50 Jahre "Star Trek":Die Welt war nie mehr so gut wie im "Star-Trek"-Universum

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Freunde fürs Leben: Commander Spock (li., Leonard Nimoy) und Captain Kirk (William Shatner). (Foto: CBS Paramount International)

Vor 50 Jahren startete die Enterprise in den Weltraum, um freundliche Aliens zu finden. Über ein gnadenlos veraltetes und hochrelevantes Fernsehformat.

Von Kathleen Hildebrand

Was für eine Naivität. Eine Zivilisation steckt ihre besten Leute in enge Schlafanzüge, schickt sie weit hinaus ins All, in Regionen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Und was sollen sie dort? Sternennebel untersuchen, Zwergplaneten und Risse im Raum-Zeit-Kontinuum. Vor allem aber: Außerirdische kennenlernen und sich mit ihnen anfreunden. Ernsthaft?

Wer die vergangenen drei Jahrzehnte Science-Fiction in Kino und Fernsehen nicht komplett im Kryoschlaf verpennt hat, fasst sich bei dieser Idee erst einmal an den Kopf. Wir haben schleimige Riesenaliens gesehen, deren Brut aus Frauenbäuchen platzte. Böse Mini-Außerirdische in großen Exoskeletten wollten schon zwei Mal am Independence Day die Erde zerstören. Und in Men in Black schlüpfte eine galaktische Schabe in menschliche Körper wie in Handpuppen, um Unheil zu stiften.

Der Schöpfer von "Star Trek" war Motorrad-Polizist

Es ist diese Naivität, als würden ein paar schlaue Kinder den Wald hinter dem Elternhaus erkunden, die Star Trek , den Pionier der Mainstream-Science-Fiction, auch heute noch so liebenswert macht, fünfzig Jahre nach der Ausstrahlung der ersten Episode. Gerade weil die optimistische Zukunftsvision der Serienwelt so hoffnungslos veraltet erscheint. Wenn Autoren und Regisseure sich heute eine Welt in 100, 200 Jahren vorstellen, dann resultiert das zwangsläufig in Dystopien: im autokratischen System der Tribute von Panem oder der Zombie-Postapokalypse von The Walking Dead.

Den düsteren Visionen von der Zukunft eine helle Utopie entgegenzusetzen - diese Idee scheint auch den Serienmachern von Hollywood zu gefallen. Nachdem J. J. Abrams mit seinen Star Trek-Kinofilmen das Franchise wiederbelebt hat und das 50-Jahre-Jubiläum alle noch einmal an die Existenz der Enterprise erinnert, hat der amerikanische Fernsehsender CBS für Januar 2017 eine neue, sechste Serie angekündigt. Star Trek: Discovery wird sie heißen und eine Frau als Hauptfigur haben, die aber kein Captain ist.

Als Gene Roddenberry, ein Motorrad-Polizist, der nachts recht erfolgreich Drehbücher für Fernsehserien schrieb, in den frühen Sechzigerjahren Star Trek erfand, gab die Welt eigentlich nicht viel mehr Anlass zu Optimismus als heute. Der Kalte Krieg war in vollem Gange. Atombombentests zeigten, dass die Menschheit sich komplett auslöschen könnte. Und in den Vereinigten Staaten mussten Schwarze noch vielerorts andere Waschbecken benutzen als Weiße.

Und doch: Das reale Weltraumprogramm jener Jahre fachte eine Hoffnung auf die Zukunft an, auf die segensreiche Wirkung von Technik und Fortschritt, die weit über die Entwicklung von Teflonpfannen hinausging. Die Probleme waren gewaltig. Aber zumindest Gene Roddenberry erschienen sie - bis zum 23. Jahrhundert - mehr als lösbar.

Natürlich ging es in Star Trek nie wirklich um Weltraumforschung, auch wenn die Autoren von Anfang an großen Wert auf wissenschaftliche Plausibilität legten. Star Trek handelt vom Menschen. Von seinem Potenzial zum Guten wie zum Bösen, vor allem aber zum Guten. Roddenberry war Humanist. Der Glaube an Zusammengehörigkeit, an Mitgefühl und an die Akzeptanz des Fremden hat nicht nur die Episoden mit Kirk, Spock und Uhura geprägt, sondern alle vier Nachfolgeserien, sowie, in Maßen, die Star Trek-Kinofilme.

Auf der Brücke der Enterprise saß 1966 mit Kommunikationsoffizierin Lieutenant Uhura eine Schwarze. Ein Russe, Pavel Chekov, steuerte das Schiff - und ein diabolisch aussehender, gefühlsarmer Vulkanier war der wichtigste Berater des Captains. Man mag heute lächeln über die kurzen Röckchen oder die knallengen Overalls, die weibliche Figuren auf den Schiffen der Sternenflotte trugen. Aber allein ihre Anwesenheit im Kontrollzentrum fand Martin Luther King so wichtig, dass er Uhura-Darstellerin Nichelle Nichols überredete, die Rolle wegen ihrer positiven Wirkung auf eine nach wie vor rassistische Gesellschaft nicht aufzugeben. Nichols wollte 1967 nach der ersten Staffel hinschmeißen, es war ihr zu langweilig geworden, piepsende bunte Knöpfe zu bedienen.

In Star Trek - Das nächste Jahrhundert war von 1987 an der Maschinenraumchef nicht nur schwarz, sondern auch blind. Ein dunkelhäutiger Klingone war Sicherheitsoffizier und die telepathisch begabte Halb-Betazoidin Deanna Troi saß prominent zur Linken von Captain Picard. Als sie im Kinofilm Star Trek: Nemesis Commander Riker heiratete, waren alle nackt, denn so ist es Brauch bei den Betazoiden.

Das größte Integrationsprojekt dieser politisch wie philosophisch hochambitionierten zweiten Star Trek-Serie war aber ein anderes: die Menschwerdung des blassen Androiden Data. Durch seinen Körper floss kein Blut, sondern ein blinkendes Gemisch aus Elektronen und Positronen. Wenn er seine Katze Spot streichelte, schienen sich kurz Gefühle hinter seinen gelben Augen zu regen. Dann machte er eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf, und man wusste wieder: Da ist nichts, höchstes ein Bedauern darüber, nichts empfinden zu können. In der aufwühlenden Episode "Wem gehört Data?" trat sein Captain in einem Schiedsgerichtverfahren dafür ein, dass der Androide selbst entscheiden dürfe, ob er auseinandergebaut wird.

Darf man eingreifen, wenn der andere ganz anders ist?

Star Trek war immer politisch, es ging um Menschenrechte, Sklaverei, Sterblichkeit: die ganz großen Themen. Data, der neugierige Außenseiter, brachte, wie Spock, den fremden Blick auf die Menschen mit, der für Star Trek so essenziell ist: Was macht uns aus? Müssen die Dinge so sein, wie sie sind? Und darf man eingreifen, wenn der andere ganz anders ist und das auch bleiben möchte?

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Auf ihren Forschungsreisen treffen die Crews von Enterprise, Voyager und der Raumstation Deep Space Nine fremde Spezies. Solche, die keine Geschlechter kennen oder derer drei. Andere, die ausgewachsen aus Eiern schlüpfen und sich über die kleinen Wesen wundern, die "Kinder" heißen. Oder solche, deren Angehörige mit 60 Jahren freiwillig in den Tod gehen, um den Jungen nicht zur Last zu fallen.

Viele Bräuche mag man schrecklich finden, andere stellen die eigenen in Frage. Aber auch, wenn es wehtut, gilt immer die "oberste Direktive" der Föderation: Sie verbietet jeden Eingriff in die Entwicklung anderer Zivilisationen. Die der Menschen scheint derweil in einem paradiesischen Idealzustand angelangt zu sein. Jeder kann seine Leidenschaft zum Beruf machen, das Essen kommt aus dem Replikator, und für Geld interessieren sich eigentlich nur noch die hinterhältigen Ferengi mit ihren hässlichen Riesenohren und den angespitzten Zähnen.

Technische Errungenschaften wie den Kommunikator, Videotelefonie und den Phaser hat die echte Menschheit schon ganz oder ansatzweise in die Wirklichkeit geholt - Arte zeigt am 9. September in einer Dokumentation, wie weit die Wissenschaftler in der Entwicklung der restlichen Technik sind. Für die gesellschaftlichen Fragen haben wir noch gute 200 Jahre - und 703 Folgen von Star Trek.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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