"Diese Ochsenknechts" bei Sky:Echt wie Lipgloss

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"Ich bin sozusagen die Mutter von Natascha", Bärbel Wierichs (Mitte) mit Enkelin Cheyenne (rechts) und Tochter Natascha Ochsenknecht. (Foto: Clara Margais/dpa)

Die begnadete Selbstdarstellerfamilie Ochsenknecht kann man jetzt in einer Reality-Soap besichtigen. Alle sind da. Bis auf einen.

Von Hilmar Klute

Am Anfang hat man ein bisschen Angst, zu diesen Ochsenknechts zu gehen, und sei es auch nur als Zuschauer bei einer Reality-Soap auf Sky. Es ist wie der, nach vielen, irgendwann ziemlich schal gewordenen Ausflüchten unumgängliche Besuch bei der peinlichen Verwandtschaft. Beim Hinfahren hatte man schon viel Ballast abgeworfen, indem man sich gegenseitig die Namen zum Wegprusten zugeworfen hat: Cheyenne, Natascha, Jimi Blue, Wilson Gonzales. Kurz vor der Ankunft dann der Ordnungsruf in eigener Sache: Krieg dich wieder ein, Namen sind Schall und Rauch, dein eigener klingt auch nicht besser, und die Ochsenknechts sind immerhin berühmt. Wo es hingeht? Nach Dobl in Österreich, dort wohnen Cheyenne und Nino.

Cheyenne ist, genau wie Jimi und Wilson, die Tochter von Natascha und Uwe Ochsenknecht. Sie ist Anfang zwanzig und hat mit Nino - sie sagt es selbst in der Sendung - "'n fucking Kind". Dieses Kind übrigens, sagt Nino, der aus Dobl stammt, "ist passiert trotz Spirale. Für mich ein Zeichen von Gott". Also schön: Gott sendet Zeichen direkt in die Spirale, und in Dobl treffen sich die Ochsenknechts auf dem schönen Anwesen von Ninos Vater, dem Rinderzüchter. Das wirklich Schöne daran ist: Alle Ochsenknechts sind da, alle bis auf einen. Uwe Ochsenknecht habe "sein eigenes Leben und seine anderen Projekte", erzählte Natascha Ochsenknecht dem Stern. Jedenfalls wirkt das nicht so, als fehle er sehr in der Sendung mit diesen megaprolligen Ochsenknechts, die so heißen wie er.

Wilson Gonzales sagt, er möge auch Kunst und Kultur und Kartoffeln mit Quark

Diese Ochsenknechts ist eine raffinierte Reality-Serie, ähnlich clever gemacht wie Die Geissens, die man ja sowieso in Verdacht hat, sie würden ihre Botox-wuchtige Prolligkeit nur vor der Kamera inszenieren und sich im normalen Côte-d'Azur-Alltag Verse von Paul Valéry zuflüstern. So ähnlich ist es bei der Familie Ochsenknecht, deren einzelne Mitglieder sich in der ersten Folge schön der Reihe nach präsentieren wie die Figuren in einem Stück von Yasmina Reza. Natascha erklärt den Zuschauern, dass die meisten Menschen sie für schön, aber dumm hielten und erst nach einer Weile spitzkriegten, dass sie etwas auf dem Kasten habe. Wilson Gonzales sagt, er möge auch Kunst und Kultur und Kartoffeln mit Quark. Jimi Blue ist der solide Typ. Und wenn er von fiesen Antifans auf Social Media beschimpft wird, dann ficht ihn das durchaus an, und er lässt Auszüge daraus zitieren. Lustigerweise unterscheidet sich der Sound der Beschimpfungspost kaum vom Wortschatz der Ochsenknechts. Aber darum geht es nicht, in dieser Dokumentation des sogenannten echten Lebens, dessen Protagonisten manchmal selbst nicht daran glauben, dass es echt ist, was sie sind und tun.

Nataschas sehr fitte achtzigjährige Mutter sagt von sich: "Ich bin sozusagen die Mutter von Natascha." Als hätte ihr ein Coach empfohlen, ein bisschen postmoderne Identitätskasperei auszuprobieren, weil das immer zieht. Die Mutter geht Natascha auf die Nerven, Natascha nervt die Kinder, aber Jimi Blue sagt, dass alle in der Familie sehr gute Connections miteinander hätten, allerdings: "Ganz normal sind wir alle nicht".

Cheyenne Ochsenknecht: "Ich möchte so rüberkommen, wie ich wirklich bin: einfach scheiße." (Foto: Jennifer Endom/Sky)

Das ist der Refrain: Alle sind komplett verrückt, halten wie Pech und Schwefel zusammen und haben bei aller Berühmtheit die Beine fest auf dem Boden. Dabei sind sie eigentlich nur einigermaßen reich und ein bisschen vulgär. Cheyenne, die Jüngste, hat das übrigens am besten begriffen. Aus dem Off (zu sehen ist der hübsche kleine Bauernhof) kommt ihr Credo: "Nur noch Lipgloss, dann bin ich fertig."

So ist es. Die Ochsenknecht sind begnadete Darsteller ihrer selbst; sie wissen sich mit ein paar groben Strichen zu zeichnen und haben die Geschichte ihrer Zurschaustellung perfekt auf dem Reißbrett präpariert. Cheyenne hatte Shootings für die portugiesische Vogue, für die französische auch. Prada, Chanel, "Luxustussi": "Ich möchte so rüberkommen, wie ich wirklich bin: einfach scheiße", sagt sie.

So klug wie Cheyenne hat keiner der Ochsenknechts die eigene Rolle ausgependelt. Außer Natascha vielleicht, die mit Weltenbummler-Gepäck aus - natürlich - Mallorca in Graz landet und schon am Flughafen auf Cheyenne, Nino und den kleinen fusseligen Pudel trifft, von dem sie später sagen wird, er sehe aus wie ein ausgelaufenes Ei. Cheyenne sieht aus wie Cheyenne. Sie trägt eine Art Froschhaut aus Stoff, und als sie in der Wohnung sind, kommt auch das Baby ins Spiel. Es hat zwei Zähne bekommen und Großmutter Natascha sagt den fabelhaften Satz: "Zwei Zehen hast du!"

Zwischen all die geschickt als Banalitäten ausgespielten Banalitäten montiert das Schicksal einen sehr guten Cliffhanger: Eines Tages stehen Herr Hinteregger und Frau Gruber von der Steuerfahndung vorm Tor und verlangen nach Jimi Blue. Der junge Ochsenknecht hat vergessen, auf Finanzamt-Forderungen zu reagieren, und jetzt hat ihn die österreichische Polizei am Wickel. Der Schrecken - inszeniert oder spontan, wer weiß das schon? - wird von Ochsenknecht zu Ochsenknecht weitergereicht, und am Ende weiß der Zuschauer: Er wird dranbleiben und sich die nächsten Folgen reinziehen müssen. Vorausgesetzt er liebt Kunst und Kultur und Kartoffeln mit Quark - mit anderen Worten: Er liebt die Ochsenknechts.

Diese Ochsenknechts, bei Sky.

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