Dokuserie auf Netflix:Im dunklen tiefen Wald

Lesezeit: 2 min

Zwiesprache mit der Natur: Regisseur David Attenborough. (Foto: Gavin Thurston/Netflix 2021)

Auf Netflix: "Das Leben in Farbe" - eine neue, berauschende Serie des greisen Naturfilmers David Attenborough.

Von Joachim Käppner

Wie sich das wohl anfühlt, ein fingernagelgroßes rotes Erdbeerfröschchen zu sein, noch dazu "wenn du als kleiner, zarthäutiger und mundgerechter Happen im dunklen tiefen Wald lebst, in dem überall hungrige Tiere lauern?" Da hilft es ungemein, dass knalliges Rot den Räubern nicht etwa die Süße einer wohlgereiften Erdbeere verspricht, sondern etwas ganz anderes: Atemnot, Krämpfe, Ersticken. Der Frosch gehört zu den giftigsten Wesen, welche die Natur hervorgebracht hat, und, so erklärt es uns David Attenborough, "Feinde erkennen seine Farbe als Gefahr und gehen ihm aus dem Weg".

Der große alte Herr der Naturdokumentation hat es wieder getan: Seine neue, auf Netflix ausgestrahlte Serie widmet sich diesmal den Farben und ihrer Rolle in der Umwelt und im Leben der Tiere. Seine vielfach preisgekrönten Serien waren schon immer Feste der Farben, monumentale Feiern der Natur in all ihrer harten und oft grausamen Schönheit. Das Leben in Farbe setzt auf die bewährte Erfolgsrezeptur großartiger, durch Hightech ermöglichter Nahaufnahmen, orchestraler Musik und Attenboroughs Erzählstimme, die uns wie in einer Theaterinszenierung mitten in die Welt der Tiere hineinführt, in ihre Dramen und Geheimnisse.

Alle ihre Farben dienen dem Leben und dem Überleben

Der freundliche, bereits 94 Jahre alte Exzentriker David Attenborough ist nicht nur Naturforscher, Klimaschützer und Pionier der Tierdoku, dies meist für die BBC. Er hat mehr als zwei Dutzend Ehrendoktorhüte, ist Mitglied ehrwürdigster naturwissenschaftlicher Institutionen sowie Namensgeber für den Attenborough-Langschnabeligel ( Zaglossus attenboroughi). Laut BBC soll er einer der am weitesten gereisten Menschen der Welt sein, in tiefe Dschungel, auf die Gipfel des Himalaya und unberührte Inseln führte ihn die Leidenschaft seines Berufslebens, die Natur.

Und so auch diesmal. Attenborough berichtet, wie sich aus den ersten, noch tarnfarbigen Säugetieren, die in einer Umwelt aus Raubsauriern und Flugdrachen lieber nicht auffallen wollten, die heutige Farbenpracht der Kolibris, Flamingos, der Clown-Fangschreckenkrebse und Aras entwickelte. Alle ihre Farben dienen dem Leben und Überleben: als Abschreckung gegen Feinde und zur Anziehung von Geschlechtspartnern, als Locksignal für Beute oder, wie Attenborough hübsch am Beispiel der bemerkenswert übellaunigen Mandrill-Affen schildert, zur Inszenierung testosterongesteuerter Männlichkeit. Je intensiver Blau und Rot an ihren Köpfen leuchtet, desto klarer ist die Botschaft an andere Männchen: Get off my lawn, wie Clint Eastwood sagen würde.

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Netflix hat für manche seiner Dokuserien böse Prügel einstecken müssen, leider nicht immer zu Unrecht: Seifenopern, Sensationsmache, Faktenhudelei. Das Leben in Farbe ist eine grandiose Meisterleistung. Womöglich wird es jetzt wieder die üblichen Besserwisser geben, die behaupten, Attenboroughs für ein Millionenpublikum geschaffene große Bühne für die Natur verharmlose deren Zerstörung und Bedrohung. Das ist natürlich grober Unfug, weil sein Lebenswerk ein einziger Kampf gegen diese Bedrohung ist. Er zeigt uns, was wir sehr bald zu verlieren drohen, wenn wir so weitermachen.

Das Leben in Farbe. Netflix.

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