"Mariah Carey's Magical Christmas Special":Mariah, Darling

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Statt einer Tour gibt es in diesem Jahr ein Carey-Christmas-Special. Begegnung mit einem Menschen, für den Weihnachten eine sehr wichtige Sache ist.

Von Juliane Liebert

Mariah Carey hasst es, früh aufzustehen. Nachts arbeiten macht ihr dagegen nichts aus, sagt sie. Es ist spätnachts in Los Angeles, von wo aus sie Videointerviews gibt, und die Briefings vorher sind scharf: keine persönlichen Fragen, kein Gossip. Das Einzige, worüber geredet werden darf, ist ihr neues Weihnachts-Special auf Apple TV. "Mariah Carey's Magical Christmas Special" heißt es, zu sehen seit Freitag, und unter den Gästen sind unter anderem Ariana Grande und Snoop Dogg. Anlass für die Show ist das Jubiläum zum 25-jährigen Bestehen ihres großen Weihnachts-Hits "All I Want For Christmas Is You". Über den darf man auch reden .

Ehe sie selbst auftaucht, wird man aber durch zwei Zwischen-Videochats geleitet. Der erste dient der Erklärung der Angelegenheit. Der zweite ist ein Warteraum-Chat mit Journalisten aus aller Welt - China, England, Japan, Frankreich. Sie alle sitzen in ihren viereckigen Kästchen auf dem Bildschirm und warten, bis sie aufgerufen werden. Nach einstündiger Wartezeit kommt dann der Link zu einem dritten Videochat, und in einem der kleinen Kästchen taucht Mariah Carey auf.

Thanksgiving? "Das ist unser ... amerikanisches Ding!"

Sie sitzt, strahlend, perfekt ausgeleuchtet und geschminkt auf einer Couch vor mit falschem Schnee bedeckten Tannen. Eine körperlose Stimme herrscht einen an: "Name! Medium!" Dann darf man 15 Minuten mit dem in Weihnachtsdeko gewickelten Weltstar reden.

Los geht's: Wie oft, schätzt sie, hat sie ihren großen Weihnachts-Hit in den 25 Jahren seit Erscheinen gesungen? "Keine Ahnung, du musst bedenken: Als ich den Song schrieb und produzierte, war ich sehr jung. Ich sang ihn während der Aufnahmen immer und immer wieder, bis ich jede Nuance kannte. Ich höre ihn jedes Jahr. Aber ich habe eine Regel: Ich versuche, ihn nicht vor Thanksgiving zu hören." Prüfender Blick. "Das ist unser ... amerikanisches Ding, das wiiiir tuuun ..." Sie dehnt die Silben dabei leicht. Schwer zu sagen, ob sie sich damit ein wenig über die USA und deren Angewohnheiten lustig macht oder überlegt, ob man in Deutschland weiß, was Thanksgiving ist. Dann ertappt sie sich dabei und beginnt zu lachen. Fängt sich. "Jedenfalls, ich versuche, auf die Weihnachtszeit zu warten." Eigentlich.

Dieses Jahr ist eine Ausnahme, denn sie arbeitet seit Februar an ihrem Weihnachts-Special. Bisher hat sie fast jedes Jahr eine Weihnachtstour gemacht. Es fehle ihr, live zu spielen, sagt sie. 2018 war sie in Berlin, mit Flügeln, Tänzern, Rentiergeschichten und allem. Dieses Jahr ist das anders. Viele Menschen werden dieses Jahr wegen der Pandemie einsam sein. "Nicht viele, wir alle", sagt Carey.

"Darling, es gibt ein Hörbuch!"

Dann präzisiert sie: "Wir alle werden dieses Weihnachten einsam sein. Es ist mir tatsächlich wichtig. Ich will, dass alle ihr Weihnachtsfest genießen. Wir wollten mit dem Special etwas erschaffen, das Menschen aller Altersgruppen, Ethnien, Herkunftsorte und Religionen erfreut und den Geist der Weihnacht fühlen lässt. Tut mir leid, aber das fühle ich."

Dann lacht sie wieder. Entschuldigt sie sich damit für ihren alle Religionen involvierenden Weihnachtsfilm? Oder lacht sie einfach die Absurdität weg? Sie wirkt jedenfalls nicht, als ob ihr irgendetwas leidtut.

Tut es nicht. Vor einigen Jahren wurde sie geradezu gejagt. Man lästerte über ihre Stimme, ihren Körper. Sie, die die gesamten Neunziger hindurch der Superstar schlechthin war, wurde verspottet - was nicht ungewöhnlich ist. Frauen, die ganz oben waren, werden oft hämisch behandelt, wenn sie älter werden. Carey hat sich davon nie beeindrucken lassen. Dieses Jahr hat sie ihre Autobiografie "The Meaning of Mariah Carey" veröffentlicht. Jetzt geht sie davon aus, dass man sie gefälligst auch gelesen hat. Oder wenigstens angehört. "Darling, es gibt ein Hörbuch!"

Dann erklärt sie: "Meine Liebe zu den Feiertagen kommt aus meiner Spiritualität, aber auch von dem kleinen, traurigen Mädchen, das wollte, dass Weihnachten großartig wird. Und dann kamen immer dieeeeeeese Leuuuuuute ..." - sie erklärt hier nicht, ob sie ihren gewalttätigen ersten Ehemann meint oder ihre Schwester, die Carey laut Autobiografie an einen Zuhälter verschachern wollte - "... in mein Leben und haben es ruiniert. Und ich habe mir damals geschworen, dass ich niemals zulassen würde, dass sie es ruinieren. Denn ich bin für mein eigenes Leben verantwortlich."

Für ihr eigenes Leben und ihre eigenen Feste. Carey liebt Weihnachten, aber was ist mit Ostern?

Es gibt unendlich viele Weihnachtsalben, aber hat sie je darüber nachgedacht, ein Osteralbum aufzunehmen? "Habe ich! Du bist damit nicht weit von der Wahrheit weg. Selbst wenn es eine Scherzfrage ist. Ich liebe JEDEN Feiertag. Ich habe mit verschiedenen Menschen darüber geredet. Es wäre nicht notwendigerweise ein Album, sondern ein Oster-Special. Ich verrate so was normalerweise nicht, aber ich hab da eine sehr konkrete Idee."

"Darling, deine Lichtsituation gefällt mir"

Carey ist berühmt dafür, eine divenhafte Gesprächspartnerin zu sein. Aber das, was sie da macht, muss auch harte Arbeit sein: All diesen Journalisten aus allen Winkeln der Welt im 15-Minuten-Takt Fragen zu diesem einen Song zu beantworten, das dürfte eine psychische Belastungsprobe sein. Aber sie nimmt es professionell. Was soll sie auch machen. Sie könnte den Weihnachtsbaum attackieren, aber das passt nicht zu ihrer Botschaft.

"Darling", sagt sie stattdessen, "deine Lichtsituation gefällt mir." Prüfblick: "Du bist nur eine Silhouette, und ich kann in Ruhe den Weihnachtsbaum ansehen." Ist das ein Kompliment an die Silhouette? An ihren eigenen Weihnachtsbaum? Beides? Sie lacht noch einmal, und man gönnt sie ihr, die hoffentlich dann wirklich stille Nacht, die kommt, wenn alle Interviews vorbei sind.

Mariah Carey's Magical Christmas Special auf Apple TV+

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