"Funk":Ein bisschen radikal

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Sie will „in politische Debatten grätschen und kein Blatt vor den Mund nehmen“: Die Dresdnerin Franziska Schreiber hat ihren eigenen Kanal auf der Plattform „Funk“. (Foto: Europa Verlag)

Früher bei der AfD, heute zuständig für Meinungsvielfalt: Franziska Schreiber und ihr öffentlich-rechtlicher Youtube-Kanal.

Von Berit Dießelkämper

Eine junge Frau mit kurzen, dunkelblonden Haaren steht vor einem Bluescreen. Das, was sie gleich vortragen will, wird bei Youtube mit Überschriften wie "Seid stolz auf Schwarz-Rot-Gold", "Bei XXXL ist mit Body Positivity Schluss" oder "Fridays for Heuchler?" beworben. Erst einmal nichts Ungewöhnliches, wenn man weiß, was alles so in den dunklen Ecken des Internets passiert. Allerdings stammen diese Youtube-Videos nicht von irgendeinem semiprofessionellen Kanal, sondern von " Funk", dem jungen Online-Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Die junge Frau ist Franziska Schreiber, 29, ehemaliges AfD-Mitglied - und seit vier Monaten eben Moderatorin ihres eigenen Funk-Kanals mit mittlerweile knapp 15 000 Abonnenten. In ihrem ersten Video erklärte Franziska Schreiber Mitte März, sie wolle auf diesem Kanal nicht rechts oder links sein, sondern kritisch. Sie wolle "in politische Debatten reingrätschen", "kontrovers diskutieren" und dabei "polarisieren". Es geht bei dem Projekt also um Meinungspluralismus, und der ist in den Programmgrundsätzen öffentlich-rechtlicher Sender festgeschrieben.

Bei Funk hatte bisher allerdings niemand die konservative Lücke gefüllt. In den politischen Formaten wie "Jäger und Sammler" oder "Deutschland 3000" heißen die Videos eher "Rente: Wir haben ein Problem!", "Plastik: Wir müssen was tun!" oder "Bio-Essen und faire Mode mit wenig Geld!?" und lassen dabei oft linke und grüne Positionen zu Wort kommen. Dem nun eine andere, konservativere Perspektive hinzuzufügen, klingt zunächst einmal sinnvoll. Verfolgt man aber die Videos von Franziska Schreiber, bekommt man den Eindruck, dass dort nicht wirklich Pluralismus, geschweige denn Meinungsvielfalt propagiert wird. Sondern einfach die Lust am Widerspruch.

Sieht man sich beispielsweise ihr Video zu "Islam = Gefahr?" an und hat sich innerlich schon auf sehr viel Hass eingestellt, wird man zunächst nicht enttäuscht. Die Moderatorin sagt "Der Islam ist gefährlich" - das habe sich bisher einfach nur niemand getraut zu sagen. Dann zitiert sie gewaltverherrlichende Stellen aus dem Koran, aber auch der Bibel, um ihre argumentative Kehrtwende einzuleiten: Die Mehrheit der Muslime in Deutschland wolle sich gar nicht an diese Koranstellen halten und sei friedlich. Also doch alles gar nicht so schlimm? Die zweite Hälfte des Videos füllt Franziska Schreiber mit persönlichen Anekdoten, die entschuldigen sollen, warum sie früher einmal anderer Meinung war (ihr Umfeld war schuld).

So funktionieren auch die anderen Videos auf dem Kanal: Franziska Schreiber hält sich argumentative Schlupflöcher offen und führt immer wieder entschuldigende Floskeln an ("Man kann das natürlich alles nicht verallgemeinern"), sodass man am Ende überhaupt nicht mehr weiß, wofür sie eigentlich argumentiert. Die Themen verlaufen immer entlang der klassischen Links-rechts-Konfliktlinie, wobei sich mal für die eine und mal für die andere Seite entschieden wird. Das Ganze steht dann unter einer selbst für Youtube-Verhältnisse reißerischen Überschrift: "Akademisierungswahn", "Klima-Heuchler" oder "Organ-Fiasko".

Biografisch passt Franziska Schreiber tatsächlich gut zu dieser Art von flexibler Meinungssendung: Sie ist eine junge Ex-AfDlerin, die eine Woche vor der Bundestagswahl 2017 aus "moralischen Gründen" aus der Partei austrat und dann dazu aufrief, doch lieber die FDP zu wählen. Über ihre Zeit in der AfD hat sie ein Enthüllungsbuch geschrieben, seitdem hält sie Vorträge über Rechtspopulismus. Das Funk-Format wirkt ein wenig wie ein Resozialisierungsprojekt - wollte man gemein sein, würde man von Integration sprechen, zurück in die gemäßigte, freiheitliche Gesellschaft. Franziska Schreiber ist immer noch ein bisschen radikal, aber eben nicht zu sehr und daher gerade noch vorzeigbar.

Das Logo des Video-Formats ist übrigens ein erhobener Zeigefinger

Bei Funk scheint Franziska Schreiber damit für alle kontroversen Positionen dieser Welt zuständig zu sein. Dabei widerspricht sie sich immer wieder selbst. In dem Video "Alle Drogen legalisieren!" argumentiert sie für individuelle Freiheit, körperliche Selbstbestimmung und das Recht, den eigenen Körper auch zerstören zu dürfen. Zwei Wochen später behauptet sie in "Bei XXXL ist mit Body Positivity Schluss!", dass Plus-Size ein gefährlicher Trend sei, der das Gesundheitssystem und damit auch die Allgemeinheit belaste.

Funk selbst sagt, dass man sich als junger Mensch heutzutage nicht mehr nur für eine politische Seite entscheiden müsse und ganz unterschiedliche Haltungen zu verschiedenen Themen haben könne. Das lässt den Versuch, kontroverse Positionen zu zeigen, lächerlich schwach wirken. Außerdem verbreitet es nebenher auch die Klischeevorstellung einer uniformen Jugend, die ihre Fahne in jeden Wind hängt, nach Belieben ihre Grundsätze verrät und sich dabei auch noch für kritisch hält. Das Logo des Videoformats ist übrigens ein erhobener Zeigefinger.

Nun ist der Franziska-Schreiber-Kanal im gesellschaftlichen Spannungsfeld zwischen "mit Rechten reden" und "Rechten keine Bühne geben" gestartet. Die Videos sollen zur Diskussion anregen. Franziska Schreiber, so wirbt Funk auf der Website, diskutiere dabei "lebhaft mit ihrer Community". Doch auch diese Internetdebatte ist genau so, wie Debatten im Internet oft laufen - ungesteuert und emotional statt geordnet und sachlich. Für einen ersten Kommentar hat die Moderatorin noch Muße, lässt sich dann aber nie wieder in dem Thread blicken, woraufhin die Kommentar-Hölle entbrennt.

Insgesamt wirkt das Format wie der Versuch, offen, tolerant und aufgeklärt zu sein, weil man sich traut, auch kontroversen Positionen Raum zu geben. Würde Funk sich an die eigenen Grundsätze halten, dann wäre es sehr viel konsequenter, ein aktives AfD-Mitglied vor die Kamera zu stellen - niemanden, der menschen- oder verfassungsfeindliche Dinge verbreitet, aber die Meinungsvielfaltslücke bei Funk eben wirklich füllen kann. Was ansonsten bleibt, ist Klick- und Effekthascherei.

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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