Fernsehen:Ein bisschen fett, ein bisschen arm

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Die Äußerungen seien leider falsch verstanden worden, bedauert Thomas Ebeling. (Foto: picture alliance / dpa)

Thomas Ebeling, Chef von Pro Sieben Sat 1, hat das eigene Publikum beleidigt - und das auch noch zu einem sehr schlechten Zeitpunkt für die Sendergruppe.

Von Caspar Busse

Es kommt einiges zusammen in diesen Tagen für Thomas Ebeling, 58. In der vergangenen Woche erst musste der Vorstandsvorsitzende des Fernsehunternehmens Pro Sieben Sat 1 die Aussichten für das laufende Geschäftsjahr leicht nach unten revidieren. Die Aktie stürzte daraufhin um rund zehn Prozent ab. Der Aufsichtsrat fahndet gleichzeitig nach einem neuen Chef. Ebelings Vertrag läuft zwar noch bis 2019, einen vorzeitigen Abschied hatte er zuletzt aber nicht ausgeschlossen.

Jetzt wurden Äußerungen Ebelings aus einer Telefonkonferenz mit Aktienanalysten bekannt. "Es gibt Menschen, ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm, die immer noch gerne auf dem Sofa sitzen, sich zurücklehnen und gerne unterhalten werden wollen", sagte Ebeling vorige Woche nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen. Wie der Branchendienst DWDL.de zuerst berichtete, hatten die Experten zuvor kritische Fragen zum Geschäftsmodell von Pro Sieben Sat 1 gestellt: Kommen die Konzernsender noch gegen Bezahlangebote wie Netflix oder Sky an? "Nicht jeder Netflix-Film ist ein Homerun. Und sehr oft sind deren Inhalte sehr, sehr Arthouse-like", sagte Ebeling weiter. Der gebürtige Hannoveraner, der gern mal ironisch wird, wollte also die frei empfangbaren Sender mit ihrer immer noch hohen Reichweite verteidigen - und vergriff sich im Ton. Nun ist die Aufregung groß.

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Von Caspar Busse und Marc Beise

Am Mittwoch nun versuchte Ebeling zu retten, was noch zu retten ist. "Bei meiner Aussage handelte es sich natürlich um eine plakative Zuspitzung zur Illustration unterschiedlicher Mediennutzungsweisen. Mitnichten wollte ich unsere TV-Zuschauer diskreditieren", teilte er mit. Die Äußerungen seien leider falsch verstanden worden - was er sehr bedauere.

Und doch kommen die Zitate zur Unzeit. Die Werbeagenturen zögern ohnehin mit ihren Buchungen, haben zuletzt die Prognosen zurückgenommen. Konsumgüterkonzerne wie Procter & Gamble und Nestlé kürzen ihre Budgets. Die Preise sind unter Druck. Da ist es nicht gerade hilfreich, wenn sich der Konzernchef abfällig über die Zuschauer äußert. Das erinnert an das alte Klischee vom Unterschichtfernsehen. Vor allem jüngere Zuschauer, eine wichtige Zielgruppe der Werbeindustrie, steigen jetzt auf Streamingangebote um, schauen, was, wie und wo sie wollen und verzichten auf klassisches Fernsehen. Pro Sieben etwa, lange beliebt bei Jüngeren, verliert deutlich Marktanteile. Zudem gibt es Zweifel an der Strategie Ebelings, der mit Internetgeschäften die Abhängigkeit vom TV reduzieren will. Die Stimmung könnte jedenfalls besser sein.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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