Weihnachten in Fernost:Kauf dich glücklich

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Ein Fest mit viel Farbe und viel Neonlicht: Weihnachtsfrau-Parade im Tokioter Marunouchi-Geschäftsviertel. (Foto: Kazuhiro Nogi/AFP)

Tannenbäume, Geschenke und viel Bling-Bling in den Einkaufszentren: Auch in China, Japan und Südkorea feiert man Weihnachten. Es ist vor allem ein Fest von Kommerz und Konsum.

Von Christoph Giesen und Thomas Hahn

Für Bettina Roth-Tyburski und Marcus Tyburski ist der Weihnachtsfrieden Teil ihres Berufs. Deshalb können sie gar nicht sagen, dass ihnen in Japan etwas abginge während der Adventszeit. Das evangelische Pfarrehepaar teilt sich seit August 2018 die Stelle in der Kreuzkirche von Shinagawa. Mit den anderen Mitgliedern der Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache Tokio/Yokohama haben sie auch dieses Jahr wieder diese duftende Atmosphäre der Vorweihnachtszeit in ihre Ecke des Tokioter Häusermeeres gebracht, die sie aus ihrer Heimat kennen: Sie hatten ihren Adventsbasar mit Kerzen und importiertem Lebkuchen, Rudelsingen, Adventsgottesdienste. Und an Heiligabend wird die kleine Kirche erst recht erfüllt sein zum Gedenken der Geburt Christi. Außerhalb ihrer Christfestoase erleben sie Weihnachten allerdings anders. Nämlich "relativ sinnentleert", wie Marcus Tyburski sagt: "Wenn man auf die christlichen Inhalte schaut, ist es auf den Kopf gestellt."

Weihnachten in Fernost ist ein Fest mit viel Farbe und viel Neonlicht. Vor allem in den großen Städten Chinas, Japans und Südkoreas kann man es nicht übersehen, weil deren Konsummeilen sich pünktlich im November in eine blinkende, klingende Merry-Christmas-Landschaft verwandeln. "Sobald Halloween vorbei ist, ist am nächsten Morgen die Weihnachtsdekoration in den Geschäften", sagt Bettina Roth-Tyburski in Tokio. Von den Motiven der Heiligen Nacht, Kind in der Krippe, Maria und Josef in Bethlehems Stall, sehen sie und ihr Mann dann nichts zwischen den Armeen von Weihnachtsbäumen und Weihnachtsmännern in den Kaufhäusern und Wolkenkratzerfoyers. Aber Weihnachten ist da, das findet Marcus Tyburski gerade in Japan bemerkenswert.

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Christen sind in der Minderheit, und die Staatsreligion Shintoismus kennt natürlich keine Weihnachtsgeschichte. Der 24. Dezember ist für Shintoisten und die vielen japanischen Buddhisten ein Tag wie jeder andere. Trotzdem kommen manche Familien an dem Abend zusammen, es gibt auch Geschenke für die Kinder. "Weihnachten scheint irgendwie andockbar zu sein." Marcus Tyburski sagt es so, als sehe er in diesem Umstand ein Kompliment für das Christentum.

Vor allem scheint Weihnachten in Japan ein Verkaufsargument für die Konsumwirtschaft zu sein - genauso wie in China. Von den 1,4 Milliarden Menschen, die dort leben, sind 40 bis 100 Millionen Christen. Wie viele es genau sind, ist unklar. Die meisten von ihnen praktizieren ihren Glauben im Verborgenen.

Der Vatikan erkennt die katholische Kirche in China nicht an, weil die Kommunistische Partei die Bischöfe in China ernennt. Viele Protestanten wiederum treffen sich nur ganz zurückgezogen in Hauskirchen. Etliche davon mussten zuletzt schließen, Hunderte Pastoren wurden verhaftet.

Plastikbäume und Weihnachtsmusik in Endlosschleife: eine etwas bunt geratene Dekoration vor einem Pekinger Einkaufszentrum. (Foto: AFP)

Religion ist der Führung in Peking unheimlich. Weihnachten ist in China ein rein kommerzielles Fest und wird fast ausschließlich in den großen Städten gefeiert. Für viele junge Chinesen ist Weihnachten zu einem romantischen Feiertag für Paare geworden, man beschenkt sich und lädt sich zum Essen ein. Den tieferen Sinn kennt kaum einer.

Das wichtigste Fest für die Chinesen kommt erst noch, das Frühlingsfest findet in diesem Jahr genau einen Monat nach Weihnachten statt. Millionen reisen dann in die Heimat, essen mit den Verwandten, die Kinder bekommen rote Umschläge mit Geldscheinen. Bis dahin hört man in den Einkaufszentren Weihnachtsmusik in Endlosschleife, Plastikbäume werden aufgestellt und mit Kunstschnee dekoriert.

Chinas Führung nutzt Weihnachten zum Politikmachen - ohne viel Widerspruch

Nur wenige Läden in Peking bieten echte Tannen an - zu Mondpreisen, andernorts bekäme man vermutlich dafür einen ganzen Hain. Wobei: Inzwischen kann man Weihnachtsbäume auch online kaufen. Es gibt schließlich fast nichts, was man in China nicht im Netz kaufen könnte, selbst grobkörnigen Sand direkt vom Oststrand in Shandong bekommt man abgepackt in Fünf-Kilo-Säcke auf Wunsch zugeschickt. Warum nicht also auch einen Weihnachtsbaum? 1,50 Meter Tanne nebst Wurzel, eingewickelt in Schutzfolie, kosten aktuell 120 Yuan, umgerechnet gut 15 Euro. Man muss danach ein wenig zupfen und ziehen, bis die Zweige wieder in Form sind.

Weihnachten nutzt auch die chinesische Regierung - und zwar zum Politikmachen ohne allzu viel Widerspruch. Vor einem Jahr etwa peitschte die Führung in Peking das Gesetz zur Regelung von ausländischen Investitionen durch: Kurz nach Weihnachten, als die meisten ausländischen Manager im Heimaturlaub waren, erfolgte die erste Lesung im Ständigen Ausschuss des Volkskongresses. Wenn fast alle ausländischen Korrespondenten nach Hause geflogen sind, werden Anwälte verhaftet. In diesem Jahr geht es um Xinjiang, jene Region im Nordwesten Chinas, in der nach Schätzungen mehr als eine Million Uiguren in Umerziehungslagern interniert sind. Die Führung will sich dazu äußern. Der stellvertretende Leiter der Propagandaabteilung aus Xinjiang gibt eine Pressekonferenz, laut Einladung an Heiligabend. Wann auch sonst?

In den Fabriken an der Ostküste wird hingegen auf Hochtouren gearbeitet. 80 Prozent aller Weihnachtsartikel weltweit werden in der Volksrepublik hergestellt, 80 Prozent davon wiederum stammen aus Yiwu südlich von Shanghai. Fast alle Christbaumkugeln, das Lametta und die Elektrokerzen am Baum werden in dieser einen Stadt gefertigt. Yiwu hat sogar eine eigene Vereinigung der Weihnachtsproduktindustrie. Die größte Sorge des Verbands ist in diesem Jahr der Handelskrieg zwischen China und den USA. Die Strafzölle machen den Herstellern zu schaffen.

Kirschbäume mit rosa Lichtern? Das hat doch was

Das Pfarrehepaar Bettina Roth-Tyburski und Marcus Tyburski findet das Weihnachtsgeschäft auch in Deutschland anstrengend. Eigentlich sogar anstrengender als im ohnehin konsumorientierten Japan. Und dass die japanische Weihnachtsbeleuchtung nur kitschig wäre, würden sie so auch nicht stehen lassen. Am Fluss Meguro nahe der Kreuzkirche sind die Kirschbäume mit rosa Lichtern verziert. Es wirkt, als würden die Zweige leuchtende Blüten tragen. "Das hat abends was."

Trotzdem, die weihnachtliche Inszenierung wirkt etwas willkürlich. In einem Einkaufszentrum im Tokioter Stadtteil Ikebukuro schwimmen künstliche Fische im Nadelbaumdekor. Im Hinokicho-Park des noblen Stadtteils Roppongi hat ein Schmuckfabrikant unter dem Motto "Midtown-Christmas" eine aufwendige Installation mit Blaulichtteppich, weißen Lampions und Seifenblasen aufbauen lassen.

Südkoreanern würde das wohl auch gefallen. Nach einer Regierungsstatistik von 2015 gehören 44 Prozent aller Südkoreanerinnen und Südkoreaner einer Religion an. Die meisten von ihnen sind Christen, 45 Prozent Protestanten, 18 Prozent Katholiken. Trotzdem ist Weihnachten auch in der Hauptstadt Seoul ein Fest des Kunstlichts. Die Entwicklung des Weihnachtsbaums von der geschmückten Naturfichte zum Leuchtkegel mit wild wechselnden Farben ist hier vollzogen. Und im Stadtteil Gangnam sitzt vor einem Geschäft ein überdimensionaler Kunststoffhase im Nikolausgewand neben einem Christbaum. In Südkorea kann man eben erleben, was passiert, wenn Ostern und Weihnachten zusammenfallen.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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