Hörspiel "Playblack Radio":Wer spricht?

Lesezeit: 2 min

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Gibt es das: schwarze Stimmen? Wenn ja: Müssen wir dann viele Filme neu synchronisieren? Über eine wilde Debatte in einer fiktionalen Radioshow.

Von Stefan Fischer

"Was ist eine schwarze Stimme?" Das werden Schwarze gefragt in deutschen Fußgängerzonen. Die meisten Antworten könnten genauso gut von Weißen stammen. Intensiv, warmherzig, rau, tief, dunkel - mit diesen und weiteren Adjektiven wird der Versuch einer Definition unternommen. Ein Mann antwortet indessen: "Ich weiß nicht, was eine schwarze Stimme ist." Aber darauf kann man die Angelegenheit ja nicht beruhen lassen. Und schon steckt das Hörstück Playblack Radio mittendrin im schönsten Schlamassel.

Moment mal! Schlamassel? Dieses Wort stammt aus dem Jiddischen. Was hat es also in dieser Schwarz-Weiß-Malerei verloren? Nun, nichts, aber man kann hier ohnehin eigentlich nichts richtig machen. Was auch immer man sagt und meint und schreibt: Die PC-Polizei ist schon da und klebt einem einen Strafzettel auf die Zunge. Allerdings: Joana Tischkau und Jan Gehmlich stehen offenbar selbst nicht so sehr auf die Obrigkeit und legen sich gerne mit den Sprach- und Denkhütern an.

Hat Engelbert von Nordhausen eine schwarze Stimme? Oder nur in speziellen Situationen?

Im Kern ist das ja eine spannende Frage: Nehmen wir schwarze Stimmen anders wahr als weiße? Das führt jedoch zurück zur Fußgängerzonen-Frage, was überhaupt eine schwarze Stimme sei. Denn ganz oft, wenn wir vermeintlich eine solche hören, spricht ein Weißer. Einer der Sprecher in Playblack Radio ist Engelbert von Nordhausen, der unter anderem Samuel L. Jackson und Bill Cosby synchronisiert. Aber auch Gene Hackman. Hat Nordhausen eine schwarze Stimme? Immer? Oder nur, wenn er Jackson synchronisiert; und bei Hackman dann nicht mehr? Und was an Nordhausens Stimme wäre dann - fallweise - schwarz? Oder bedient er ohnehin bloß ein Stereotyp - also unsere weiße Vorstellung einer schwarzen Stimme?

Was wiederum ist mit Tom Jones oder Amy Winehouse? Weiße, die schwarze Musik machen beziehungsweise gemacht haben. Ist das dann noch schwarze Musik? Wann ist das noch authentisch, wann bloßes Kalkül? Playblack Radio ist vertrackt, verwirrend, überdreht - und selbstironisch. Im Grunde eine Mockumentary. Das ist per se schon einmal sehr wohltuend. Weil die Debatte über rassistische Muster und kulturelle Aneignung sehr oft sehr kleinkariert und rechthaberisch geführt wird. Und dabei viel zu oft in Verboten gedacht wird.

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Hier aber: blankes Chaos. Was ist das, wenn ein Song, geschrieben nach weißen Vorstellungen von schwarzer Musik, von einem schwarzen Künstler gesungen wird - die Dekolonialisierung von schwarzer Musik? Dieser Wahnwitz einer Morningshow macht sich keineswegs lustig über seinen Gegenstand, die stimmliche Repräsentanz schwarzer Kultur. Er zeigt aber, wo die Debatte hinführt, wenn sie verbissen und ideologisch geführt wird. Wenn sie um ihrer selbst willen geführt wird.

Manches ist albern, manches satirisch, manches böse in Playblack Radio. Eines haben Joana Tischkau und Jan Gehmlich dabei immer im Blick: die Grenze, jenseits der die Dinge tatsächlich rassistisch werden. Diesseits jedoch kann man vieles auch als ein Spiel begreifen. Wenn man sich bewusst ist, auf welchem Feld man sich bewegt.

Playblack Radio , WDR 3, 30. April, 19.04 Uhr.

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