Unerlaubte Werbung?:Günther Jauch als Köder

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Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat ein Urteil des Limburger Landgerichts aufgehoben. (Foto: Uli Deck/dpa)

Das Bild des TV-Moderators war für Clickbaiting benutzt worden, das OLG hatte den Bauer Verlag zu einer Zahlung von 20000 Euro verurteilt. Nun verhandelt der Bundesgerichtshof über den Fall.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Günther Jauch als einen vorzüglichen Köder zu bezeichnen, klingt ein wenig despektierlich, aber für die unsentimentale Realität des Internet ist das schon richtig: Wer eine lange Leine mit Jauch am Haken wirft, der hat gute Chancen, dass die Leser anbeißen. Deshalb kommt es auch wenig überraschend, dass es der TV-Moderator höchstselbst ist - mithilfe seiner Anwälte -, der ein Grundsatzverfahren zum Ködern im Netz vor den Bundesgerichtshof (BGH) gebracht hat. Oder, wie es im Fachjargon heißt: zum Clickbaiting.

Clickbaiting ist, wenn man so will, eine ebenso konsequente wie bizarre Reaktion auf die Tatsache, dass Aufmerksamkeit im vor Informations- und Unterhaltungsangeboten stets berstenden Internet eine äußerst knappe Ressource ist. Man stellt ein irgendwie merkwürdiges Rätsel, das sich per Mausklick rasch lösen lässt, und erzeugt somit den gewünschten Traffic auf der Website. Der Anlass für Jauchs Klage hat freilich das übliche Niveau der Clickbaiting-Varianten deutlich unterschritten. Die Programmzeitschrift TV-Movie postete im August 2015 auf Facebook neben Jauchs Foto Bilder von Stefan Raab, Roger Willemsen und Joko Winterscheidt und textete: "Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen Krebserkrankung zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht". Die Reaktion war ein Shitstorm, nach zwei oder drei Stunden war der Post verschwunden. Der Bauer-Verlag entschuldigte sich und gab eine Unterlassungserklärung ab. Jauch klagte dennoch auf Zahlung von 20 000 Euro und bekam vom Oberlandesgericht Köln recht. Der Post liege "an der Grenze zu einer bewussten Falschmeldung" und bewege sich allenfalls am äußersten Rand der Pressefreiheit, fand das OLG.

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20 000 Euro für die 6650 Klicks, die der Post generiert hat? Der Bauer-Verlag legte gegen den stattlichen Stundenlohn Revision beim BGH ein. Aus Sicht von Jauchs Anwalt ist die Verwendung des Fotos indes nichts anderes als kommerzielle Werbung, ganz ähnlich wie in einem ebenfalls an diesem Donnerstag verhandelten Parallelfall. Dort hatte Sascha Hehn geklagt, weil Bild am Sonntag ihn als Traumschiff-Kapitän abgebildet hatte, als Köder für ein "Urlaubslotto", bei dem eine Kreuzfahrt zu gewinnen war. Alles purer Kommerz? Laut BGH liegt die Sache komplizierter. Schon richtig, es gehe in beiden Fällen um Werbung für eine Zeitschrift - doch dies sei prinzipiell von der Pressefreiheit umfasst, erläuterte der Senatsvorsitzende Thomas Koch. Das heißt nicht, dass jede Form der Reklame für ein Presseorgan automatisch erlaubt wäre. Den Ausschlag gibt vielmehr eine Abwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz.

Bauer-Anwalt Thomas Winter räumte zwar ein, dass der der Post mit der Krebserkrankung ziemlich verunglückt gewesen sei. Das Clickbaiting an sich aber hält er für eine internetgemäße Form, potenzielle Leser zu Inhalten hinzuführen. Würde man beispielsweise vier Fotos mit dem Hinweis versehen, eine von diesen vier Personen spende eine Million Euro an Unicef, dann sei dies ein starkes Mittel, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, ohne jemandem zu nahe zu treten. "Das hat nichts mit Irreführung zu tun, das erregt Neugier. So funktioniert das Internet."

Ob der BGH auf Winters Argumente einsteigt, dürfte fraglich sein. Der Vorsitzende Koch hielt sich zwar ziemlich bedeckt. Für die Zeitschrift spreche immerhin, dass Jauch sehr prominent sei und zudem nicht in seiner Privatsphäre betroffen. Der Haupteinwand gegen den Post ist allerdings, dass das Jauch-Foto keinerlei Informationswert für den Inhalt des Artikels hat, in dem Jauch nicht vorkommt; es ging um die Krebserkrankung von Roger Willemsen. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit - die Basis der Pressefreiheit - ist in diesem Fall äußerst gering. Rätsel, frotzelte Koch, könne man ja auch ohne Eingriff ins Persönlichkeitsrecht stellen: "Welche Katze hat das weichste Fell?" Ein Urteil wird in einigen Wochen erwartet.

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