Die Gehälter der ARD-Intendanten:Plötzlich so einfach

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Glasnost im Gebührenreich: Eine ARD-Anstalt nach der anderen veröffentlicht ihre Spitzengehälter. Langsam kehrt eine gewisse Transparenz ein - und der Druck auf die weiter Schweigenden steigt.

Hans Leyendecker

Die ARD, das "Erste", die Festung des deutschen Bildschirmjournalismus, hat zwei Intendantinnen und sieben Intendanten, und zu deren Aufgaben gehört es unter anderem, mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen, um sie erst gar nicht entstehen zu lassen. Reden die Herrschaften auch über ihre Gehaltsabrechnungen miteinander?

Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust verdient 273.000 Euro im Jahr. Unter den ARD-Intendanten ist er damit nicht der Spitzenverdiener. (Foto: ddp)

Seit Monaten stand fest, dass der WDR aufgrund eines novellierten Gesetzes im August 2010 als erste Anstalt die Gehälter der Hausspitze veröffentlichen würde. Das geschah Anfang der Woche, und die Republik erfuhr, dass Monika Piel, die Chefin von rund 4300 Mitarbeitern ist, ein Grundgehalt von 308.000 Euro bezieht. Eine simple Frage drängte sich auf: Wie viel verdienen dann die anderen in den anderen Anstalten?

Das Gebilde ARD reagierte im ersten Sturm vorzugsweise verwirrt und gab sich überrascht. Sprecher diverser Anstalten verwiesen darauf, ihr Haus sei nicht der WDR, es gebe eine ganz andere Gesetzesgrundlage. Vielstimmig brachten sie Persönlichkeitsrechte oder andere Spezialitäten ins Spiel, die es ihnen leider unmöglich machen würden, die Gehälter zu veröffentlichen. Transparenz, ja - aber hinter Milchglasscheiben.

Auch Boudgoust verdient mehr als Merkel

Die Anfragen hörten nicht auf. Als erste verstand die RBB-Intendantin Dagmar Reim, dass Feuer ausgetreten werden müssen. Sie veröffentlichte ihr Jahresgehalt: 220.000 Euro. Nicht schlecht. Auch hatten CDU und FDP bereits in der Vergangenheit auf eine Veröffentlichung beim RBB gedrängt.

Dann, am Freitagmorgen, kam es zu einer regelrechten Glasnost-Bewegung in der ARD. Am fixesten war der SWR-Intendant und derzeitige ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust. Er ließ gleich wissen, dass er 273.000 Euro im Jahr verdiene: "Wir sind nicht verpflichtet, diese Zahlen zu veröffentlichen. Wir tun es, um die nötige Transparenz zu zeigen", erklärte eine Sprecherin des Senders. Kurz darauf gab NDR-Intendant Lutz Marmor bekannt, sein Jahresgehalt 2009 habe einschließlich einer Aufwandspauschale 286.000 Euro betragen. Anfang der Woche noch hatte der NDR eine genaue Auflistung verweigert.

Der Intendant des Saarländischen Rundfunks, Fritz Raff, ließ sein jährliches Gehalt von 210.000 Euro mitteilen. "Dabei ist zu beachten, dass dies bereits Fritz Raffs dritte Amtszeit ist, die von 2006 bis 2012 dauert", erklärte ein Sprecher. Was wollte er mit dem Hinweis sagen? Raffs Gehalt ist vergleichsweise beachtlich.

Den anderen Zwergsender, Radio Bremen, überkam auch das plötzliche Verlangen, "der Öffentlichkeit gegenüber Transparenz" zu zeigen, und er brachte die Summe von 297.000 Euro ins Spiel. Aber nicht für einen, sondern für zwei. So viel bekämen Intendant und Programmdirektor gemeinsam. Wie viel bekommt jeder exakt?

Die Bremer Winzlinge, die zum Gemeinschaftsprogramm der ARD nur noch 5135 Sendeminuten beitragen und von anderen Anstalten subventioniert werden, kennen noch viel bösere Fragen - wie: Warum gibt es die immer noch?

Der große Bayerische Rundfunk und der Mitteldeutsche Rundfunk spielen auf Zeit - sie wollen eine etwaige detailgenaue Veröffentlichung der Gehälter der Hausspitze mit den Gremienvertretern beraten. Nur der Hessische Rundfunk bleibt auf ganz altem Kurs: "Es gibt keine neuen Überlegungen zu diesem Thema", teilt der Sprecher mit und verweist auch auf Datenschutz-Aspekte.

Das gläserne Gehalt

Das macht man bei solchen Gelegenheiten gern, aber es ist nicht immer richtig. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar (Monatsgehalt knapp 10.000 Euro), ist der Meinung, die Anstalten, die hauptsächlich aus Gebühren finanziert werden, müssten der Öffentlichkeit die Gehälter mitteilen. Ausgespart werden könnten ein paar "persönliche Dinge wie zum Beispiel Kinderzuschläge".

Ihn erinnert das Verhalten einiger Intendanten an die Vorstände der gesetzlichen Krankenkassen, die 2008 erst durch das Bundesverfassungsgericht endgültig gezwungen wurden, die Gehälter anzugeben.

Wenn im quasi öffentlichen Raum auf Sicht alle Gehälter gläsern werden, dürfen auch die Bezüge für die Arbeit in Aufsichtsgremien nicht tabu bleiben. In der Piel-Bilanz von Anfang der Woche war unerwähnt geblieben, dass die Intendantin für Kontrolle bei der Bavaria Film GmbH, der Bavaria Fernsehproduktion GmbH und der WDR Mediagroup GmbH eine hohe fünfstellige Summe im Jahr zusätzlich erhält. Die Firmen geben die Vergütungen für alle Gremienmitglieder nur pauschal bekannt.

Die Intendantin habe in den vergangenen Aufsichtsratssitzungen bereits darum gebeten, so eine WDR-Sprecherin, dass die jeweiligen Bezüge offen gelegt und künftig "einzeln aufgeführt" würden. Insgesamt sind die ARD-Anstalten an knapp 150 Unternehmen beteiligt.

© SZ vom 14.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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