BBC in Savile-Skandal unter Druck:Im Giftschrank

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Der 2011 verstorbene Entertainer Jimmy Savile war eine Legende der BBC. Vor kurzem kam ans Licht, dass er jahrzehntelang Frauen und Mädchen missbraucht haben soll. Bei der BBC selbst wurde im vergangenen Jahr ein Film mit entsprechenden Anschuldigungen zurückgehalten, nun rückt der Sender selbst in den Mittelpunkt des Skandals.

Christian Zaschke, London

Der Eingang zu den BBC-Gebäuden in London: Der Sender sieht sich im Skandal um Jimmy Savile nun selbst beschädigt. (Foto: Getty Images)

Die BBC-Sendung Newsnight ist das Flaggschiff unter den vielen Nachrichten-Programmen des britischen Senders. Die Moderatoren und Reporter gelten als besonders furchtlos, bissig und kompetent. Seit allerdings an diesem Montag der Chefredakteur einstweilen zurücktreten musste, ist der Ruf der Sendung und damit auch der Ruf der BBC schwer beschädigt.

Als Newsnight-Chef hatte Peter Rippon im vergangenen November dafür gesorgt, dass ein investigativer Film über den Entertainer, BBC-Moderator und DJ Jimmy Savile nicht ausgestrahlt wurde. Savile, der im Oktober 2011 gestorben war, gehörte zu den Legenden der BBC, er galt als Kauz mit großem Herzen. In dem Film wurden jedoch schwere Anschuldigungen erhoben, mehrere Frauen berichteten, Savile habe sie sexuell belästigt oder missbraucht.

Anfang Oktober dieses Jahres hat der Konkurrenzsender ITV einen Film über Savile ausgestrahlt, in dem mehrere Frauen diese Vorwürfe wiederholen. Seitdem kommen immer neue Details ans Licht, die Polizei beschreibt Savile als "beutehungrigen Täter", der innerhalb von 40 Jahren womöglich bis zu 200 Frauen und Mädchen belästigt oder missbraucht habe, darunter viele Minderjährige. Die beiden großen Fragen innerhalb der BBC sind nun: Erstens, wie kann es sein, dass jahrzehntelang niemand im Sender Saviles Taten bemerkt hat? Zweitens, warum wurde der Bericht im vergangenen Jahr nicht gesendet?

Falsche Aussagen

Um diesen Fragen nachzugehen, hat BBC-Generaldirektor George Entwistle jetzt zwei unabhängige Untersuchungs-Kommissionen eingesetzt. Die erste kümmert sich um die Frage, warum Newsnight den Film nicht sendete; sie wird vom ehemaligen Sky-Nachrichtenchef Nick Pollard geleitet, also einem früheren Redakteur der Konkurrenz. Im Dezember soll sie erste Ergebnisse vorlegen. Die zweite Kommission wird von einer ehemaligen Richterin geleitet. Sie soll sich mit der Kultur befassen, die in der BBC herrschte, während Savile dort arbeitete. Im Frühjahr 2013 wird sie Bericht erstatten.

Dass Newsnight-Chef Peter Rippon für die Zeit der Untersuchungen zurücktreten musste, liegt daran, dass er in einem Blog offenbar ungenaue oder irreführende Angaben zur Absetzung der Sendung gemacht hat. Nach der Ausstrahlung des ITV-Beitrags Anfang Oktober, der weitreichende Ermittlungen der Polizei ausgelöst hat, waren erste Fragen nach dem nicht gesendeten Newsnight-Film aus dem Vorjahr aufgetaucht. Rippon hatte unter anderem erläutert, alle im Beitrag auftretenden Personen hätten bereits mit der Polizei gesprochen, man hätte deren Ermittlungen nichts hinzufügen können. Zudem hätte es keine Hinweise auf eine Beziehung von Saviles Taten und der BBC gegeben. Beide Aussagen seien falsch, teilte die BBC am Montag mit. Die Autoren des Films wiesen zudem darauf hin, sie hätten sich einfach gefragt, ob Savile pädophil war - und das habe ihr Film beweisen können.

Die gebührenfinanzierte BBC steht unter großem Erklärungsdruck. Am Montag schaltete sich Premierminister David Cameron ein und sagte: "Es ist beunruhigend, dass die BBC nun de facto ihre Begründung ändert, warum sie den Beitrag über Jimmy Savile nicht gezeigt hat. Das sind ernste Fragen, die jetzt beantwortet werden müssen." Statt des investigativen Beitrags, der die Wahrheit über den geadelten Entertainer enthüllte, zeigte die BBC im Dezember ein munteres Weihnachts-Spezial mit früheren Auftritten Saviles.

Auch dazu wird sich BBC-Generaldirektor George Entwistle äußern müssen, wenn er an diesem Dienstag vor dem Kultur- und Medienausschuss des Parlaments auftritt. Entwistle, der erst seit gut einem Monat Generaldirektor ist, war damals für die komplette Fernsehsparte der BBC verantwortlich.

© SZ vom 23.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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