Institut für Rundfunktechnik:Das Ende der Solidarität

Institut für Rundfunktechnik (PR Material bezogen über die Pressestelle des IRT)

Ein Gebäude des Instituts für Rundfunktechnik in München.

(Foto: IRT)

Große Uneinigkeit zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern führte zum überraschenden Aus für das Institut für Rundfunktechnik. Wie soll es jetzt weitergehen?

Von Anika Blatz

In Wissenschaft und Forschung - dort, wo man erklären kann, was ein LTE-Gleichwellennetz oder der ADM-Renderer ist - scheint kaum einer mit diesem Ergebnis gerechnet zu haben. Und viele halten die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemeinsam getroffene Entscheidung, das Institut für Rundfunktechnik (IRT) zum Jahresende aufzulösen, für falsch. Es sei nicht gelungen, ein tragfähiges Modell für eine Fortführung der Gemeinschaftseinrichtung zu finden - so begründeten die neun ARD-Anstalten, ZDF, Deutschlandradio, Deutsche Welle sowie ORF und SRG ihren Entschluss vor gut einer Woche.

Eine Einrichtung, die in den letzten 64 Jahren Medien- und Rundfunktechnologie lieferte. Technologien wie Videotext, elektronische Zeitlupe oder digitales Fernsehen, die zwar jeder kennt und nutzt, von denen aber wohl kaum einer weiß, wem er sie zu verdanken hat. Ins öffentliche Bewusstsein geriet das IRT nur einmal, unrühmlich, 2017, als bekannt wurde, dass ein Patentanwalt das Institut um rund 200 Millionen Euro gebracht haben soll. Den Anstalten wurde daraufhin vorgeworfen, sich nicht ausreichend mit den Aktivitäten des IRT auseinandergesetzt zu haben. Von den Entwicklungen hingegen profitierten Zuschauer meist ohne es zu merken. Vieles war irgendwann einfach da: besserer Klang, besseres Bild, Untertitel, Mediatheken. Ohne Zusatzkosten - finanziert von der Gemeinschaft, finanziert von den Rundfunkbeiträgen.

"Technische Qualität ist längst nicht mehr so wichtig wie Inhalte"

Und hier liegt der Knackpunkt: "Technische Qualität ist längst nicht mehr so wichtig wie Inhalte. Der Zuschauer soll sehen, wofür wir sein Geld ausgeben", sagt NDR-Produktionsdirektor Sascha Molina. Heißt: Bevor man im Programm spart, spart man lieber bei der Technik. Das ZDF bezeichnete seinen Ausstieg von Anfang an als unumkehrbar; daneben gehörten nach SZ-Recherchen auch NDR, WDR und Deutsche Welle zum Kreis der deutschen Gesellschafter, die am Ende der zähen Verhandlungen an der Kündigung festhielten. Bisher erhielt das IRT jährlich rund 16,6 Millionen Euro von den Anstalten, die Summe wäre dadurch um ungefähr 46 Prozent reduziert worden. Zu wenig für die anderen Anstalten, um weiterzumachen. "Wir begreifen es langsam, aber verstehen tut es keiner", sagt man beim IRT zur Entscheidung.

Der Rückzug des ZDF Ende 2019 löste die Kündigung aller anderen Gesellschafter aus, danach galt für den Rettungsversuch die Prämisse: Fortgeführt wird das IRT nur, wenn es personell verkleinert wird und wenn genug Sender mitmachen. Doch am Ende waren Vorstellungen und Prioritäten nicht kompatibel - man kann auch sagen: die Uneinigkeit zu groß.

"Es wurden alle Perspektiven gesehen, aber eben unterschiedlich bewertet", heißt es dazu beim NDR. Der Sender führt - wie auch WDR und Deutsche Welle - auf SZ-Anfrage in erster Linie den Kostendruck als Grund für die Entscheidung an. Klar ist aber auch: Das IRT wurde als Solidargemeinschaft nach dem Grundgedanken "einmal für alle" konzipiert, eine Konstruktion, die nur funktioniert, wenn jeder mitzieht. Bei allen Beteiligten klingt durch, dass die zuvor schon in vielen Punkten gespaltenen Rundfunkanstalten sich über die IRT-Frage nachhaltig verkracht haben.

"Ich frage mich, wer übernimmt das jetzt?"

Wie soll es nach dem Ende des IRT nun weitergehen? Die Aufgaben, die das Institut bisher übernahm, seien wichtig, sagt Siegfried Fößel, Leiter des Bereichs Bewegtbildtechnologien des Fraunhofer-Instituts IIS in Erlangen und Vorsitzender der Fernseh- und Kinotechnischen Gesellschaft (FKTG). Das IRT kümmerte sich nicht nur um Forschung, es vertrat beispielsweise auch die Interessen der Sender in nationalen und internationalen Gremien, kümmerte sich um regulatorische Fragestellungen, sorgte für internationale Standardisierung und wirkte als Bindeglied zwischen den Rundfunkanstalten.

"Ich bin mir nicht sicher, ob alle Entscheidungsträger die Tragweite ihres Votums in letzter Konsequenz durchdrungen haben", sagt Stephan Breide, Professor für Kommunikationsnetze und Multimedia an der Fachhochschule Südwestfalen. "Ich frage mich, wer übernimmt das jetzt?" In Deutschland forscht auch die Fraunhofer-Gesellschaft an medientechnischen Fragestellungen. Forschung und Entwicklung könne man dort sicher teilweise übernehmen, sagt Fößel, "aber wir können keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen", sprich keine Interessenvertretung in internationalen Normungsgremien und dergleichen. Wer dies nun fortführe, das müsse noch geklärt werden, war bei allen Sendern zu hören.

Bei der Forschung wissen viele Sender hingegen bereits, auf wen sie setzen: externe, spezialisierte Expertise. Gerade im IT-Bereich, so sagen einzelne, fühlte man sich vom IRT nicht ausreichend abgeholt - schon jetzt gebe es Kooperationen mit Google und anderen. Nicht nachvollziehbar für FKTG-Geschäftsführer Jürgen Burghardt: "Wenn einzelne Anstalten meinen, das IRT hätte sich überlebt, dann hätte man Aufgaben und Schwerpunkt neu definieren müssen. Man hätte dem IRT doch die Chance zur Veränderung geben können."

Und nicht nur das: Mit ihrer Entscheidung begäben sich die Öffentlich-Rechtlichen nun in die Abhängigkeit von Technologieunternehmen, die ausschließlich wirtschaftlich orientiert seien. Eine Sorge, die auch den SR begleitet. Dort wollte man weitermachen, "um in wichtigen technischen Zukunftsfragen nicht in die Abhängigkeit von Dritten zu gelangen". Es sei wichtig, dass Programme auch im 5G-Zeitalter diskriminierungsfrei empfangbar seien, was im Widerspruch zu den Interessen der privaten Mobilfunkanbieter stehen könne. Deshalb brauche es einen starken Interessenvertreter für entsprechende Standardisierungen.

Die Debatte rund um das IRT-Aus hat auch die bayerische Politik erreicht

Mittlerweile hat die Debatte rund um das IRT-Aus auch die bayerische Politik erreicht. Horst Arnold, Chef der SPD-Landtagsfraktion, warf Ministerpräsident Markus Söder vor, sich nicht ausreichend für die Weiterführung des Instituts eingesetzt zu haben. "Wir erleben in der Rundfunk- und Medientechnik einen intellektuellen Schlaganfall und die Lähmung, die daraus entsteht, können wir uns nicht leisten", sagte er der SZ. Um die Lücke zu schließen, sei nun der Freistaat aufgerufen, selbst ein Ersatzinstitut zu schaffen. Eine staatliche Zuständigkeit sieht man in der Staatskanzlei hingegen nicht: Wie die einzelnen Gesellschafter bisherige Tätigkeitsbereiche des IRT zukünftig abdeckten, sei von den Anstalten zu entscheiden, heißt es dort.

Die Ergebnisse laufender Forschung werden den Gesellschaftern beziehungsweise dem europäischen Rundfunkwesen zur Verfügung gestellt. Anfang September wird mit der Ausarbeitung eines Sozialplans für die rund 100 Angestellten begonnen, es geht unter anderem um Altersversorgung und Abfindungen. Die genaue Summe hängt vom Verhandlungsergebnis mit Gewerkschaft und Betriebsrat ab. Getragen werden die Kosten von allen 14 Gesellschaftern - zusammen.

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Institut für Rundfunktechnik, Floriansmühlstraße 60, BR-Gelände

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Die Gesellschafter, darunter die ARD-Sender und das ZDF, konnten sich nicht auf einen Rettungsplan einigen. Zum Jahresende wird das IRT aufgelöst - unter hohen Abwicklungskosten.

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