Weltfrauentag:Frauenversteher, wohin man blickt

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"In Mathe bin ich Deko" - dieses T-Shirt nahm der Otto Versand mittlerweile aus seinem Sortiment. (Foto: screenshot)

Vor lauter Angst, einen Shitstorm zu provozieren, hält sich die Männerwelt an diesem Freitag bedeckt: Zum internationalen Frauentag überbieten sich Politiker, Filmstars und Fernsehmoderatoren mit frauenfreundlichen Bonmots. Ist das nun das neue Frauenverstehertum?

Von Titus Arnu

Wer heutzutage etwas über Frauen sagt oder schreibt oder auch nur am Rande andeutet, muss furchtbar aufpassen. Frauenfeindliche Witze gehen sowieso gar nicht. Ruckzuck befindet man sich im Auge eines Shitstorms.

Der Otto-Versand hat gerade ein Mädchen-T-Shirt aus dem Sortiment genommen, auf dem der Spruch "In Mathe bin ich Deko" aufgedruckt war. Fies! Diskriminierend! Sexistisch! #Aufschrei! Empörte Frauen haben die Facebook-Seite des Chauvi-Versandhauses so lange mit Kommentaren bombardiert, bis Otto das Shirt vom Schirm nahm. Das ebenfalls bei Otto erhältliche Jungen-T-Shirt mit der Aufschrift "Ich denke, bitte warten" scheint dagegen niemanden groß aufzuregen.

Ich denke, bitte warten! Dieses Motto kann einem in hysterischen Debatten vielleicht wirklich helfen. Wer schlau ist, denkt nach, wartet ab - und haut dann einen wohlformulierten Frauenversteher-Spruch raus.

Zum internationalen Frauentag an diesem Freitag überbieten sich Politiker, Filmstars und Fernsehmoderatoren mit frauenfreundlichen Bonmots. Frauenversteher, wohin man blickt, selbst FDP-Politiker Dirk Niebel lässt im Bunte-Interview durchblicken, dass er ein Frauenversteher sei, und seine Frau assistiert: Zuhause "muss er wie wir alle die Spülmaschine ausräumen, den Müll rausbringen oder auch mal einkaufen gehen," berichtet sie. Eine tolle, unheimlich moderne Ehe muss das sein bei den Niebels.

Noch viel weiter denkt aber die Hamburger Historikerin Rita Bake. Sie hat anlässlich des Weltfrauentags darauf hingewiesen, dass "im Gegensatz zu verdienstvollen Männern, deren Andenken bewahrt wird, weibliche Persönlichkeiten schnell in Vergessenheit geraten." Deshalb hat sie das Prinzip der Frauenfreundlichkeit in die Unendlichkeit weitergedacht - und auf das an sich geschlechtsneutrale Friedhofswesen ausgedehnt. Zusammen mit einem Verein hat sie den "Garten der Frauen" geschaffen, einen Bereich auf dem Ohlsdorfer Friedhof, in dem ausschließlich Frauen beigesetzt werden.

Seit zwölf Jahren gibt es das feministische Gräberfeld. Der Wunsch von Frauen nach männerfreien Grabstätten ist offenbar ziemlich groß: Für die Reservierung gibt es eine lange Warteliste. 300 Gräber, reserviert für tote Frauen!

Ist das nun das ewige, wahre Frauenverstehertum? Schwierig zu sagen, ohne einen neuen Shitstorm auszulösen. Bitte warten, ich denke.

© SZ vom 08.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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