interview war bescheiden, Putins Statements blieben oberfächlich und waren altbekannt. Schönenborn fehlte offensichtlich die Expertise, um bei Details hartnäckig nachzuhaken. Vielleicht hätte er lieber seinem Russlandkorrespondenten das Feld überlassen sollen. Doch das hatte Putin offenbar zu verhindern gewusst: Laut internen WDR-Angaben machte der Präsident seine Zusage davon abhängig, dass der Chefredakteur das Interview führt.

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