"Kevin Can F**k Himself" auf Amazon:Späte Rache

Lesezeit: 2 min

Kevin muss sterben: Um der persönlichen Comedyshow ihres Mannes Kevin (Eric Petersen) zu entkommen, plant Allison (Annie Murphy) einen Mord. (Foto: Jojo Whilden/AMC)

In klassischen Sitcoms trotteln Männer als liebenswerte Hauptfiguren durch den Alltag, Ehefrauen sind oft Beiwerk. Damit bricht "Kevin Can F**k Himself".

Von Dennis Müller

Ja, mit dem Titel Kevin Can F**k Himself darf sich Kevin James wohl angesprochen fühlen. Der Hollywoodstar, bekannt geworden als tollpatschiger Paketbote Doug Heffernan in der Comedyserie King of Queens, steht für den Typ Mann, auf den es die Amazon-Serie abgesehen hat. James wollte 2016 bei CBS an seine Sitcom-Anfänge anknüpfen. Nur war Kevin Can Wait ein derart uninspirierten Abklatsch, dass ihm das Publikum weglief. Vielleicht weil: Er ließ seine Serien-Ehefrau in der Staffelpause sterben und Darstellerin Erinn Hayes feuern. Als Ersatz kam Leah Remini, die schon in King of Queens seine Gattin Carrie gespielt hatte. Sitcoms sind Männerwelten.

Drei Jahre nachdem Kevin Can Wait abgesetzt wurde, kommt nun die Racheserie für alle Sitcom-Ehefrauen. Kevin Can F**k Himself, auf Amazon Prime Video, zeigt die Welt hinter den Lachern aus der Konserve. Im Mittelpunkt steht Allison (Annie Murphy), die der Comedyshow ihres Mannes Kevin (Eric Petersen) entkommen will. Ihr Plan: Damit sie leben kann, muss Kevin sterben.

Kevin ist ein Kerl der Marke Al Bundy: Nach der Arbeit (er verkauft Kabel, Bundy Schuhe) trifft er sich gerne mit seinen Kumpels. Sie reden über Football, tragen Sportklamotten, ohne Sport zu machen, und trinken Bier, ohne sich die Flaschen selbst zu holen. Dafür ist Allison zuständig, die mit Kevin eigentlich lieber über ihren Jahrestag sprechen würde. Dem schiebt Kevin einen Riegel vor, indem er Allison sein leeres Glas einfach zuwirft, begleitet von einem Publikum, das sich schieflacht. Sitcom-Setting. Aber als sie die Küche betritt, verstummt das Gelächter schlagartig und die bunte Sitcom-Welt verblasst. Allison starrt in die Kamera, ihr Herz pocht wie verrückt, und sie zerdeppert Kevins Glas.

Da ist die heitere Sitcom-Welt des Mannes und die graue Realität der Frau

Diese Übergänge zwischen den beiden Welten sind die stärksten Momente der Serie. In der einen ist Kevin der König, Petersen spielt ihn als charismatisches Riesenbaby, dessen saublöden Sprüchen jeder erliegt - bis auf Allison. Sobald sie in Szenen mit ihm zu sehen ist, passt sich die Serie auch handwerklich der Sitcom-Machart an: Neben den eingespielten Lachern gibt's Indie-Geklimper unter Bildern der Vorstadt-Idylle. In Allisons Welt jedoch wechselt die Serie von ihrem Multikamera-Set-Up zu nur einer Linse, die sie durch Worcester begleitet, einem kleinen Ort in Massachusetts, der weit weniger einladend ist als es Kevins Sitcom-Optik vermuten ließe. Indem sie Allisons Mordversuch als Odyssee durch den grauen Nordosten der USA zeichnet, gelingt Serienmacherin Valerie Armstrong nebenbei das Porträt einer düsteren Gegend.

Trotz der tollen Machart hätte sich die Serie eine Sache bei dem Genre abschauen sollen, das die Serie so aufs Korn nimmt: Sitcom-Folgen sind mit etwa 22 Minuten angenehmer strukturiert, die doppelt so langen Episoden rechtfertigt die neue Serie nur selten. Ein Makel, den die Macherinnen womöglich in Staffel zwei beheben könnten, US-Heimatsender AMC hat Kevin Can F**k Himself vor wenigen Tagen verlängert.

Kevin Can F**k Himself, bei Amazon Prime Video.

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