Nachtkritik: "Hart aber fair":Diskussion über ein kurzes Gastspiel und Freude über den Neuen

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Peter Altmaier (Bundeswirtschaftsminister), Cathryn Clüver Ashbrook (Politologin), Ingo Zamperoni (Moderator der ARD-Tagesthemen), Annalena Baerbock (Grünen-Bundesvorsitzende) und Matthew Karnitschnig (Journalist bei "Politico") diskutieren mit Frank Plasberg über die Lage in den USA. (Foto: © WDR/Oliver Ziebe; WDR/Oliver Ziebe)

Frank Plasberg fragt, wie gefährlich die Tage der Machtübergabe für die USA seien. Aber tatsächlich will keiner in der Runde die Erleichterung über Bidens Wahlsieg trüben.

Von Hans Hütt

Am 6. Januar stürmten Anhänger des abgewählten US-Präsidenten das Kapitol. Donald Trump hatte sie dazu angestachelt. Gibt es an diesem Mittwoch bei der Amtseinführung von Joe Biden eine Fortsetzung? Frank Plasberg fragt bei "Hart aber fair", wie gefährlich die Tage der Machtübergabe für die USA seien. Seine Gäste sind Wirtschaftsminister Peter Altmaier, die Grünen-Chefin Annalena Baerbock, Mister Tagesthemen Ingo Zamperoni, der Journalist Matthew Karnitschnig und die Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver Ashbrook.

Das FBI prüft die nach Washington geholten Nationalgardisten, berichtet die Washington Post am Montag. Gibt es unter den Nationalgardisten Sympathisanten des Mobs vom 6. Januar? Was wäre los, wenn sie ihre Waffen nicht zum Schutz von Bidens Amtseinführung, sondern gegen diese verwendeten? Ein anderer Albtraum bewegt den Nahen Osten. Wird Trump in den letzten Stunden seiner Amtszeit seine Freunde in Saudi-Arabien zu einem Angriff auf die iranischen Anlagen zur Urananreicherung bewegen und so den Amtsantritt seines Nachfolgers mit einem neuen großen Krieg im Nahen Osten überschatten?

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Beide Fragen spielen an dem Abend bei Plasberg keine Rolle. Keiner will die Erleichterung über den Wahlsieg Joe Bidens trüben. In dem Naturfilm vor Plasberg sah man Unterwasseraufnahmen von Eishaien. Das sind riesige Biester, die so alt werden können, dass die ältesten von ihnen schon zu Martin Luthers Zeit um Grönland herumgeschwommen sein könnten. Im Vergleich zu ihnen gab Trump nur ein kurzes Gastspiel. Bleibt das Gift seiner Lügen den Amerikanern erhalten?

Ingo Zamperonis Schwiegervater hat Trump gewählt. Den Mob im Kapitol aber verurteilt er. Karnitschnig warnt vor zu großem Jubel. Joe Biden werde mit Europa nicht kuscheln. Altmaier wirkt trotzdem erleichtert. Clüver warnt davor, dass der rechtsradikale Mob nicht über Nacht verschwinden werde. Baerbock sieht Gefährdungen durch hiesige Rechtsradikale.

Die Freude über den baldigen neuen Präsidenten ist verständlich. Alle wünschen einen guten Neustart für die Beziehungen zu den USA. Von der viel beschworenen westlichen Wertegemeinschaft war unter Trump kaum was übrig geblieben. Clüver zeigt sich erschüttert darüber, wie ein für stabil gehaltenes System in vier Jahren ausbluten konnte. Sie erinnert daran, dass unter dem Mob Leute mit Knopf im Ohr herumliefen. Irgendwo draußen hat jemand den Angriff koordiniert. Der Trumpismus sei noch nicht erledigt. Im Repräsentantenhaus haben nur zehn Abgeordnete der Republikaner für das Impeachment gestimmt.

An ähnliche Szenen im und vor dem Reichstag erinnert Baerbock. Wirtschaftsminister Altmaier fühlte sich nicht bedroht. Er bezeichnet sich als "geländegängig", was übersetzt heißen mag, dass er nicht so leicht umfällt.

Zamperonis Schwiegervater hat Biden nicht gewählt, aber drückt ihm die Daumen, dass er in den ersten hundert Tagen etwas auf die Beine stellt, das auch einstige Trump-Anhänger für die Demokratie zurückgewinnt. Karnitschnig vermutet, dass sich die Republikaner neu erfinden werden. Europa sei gut beraten, nicht nur auf die eine Hälfte des politischen Spektrums in Amerika zu setzen.

Trumps wichtigstes Mobilisierungsinstrument ist ihm entzogen worden. Nicht nur die Bundeskanzlerin findet das problematisch. Facebook, Google und Twitter sollten sich in Europa auf kritische Fragen gefasst machen. Vielleicht kommt es zu gemeinsamen Schritten der EU und der Biden-Regierung für die Regulierung der Giganten. Die Idee des deutschen Außenministers Heiko Maas, einen Marschall-Plan für Demokratie ins Leben zu rufen, war anmaßend, findet Zamperoni. Das ist ein sehr mildes Urteil.

Noch aber ist der Käs' nicht gegessen. Ingo Zamperoni erinnert daran, dass die Amerikaner "Comeback Kids" lieben. Noch gibt es keinen Beschluss des Kongresses, der Trump eine weitere Kandidatur für ein politisches Amt verwehrt.

Zum Schluss geht es um ein leidiges Thema, das auch unter Biden für deutsch-amerikanischen Ärger sorgen wird: die geplante Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Peter Altmaiers Haltung, das sei ein privates Projekt, wird sich in den Gesprächen mit den Amerikanern nicht aufrecht halten lassen. Das gilt auch für den potentiellen nächsten Koalitionspartner der Unionsparteien: Baerbock nickt so still wie vergnügt. Die Rückkehr der USA zum Pariser Klimaabkommen könnte auch für Nord Stream 2 Folgen haben.

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