Am Set von "Stromberg":Betriebsausflug mit Ernie und Bernd

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Als "Stromberg" spielt Herbst einen fiesen Chef und Sprüche-Klopfer. (Foto: dpa)

Manches ist anders, aber nicht alles: Stromberg, der vielleicht schrecklichste Chef der Welt, und seine Kollegen dürfen im Kino auftreten. Dem Format der Serie wollen sie treu bleiben und bekamen überraschende finanzielle Unterstützung. Ein Besuch bei den Dreharbeiten.

Von Hans Hoff

"Alle unter die Tische oder raus." Der Aufnahmeleiter lässt keinen Zweifel daran, dass es nun ernst wird. Also verkrümeln sich alle Anwesenden unter die Schreibtische und nehmen Kontakt auf mit der schmuddeligen Auslegeware, die viel sagt über die Geschichte dieses öden Büros. Auch Christoph Maria Herbst muss sich hinhocken. In seinem beigen Anzug sieht er wieder aus wie Bernd Stromberg, der Bürofiesling vom Dienst. Es wird gedreht. Tag zwölf der Produktion des Kinofilms zur Pro-Sieben-Serie Stromberg. Im Februar 2014 soll ins Kino, was gerade in Köln-Braunsfeld aufgenommen wird.

Das freie Feld braucht im Moment Ernie, der Büronervling bei Stromberg. Am Ende der fünften Staffel ist er aufgestiegen zum Abteilungsleiter bei der fiktiven Capitol-Versicherung. Nun will er sich lieb Kind machen und dirigiert ein Mitarbeiterensemble von Orffschen Ausmaßen. Blockflöten, Wandergitarre, alles dabei, was Büro-Feiern oder -Geburtstage gemeinhin zur Folter macht. Dazu hat Ernie ein Gedicht parat: "Was für Deutschland die Regierung/ist hier die Schadensregulierung/Jeder arbeitet hier gern/und die Kunden fühlen sich wohl/Meine Damen, meine Herren/Willkommen in der Capitol."

Bjarne Mädel muss sich gerade sehr konzentrieren. Das preisgekrönte Multitalent ( Mord mit Aussicht, Tatortreiniger) spielt den Ernie und hat sich für die Szene einen kleinen Rhythmusstolperer zurechtgelegt. Weil der Ernie im sozialen Miteinander eben sehr viel Wollen und wenig Können ist. Nun mögen Regisseur Arne Feldhusen und Produzent Ralf Husmann diesen Stolperer aber lieber nicht haben. Also muss Ernie im Takt bleiben. Mädel sieht das ein, weil ihm seine Figur am Herzen liegt.

In der vierten Stromberg-Staffel war Ernie depressiv, in der fünften beinahe das Gegenteil. "Ich habe schon angefangen, mich über die Figur zu ärgern", sagt Mädel in einer Drehpause. "Der Film ist die Chance, den Ernie auch wieder anders zu zeigen."

"Wir bleiben uns treu"

Manches ist anders, weil jetzt Film ist und nicht mehr Fernsehen. Manches, aber nicht alles. "Wir erfinden den Stromberg nicht neu. Wir bleiben uns treu. Aber die Amplituden sind andere", sagt Herbst und lotet die Ausschläge gleich aus. "Es geht tief in den menschlichen Keller, und gegen Ende wird es sogar weltpolitisch." Mehr wird nicht verraten. Höchstens die Tatsache, dass die Belegschaft auf eine Art Betriebsausflug geht. Für Ralf Husmann eine logische Folge des neuen Mediums. "Wenn wir den Film komplett im Büro erzählen würden, wäre es ja einfach nur eine lange Stromberg-Folge", sagt er.

Husmann ist nicht nur der Produzent, sondern auch der Autor von Stromberg. Er macht sich natürlich auch Gedanken über ein mögliches Publikum für den Kinofilm. "Wir wollen die Fans mitnehmen und die abholen, die noch nie eine Folge gesehen haben", sagt er und beschreibt die bislang bekannte Zielgruppe der Fernsehserie Stromberg. "Unsere Fans kommen sowohl vom Feuilleton als auch vom Schulhof", sagt er, will sich aber fürs neue Medium nicht festlegen. "Letztlich ist es absurd, darüber nachzudenken, welche Zielgruppe man bedienen will. Wir machen das so, wie wir es lustig finden", kündigt er an und sucht dann den Bezug zu den Simpsons. Da sei es auch gelungen, den Film zur Serie erfolgreich zu machen.

Eine Szene weiter schaut sich Bernd Stromberg das gruselige Musizieren des Büro-Ensembles an. Natürlich trägt er wieder diesen Hauch von Abscheu im Gesicht, diesen Menschenekel, dieses institutionalisierte Nichtverstehen eines sozialen Miteinanders. Das Klobrillenbärtchen und die Halbglatze, die Herbst spazieren trägt, verstärken diesen Eindruck. Zwei Monate vor den Dreharbeiten hat er sich eine Glatze geschoren, ist dann in einen langen Urlaub gefahren und als Ekel zurückgekehrt.

"Der Papa ist back. Hammer", sagt er nun und sieht den Film als Karrieresprung für seine Figur: "Das ist ein Ritterschlag für den Bernd." Auf die Frage, was denn anders ist beim Film, sagt er erst einmal "nichts", dann ergänzt er: "Ich sage nicht, dass ich mich nicht anstrenge, aber an meiner Haltung ändert sich nichts, nur weil wir jetzt Film machen."Er lobt den veränderten Arbeitsrhythmus. Beim Fernsehen müssen fünf Minuten am Tag gedreht werden, für den Film an 30 Drehtagen jeweils nur drei. "Am liebsten würde ich Stromberg nur noch als Film drehen."

Auf die Frage, wie schnell er sich von Christoph Maria Herbst in Bernd Stromberg verwandeln kann, antwortet der Hauptdarsteller nicht mit Worten. Er schnippt nur kurz mit den Fingern. Obwohl er seine Arbeit mag, ist ihm privat die Figur des Büroekels schon ein wenig lästig. Deshalb kommt die Antwort auf die Frage, wie schnell Bart und Kranzglatze nach Drehschluss verschwinden, wie aus der Pistole geschossen: "Ganz schnell. Das ist eine Belastung für mein soziales Umfeld."

Überraschende Unterstützung

Stromberg als Film ist ein besonderes Projekt. Die Fans der Serie wurden im Netz um Spenden gebeten; innerhalb einer Woche kam eine Million Euro zusammen. Ursprünglich hatten die Akteure mit einer monatelangen Sammlung gerechnet und auf gerade mal die Hälfte des Betrages gehofft. Das restliche Geld bei Investoren und Filmförderern wie der Film- und Medienstiftung NRW einzusammeln, war danach beinahe ein Kinderspiel.

Nun hängt es an der Qualität des Films und am Interesse des Publikums, ob sich die Anteile rentieren. "Wenn wir eine Million Zuschauer schaffen, ist das ein Riesenerfolg. Dann bekommen auch die Investoren ihr Geld zurück", verspricht Husmann in Bezug auf die Spender aus dem Netz. Mit Prognosen zu einer Fortsetzung der Fernsehserie hält er sich zurück, sinniert aber auf Anfrage kurz über eine mögliche Marschrichtung. "In der bisherigen Form mit der Capitol und diesem Ensemble ist das durch", sagt er.

Die aktuelle Musik spielt in Köln-Braunsfeld im Büro. Ernie sagt zum x-ten Mal sein Capitol-Gedicht auf, und zum x-ten Mal setzt der Blockflötenterror ein. Dann weist er zwei Kolleginnen an, die ungelenk Cheerleader-Puschel schwenken: "Macht doch mal gleichzeitig synchron!" Gleichzeitig synchron! So ist er, der Ernie, der in seinem Büro eine Makramee-Eule und ein Kruzifix hängen hat, den Husmann schon mal als Rührei auf Füßen titulierte. Den Ernie, nicht den Jesus.

In einer Drehpause ist Zeit, über die 17 Schreibtische im Großraumbüro zu schauen. Da liegt eine Telefonliste aus, die Strombergs Durchwahl mit 7593 ausweist. Der Kantinenplan sieht für den Montag Rinderrouladen mit Rotkohlsoße vor, für 4,50 Euro. Man ist hier in Details verliebt. Überall stehen Pflanzen mit halbbraunen Blättern herum, die offensichtlich viel zu lange viel zu wenig Wasser bekommen haben. Sie werden zwischen den Drehs sorgfältig in der Produktionsfirma Brainpool zwischengelagert und mit Feingefühl auf Entzug gehalten, damit sie wieder als Kulisse herhalten können für Strombergs spezielle Form von betreutem Arbeiten. Alles ganz normal in diesem Büro. Und gerade deshalb so erschreckend.

© SZ vom 14.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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