Im Schaufenster eines Cafés an der Münchner Türkenstraße gibt es etwas zu sehen. Da stehen drei Herren, reden und gestikulieren. Dann tippen sie etwas in ihre Notebooks, dann reden sie wieder. Wie sie da so stehen, so engagiert im Gespräch, könnten sie auch späte Studenten sein, die gerade eine gemeinsame Seminararbeit erörtern. Und auf besondere Art und Weise ist das nicht einmal so falsch. Die drei studieren gerade das Weltgeschehen, sie erörtern die politische Lage, und ihre Seminararbeit müssen sie spätestens am 3. Februar abgeben. Es ist allerdings nicht direkt eine Seminararbeit, eher eine Sendung, eine inzwischen sehr erfolgreiche Sendung.
Der Februartag ist ein Dienstag, und an dem läuft um 23.15 Uhr im ZDF Die Anstalt. Bis dahin müssen Claus von Wagner, Max Uthoff und Dietrich Krauß eine Stunde Programm auf die Bühne des schräg gegenüber gelegenen Arri-Studios zaubern. Im Februar feiert das Trio ersten Geburtstag, dann ist Die Anstalt ein Jahr alt.
Als Nachfolgeprogramm für die erfolgreiche Sendung Neues aus der Anstalt mit Urban Priol und Erwin Pelzig war es konzipiert. Nachfolgeprogramme haben es schwer im deutschen Fernsehen. Die meisten verblassen rasch beim schüchternen Versuch, sich am Bewährten aufzurichten. Nicht so Die Anstalt. Die legte sich vom Start weg mit vielen an, mit Politikern, mit Wirtschaftsweisen und mit Journalisten.
Auf der Bühne singt ein Chor von Flüchtlingen
In der Anstalt wurde die Steuerpolitik Luxemburgs ebenso durchgehechelt wie die Art der EU, mit Flüchtlingen umzugehen. Das war oft leidlich lustig, gelegentlich verletzend und fast immer von verblüffender Schärfe, weil sich die drei Macher angewöhnten, mehr mit Fakten als mit abgehangenen Ansichten zu jonglieren und so auch mal bislang unbeleuchtete Seiten zu erhellen. Es ging um windige Rentenversprechen und um die Frage, wo sich Journalisten gerne informieren. Es wurde Krieg gespielt, mit Schützengraben und allem Pipapo. Am Ende der Novemberausgabe stand ein leibhaftiger Flüchtlingschor auf der Bühne und sang zu Ehren jener, die im Mittelmeer ihr Grab gefunden haben, die eigene Verzweiflung heraus.
Da hätten sie aber ein bisschen unlauter auf die Tränendrüse gedrückt, hieß es hinterher. Irgendwer hat ja immer was zu nörgeln nach einer Sendung, die lustig und bedeutend zugleich sein soll. Gedanklich schlicht, mittelmäßig, abgestanden, so etwas bekommen Akteure bei solchen Sendungen gerne um die Ohren gehauen. So wie man sie an anderer Stelle als Putinversteher abstempeln wollte. Mit renommierten Journalisten fanden sich die Anstalts-Macher vor Gericht wieder, weil die Journalisten sich nicht richtig dargestellt sahen. Im Wesentlichen haben die Richter den Anstaltsmachern recht gegeben, und das ZDF hat ihnen den Rücken gestärkt.
Irgendwann ist die Debatte im Café-Schaufenster beendet. Dann geht es rüber in die Arri-Studios. "Redaktionskonferenz" sagen die drei beim Pförtner und bekommen einen Schlüssel. "Redaktionskonferenz" sagt Uthoff nachdenklich, als der Schlüssel den Weg zum Besprechungsraum freigibt. Das klingt ihm sichtlich zu anmaßend ein paar Tage nach den Anschlägen auf die Redaktionskonferenz bei Charlie Hebdo. Ja, auch hier geht es um Satire, aber Redaktionskonferenz?
Der Terror von Paris hat alles verändert
Es sind solche Momente, die zeigen, wie ernst den dreien ihr Anliegen ist. Sie machen das nicht eben mal so. Sie könnten auch woanders aktiv sein. Claus von Wagner hatte gute Jobs bei der Heute Show, und Uthoffs Bühnenprogramm lief so schlecht auch nicht. Aber sie wollen jetzt das hier. Sie glauben allen Ernstes, dass sie damit etwas verändern können in dieser Republik. Ja, so vermessen sind sie. Man darf sie dafür naiv schelten. Ist ihnen wurscht. Und im Angesicht der Anschläge? Sowieso.
Bis vor wenigen Tagen sah alles noch nach routinierter Themenfindung aus. Was macht die CSU? Was die FDP? Dann kam der 7. Januar, kamen die Anschläge von Paris. "Wir müssen und wollen uns mit dem Thema auseinandersetzen", sagt Uthoff, der allerdings froh ist, dass es bis zum Sendetermin noch eine Weile hin ist. "Jetzt schon eine Sendung zu machen wäre viel schwieriger", sagt der 47-Jährige. Natürlich kann man jetzt, drei Wochen vorher, noch nicht absehen, was sich bis zum Termin noch ändern wird. "Wir schreiben ohnehin viel für die Tonne", sagt Uthoff gelassen.
Drei Wochen lang schreiben die drei jeweils drei Tage, und wenn sie am Montag vor der Ausstrahlung die Generalprobe vor Publikum absolviert haben, ist lange nicht Schluss. "Dann gehen die anderen ZDF-Mitarbeiter nach Hause, und wir schreiben in der Nacht das Programm um", sagt Dietrich Krauß. Man spürt, dass sie das wirklich tun. Sie sind beim Fernsehen, und sie strengen sich an. Seltene Geschöpfe.