Arbeitsbedingungen im Journalismus:Pandemie verschärft Probleme freier Journalisten

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In Bremen sehen die Verfasser der Studie einen "Mikrokosmos" der bundesweiten Medienlandschaft. Daher halten sie ihre Ergebnisse für bundesweit gültig, sagen sie. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Eine Otto-Brenner-Studie aus Bremen ergibt: Niedrige Löhne bei Lokal- und Tageszeitungen machen den freien Journalismus zu einem prekären Arbeitsfeld. Nicht erst, aber besonders seit Corona.

Von Lisa Oppermann

Wie in anderen Branchen auch, verstärkt die Pandemie auch im Journalismus bereits bestehende Probleme - vor allem für freie Journalisten. Das ist das Ergebnis einer Studie eines Forscherteams aus Bremen, initiiert von der Otto-Brenner-Stiftung. Demnach haben viele Freie vor allem zu Beginn der Pandemie starke finanzielle Verluste hinnehmen müssen, allerdings habe sich die Lage bei den meisten nach der ersten Corona-Welle wieder normalisiert. Vor allem aber hätten sich, so die Studie, die bestehenden Unterschiede innerhalb der Branche noch deutlicher als sonst gezeigt.

Prof. Dr. Barbara Witte (Hochschule Bremen) und Prof. Dr. Gerhard Syben (Forschungsinstitut BAQ Bremen) haben siebzehn freie Journalisten aus Bremen für die Studie "Erosion von Öffentlichkeit - Freie Journalist*innen in der Corona-Pandemie" befragt, und zwar sowohl haupt- als auch nebenberufliche Freie. In Leitfadeninterviews untersuchten die Forscher die Arbeitsbedingungen der Journalisten während der Pandemie. Außerdem haben sie Personen aus der Leitungsebene von elf Bremer Medienhäusern interviewt, die mit freien Journalisten zusammenarbeiten. Auch hier haben die Forscher nur Bremen einbezogen: Sie sehen in dem kleinen Bundesland einen "Mikrokosmos" der bundesweiten Medienlandschaft. Die Ergebnisse sehen sie als bundesweit gültig an, denn: "Weil die Medienregion Bremen und die Medienstruktur der Stadt im Kleinen widerspiegeln, was im Großen für die Republik gilt", begründet Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto-Brenner-Stiftung, die Auswahl. "Wie in einem Brennglas verdichten sich in der Medienregion Bremen alle relevanten Fragen, die die Pandemie aufgeworfen hat."

Die größten, bleibenden Einbußen haben laut Studie freie Mitarbeiter von Lokal- und Tageszeitungen erlebt, da Aufträge wegbrachen- zusammen mit den Sport- oder Kulturveranstaltungen. Freie Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hätten zu Beginn zwar auch Ausfälle hinnehmen müssen, sie seien aber nicht so intensiv und dauerhaft betroffen gewesen wie Kollegen von der Presse. Während der Pandemie haben einzelne Freie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sogar länger gearbeitet und somit mehr verdient als zuvor. Von finanziellen Hilfen des Bundes, um Folgen der Pandemie abzufedern, seien die Freien als Soloselbstständige zunächst ausgeschlossen gewesen. Die Studie schließt: "Wer Hilfen benötigte, erhielt sie - teils im privaten Rahmen, teils durch den Hilfefonds des Landes Bremen. Ob auch diese Hilfe-Bilanz bundesweit repräsentativ ist, geht aus der Studie nicht hervor.

Die Ungleichheit zwischen freien Journalisten von Lokal- und Tageszeitungen gegenüber ihren Kollegen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk war bereits vor Corona ein Problem. Die Befragten kritisierten: Tageszeitungen bezahlten Freie oft unterhalb des Mindestlohn-Niveaus. Soziale Sicherheit sei dadurch unmöglich. Immer mehr Freie dächten aufgrund der schlechten Bezahlung darüber nach, aus dem Journalismus auszusteigen und beispielsweise Jobangebote in der Öffentlichkeitsarbeit anzunehmen.

Die Pandemie habe für viele diese bereits vorhandenen Überlegungen lediglich drängender gemacht. Gleichzeitig überlegen laut Studie immer mehr Redaktionen, künftig weniger über Veranstaltungen zu berichten und somit weniger oder gar nicht mehr mit nebenberuflichen freien Journalisten zusammenzuarbeiten. Die Forscher warnen: Diese Entwicklungen könnten das Ende für einen Großteil der lokalen Berichterstattung bedeuten - "mit schwerwiegenden Konsequenzen für die demokratische Öffentlichkeit", wie Studienautorin Barbara Witte schreibt.

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