Maruv alias Anna Korsun:"Ich bin eine Sängerin und kein Einsatz auf dem politischen Spielfeld"

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Zu enge Verbindungen zu Russland: Sängerin Maruv alias Anna Korsun. (Foto: REUTERS)

Warum die ukrainische Sängerin Maruv nicht am Eurovision Song Contest in Tel Aviv teilnehmen wird.

Von Ekaterina Kel

Die ukrainische Sängerin Maruv, bürgerlich Anna Korsun, 27 Jahre alt, ist zwischen die Fronten geraten: Russland gegen die Ukraine, und sie in der Mitte. Mit ihrem Lied "Siren Song", in dem sie in glänzenden, schwarzen Stiefeln wenig singt und viel tanzt, hat Korsun am Wochenende den ukrainischen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC) gewonnen. Sie sollte die Ukraine in Tel Aviv beim Wettbewerb im Mai repräsentieren. Am Montag war jedoch klar, dass Korsun nirgendwohin fliegen wird. Als zu eng empfand man ihre Verbindungen zu Russland. Der öffentlich-rechtliche Nationalsender NTKU habe sich mit Korsun nicht einigen können, hieß es.

Zum Verhängnis wurde der im ostukrainischen Pawlograd geborenen Korsun, dass sie einige Konzerte in Russland geplant hatte. Ein großer Teil ihrer Fans lebt in Russland - ein Umstand, der auf viele ukrainische Sänger zutrifft. Außerdem gehören die Rechte an ihrem Song dem russischen Label Warner Music Russia. Aber am schwersten wog wohl ihre Reaktion bei der Befragung im Fernsehen.

Direkt nach ihrem Auftritt, mit schweißnassen Haarsträhnen im Gesicht, stellte sich Korsun live den Juryfragen. Eine davon kam von Jamala, der ESC-Siegerin von 2016, die damals mit ihrem Lied "1944" über das Schicksal der Krimtataren unter Sowjetherrschaft gewann. Musikalische Darbietung hin oder her, sagte Jamala, eine Frage brenne ihr auf dem Herzen, eine des Gewissens: "Folgende Situation: Du bist in Tel Aviv, vor dir 2000 Journalisten, und einer fragt: 'Gehört die Krim zur Ukraine?' Was sagst du?" Korsuns Antwort darauf, "natürlich zur Ukraine", schien den Kritikern nicht genug zu sein. Es müsse geklärt werden, wie das Verhältnis zum "Aggressor", sprich Russland, sei. Als der Moderator die Kandidatin auf Ukrainisch fragte, wie ihr Patriotismus sich mit den Auftritten in Russland vereinbaren lasse, antwortete sie auf Russisch - eine gängige Sprache in der Ukraine -, sie trete zum Song-Wettbewerb an und nicht zu einer politischen Wahl.

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Die bohrenden Fragen zielen auf eine simple Erkenntnis ab: Steht man unter ukrainischer Flagge auf der Bühne, kann man sich nicht um den russisch-ukrainischen Konflikt herumwinden. Korsuns Fall zeigt wiederum, dass nicht alles, auch nicht die glitzernde und mit elektronischem Beat unterlegte Welt des Pop, sich aufteilen lässt in pro- und antirussisch.

In den sozialen Netzwerken erhitzten sich die Gemüter, der ukrainische Vizeministerpräsident Wjatscheslaw Kyrylenko schaltete sich mit Kritik per Twitter ein, das Kulturministerium schrieb, es wolle Patrioten zum ESC entsenden. Der ukrainische Sender stellte Korsun ein Ultimatum mit vielen strengen Bedingungen, etwa dem Verbot der Kommunikation mit Journalisten ohne Absprache, der Abgabe der Rechte an den ukrainischen Sender und einem Improvisationsverbot. Maruv wollte darauf nicht eingehen.

Sie zeigte sich zwar bereit, die Konzerte in Russland abzusagen und die Ausgaben für den Auftritt selbst zu tragen, aber das spielte keine Rolle mehr. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb sie: "Ich bin eine ukrainische Staatsbürgerin, zahle Steuern und liebe die Ukraine aufrichtig. Ich bin aber nicht bereit, meinen Auftritt in eine Promo-Aktion unserer Politiker zu verwandeln. Ich bin eine Sängerin und kein Einsatz auf dem politischen Spielfeld." Jetzt steht auf der Kippe, ob die Ukraine dieses Jahr am ESC überhaupt teilnimmt.

Zuvor hatte auch schon das Sängerinnenduo Anna Maria Unmut ausgelöst und viele Stimmen verloren, weil es sich in einem Interview nicht eindeutig gegen die Annexion der Krim aussprach. 2017 gab es ebenfalls Streit: Der ESC sollte in Kiew stattfinden, Russland schickte die im Rollstuhl sitzende Sängerin Julia Samojlowa, die zwei Jahre zuvor auf die Krim gereist war. Das gilt in der Ukraine als illegal. Samojlowa wurde die Einreise verwehrt und Russland konnte sich als Beleidigter zurückziehen.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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