"Gypsy" bei Netflix:Diese Serie will den Zuschauer verrückt machen

Lesezeit: 2 min

Jean (Naomi Watts) könnte ein so schönes Leben haben, wenn ihr nicht die eigene Begierde im Weg wäre. (Foto: Netflix)

In "Gypsy" spielt Naomi Watts eine Therapeutin, die sich eine zweite Identität erschafft - und der das eigene Leben immer weiter entgleitet.

Von Selim Aydin

Von außen betrachtet hat Jean Holloway (Naomi Watts) ein perfektes Leben: eine glückliche Ehe, eine wunderschöne Tochter, ein großes Haus und einen guten Job, sie ist Psychotherapeutin. Auf ihrem Papp-Kaffeebecher steht "Diane", was nicht unbedingt merkwürdig sein muss: Viele Menschen geben - aus ganz unterschiedlichen Gründen - falsche Namen an, wenn sie bei Starbucks einen Cappuccino bestellen. Allerdings erfinden sehr wenige von ihnen eine falsche Persönlichkeit, wenn sie ins Gespräch mit der Verkäuferin kommen. "Ich dachte immer, dass Menschen selbst über ihr Leben bestimmen, aber etwas ist stärker als unser freier Wille: unsere Begierde", so erklärt es Jean.

Es geht hier nicht um eine Frau, die an multipler Persönlichkeitsstörung leidet. Jean weiß, dass Diane Hart, freie Journalistin, nicht existiert. Diese Persönlichkeit ist nur eine Tarnung, damit sie sich Sidney (Sophie Cookson) annähern kann. Das eigentliche Problem dabei: Sidney ist die Ex-Freundin von Sam (Karl Glusman), der ein Patient von Jean ist. Er will mit der Behandlung seinen Liebeskummer überwinden.

Folge um Folge verwandelt sich die Geschichte mehr in einen Psychothriller

Die Netflix-Serie Gypsy wirkt anfangs wie ein gewöhnliches Drama, in dem die Protagonistin ihr Leben mit etwas neuem Nervenkitzel versehen will. Doch Folge um Folge verwandelt sich die Geschichte mehr in einen Psychothriller, jeder Schritt der Hauptfigur bringt sie in größere Schwierigkeiten und lässt die Abneigung des Zuschauers zu ihr wachsen.

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Das ist kein Mangel der Erzählung, im Gegenteil, es ist ihr Ziel. Die Serie will den Zuschauer verrückt machen. Das erzählerische Konstrukt erinnert ein wenig an den Roman "Gone Girl" und dessen Verfilmung von David Fincher. Darin ging es um einen Mann, der verdächtigt wird, etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun zu haben. Der Zuschauer baut darin emotionale Bindungen zu Figuren auf, fasst Vertrauen und muss dann ständig mit Enttäuschungen leben. Die Gefühle, die ausgelöst werden, sind bei Gypsy sehr ähnlich.

Tatsächlich aber ist Gypsy eine dieser Serien, die bei aller Begeisterung für das Genre die Frage aufkommen lässt, ob ein Spielfilm für diese Geschichte nicht die bessere Erzählform gewesen wäre. Denn es entspinnen sich um weitere Patienten und um Jeans Ehemann etliche Nebenhandlungen, die beim Zuschauer stark den Eindruck hinterlassen, dass hier vor allem Sendezeit gefüllt werden soll. Keine dieser Nebenhandlungen verbindet sich sinnvoll mit dem eigentlichen Geschehen.

Das alles macht die Haupthandlung, das unheilvolle Dreieck zwischen Jean, Sam und Sidney nicht weniger interessant und aufregend. Man hätte ihre Geschichte aber ohne Weiteres auch in zwei Stunden erzählen können.

Gypsy , bei Netflix.

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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