Interview mit Fußballkommentator Kas:"Du leidest und jubelst"

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Kas auf der Reportertribüne im Stadion des 1. FC Nürnberg. (Foto: Richard Krauss)

Fußball live im Radio kommentieren ist eine Kunst für sich. Karlheinz Kas hat sie perfektioniert. Ein Abschiedsgespräch.

Von Stefan Fischer

Der Fußballkommentator Karlheinz Kas, 65, verdankt seine Radiokarriere einer Flitzerin. Bei einer Probereportage für den Bayerischen Rundfunk (BR) 1980 rannte eine nackte Frau über den Rasen des Münchner Olympiastadions. Kas kommentierte das, was man im Radio gar nicht sehen konnte, sehr souverän - und war der einzige der 15 Kandidaten, den der BR daraufhin engagierte. Seitdem arbeitete der Journalist, der ein Berufsleben lang Redakteur beim Trostberger Tagblatt war, zusätzlich als Sportreporter für den BR-Hörfunk, vor allem als Live-Kommentator der Bundesliga-Sendung Heute im Stadion, die ein Millionenpublikum hat. Beim Bundesligafinale am Pfingstsamstag sitzt er ein letztes Mal am Mikrofon (Bayern 1, 15.05 Uhr).

SZ: Herr Kas, zum Abschied kommentieren Sie das Match der beiden bayerischen Bundesliga-Mannschaften, der FC Bayern spielt gegen Augsburg. Eine schöne Fügung?

Karlheinz Kas: Die Derbys sind meine Highlights. Ich kommentiere ja keine Welt- und Europameisterschaften, und Champions-League-Spiele waren es vielleicht zwei Dutzend in all den Jahren. Wenn zwei bayerische Mannschaften gegeneinander spielen, sind das die schwierigsten Spiele. Da muss ich mit sehr viel Gefühl kommentieren.

Erwarten die Hörer, dass der Kommentator parteiisch ist?

Ja. Und das ist auch die Vorgabe des Senders: Du leidest und jubelst mit den bayerischen Mannschaften. Das will das Publikum bei Heute im Stadion hören. Deshalb fährt auch immer ein eigener BR-Kommentator zu den Auswärtsspielen der bayerischen Teams. Erst in der Schlusskonferenz übernimmt der ARD-Reporter.

Als Sie angefangen haben, gab es die Fußball-Bundesliga nur im Radio live, inzwischen sind es viel mehr Kanäle. Wie hat sich die Arbeit verändert?

Vor 25 Jahren habe ich die Sportteile etlicher Zeitungen gelesen und mir Notizen gemacht zur Vorbereitung. Inzwischen kriege ich zu jedem Spiel von einer Agentur ein dickes Dossier. Eine Neuerung, die mich brutal stört, ist der Videobeweis. Da schaut der Schiedsrichter zwei, drei Minuten auf den Bildschirm, du bist auf Sendung, musst quatschen, und irgendwann kommt eine Entscheidung. Ich dachte, der Fußball wird dadurch gerechter. Nein, er wird langweiliger. Und natürlich hat Corona vieles verändert: Ich soll die Stimmung rüberbringen, die Euphorie der Fans beschreiben, ihre Transparente. Das fällt seit einem Jahr weg.

Wie trist ist es, in einem leeren Stadion zu sitzen?

Da bin ich demütig, weil ich privilegiert bin. Ich darf rein ins Stadion, der Fan nicht. Und: Was ich jetzt mitbekomme, hat es noch nie gegeben. Erstmals höre ich die Kommunikation der Spieler und des Trainers mit den Spielern. Ich muss nur den Kopfhörer ein bisschen wegschieben. Das ist sehr spannend.

"Ich bin noch aus der alten Schule": 1989 interviewt Kas (l.) den damaligen DFB-Teamchef Franz Beckenbauer. (Foto: Peter Siegelreitmaier)

Was muss ein Radio-Kommentator leisten?

Seine Aufgabe sehe ich darin, Bilder zu beschreiben. Nicht zu viel über Taktik reden, nicht zu viel Statistiken zitieren. Vor allem am Ball bleiben - das Schlimmste ist, wenn du irgendetwas erzählst, und unten fällt ein Tor. Dann hast du im Grunde versagt. Und: Du musst dich sofort festlegen, wenn du live drauf bist, ohne drei Zeitlupen: War das ein Foul, war das Abseits?

Wie Trainer über Fußball sprechen, hat sich radikal verändert, mitunter klingt das sehr abgehoben. Übernehmen Sie das Vokabular der aktuellen Generation, weil es offenbar die zeitgemäße Ausdrucksweise ist?

Diese neue Fußballsprache ... Ich bin noch einer aus der alten Schule, ich habe mich nicht so sehr angepasst.

Ein besonderes Erlebnis hatten Sie mit dem knorrigen Trainer Werner Lorant.

1994 war ich in Meppen, als der TSV 1860 München in die erste Liga aufgestiegen ist. Die Zuschauer haben den Platz gestürmt. Ich bin mit der Mannschaft sofort in der Kabine verschwunden. Dort habe ich dann Lorant interviewt, habe das aber nicht ans Funkhaus überspielen können. Eine Stunde lang durfte niemand die Kabine verlassen.

Das ist heutzutage unvorstellbar, dass ein Reporter in die Kabine gelassen wird.

Es ist alles viel strenger und reglementierter geworden. Beim FC Bayern darfst du nicht einmal einen Spieler ansprechen, der unterwegs in die Kabine ist, dann ist der Teufel los. Der Verein wählt ein oder zwei Spieler aus, die schiebt er dir hin. Denen darfst du dann nicht mehr als zwei, drei Fragen stellen.

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