Verschollene Liebesbriefe:"Ich habe immer mehr von Dir gehalten als von jedem anderen Mädchen"

Lesezeit: 4 min

Dieser Liebesbrief befand sich 72 Jahre lang in einem Banjo. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Manche Liebesbotschaften kommen ziemlich weit herum, etwa in einem Banjo. Andere kommen nie an. Oder erst Jahrzehnte später. Eine Auswahl.

Von Violetta Simon

Goethes intime Depeschen waren offenbar zu kostbar, um nur von einer Frau allein gelesen zu werden, und so füllen seine Liebesbriefe an Lotte ganze Bücher, genau wie Kafkas sehnsuchtsvolle Botschaften an Felice. Nicht auszudenken, hätten die beiden, oder aber Baudelaire oder Napoleon, ihre Briefe verschlampt. Es wäre nicht nur bedauerlich für die Angebeteten. Auch die Weltliteratur wäre um einiges ärmer.

So gesehen hat es mancher berühmte Liebesbrief ganz schön weit gebracht. Doch nicht jeder erreicht sein Ziel. Immer wieder gehen Briefe verloren, bleiben verschollen - oder kommen erst an, wenn es zu spät ist. Mitunter erfreuen sie aber auch jemanden, der gar nicht gemeint war. Oder sie tauchen am Ende doch noch auf, wenn längst niemand mehr mit ihnen rechnet. Eine Auswahl.

Anni und der Banjospieler - Liebesbrief im Instrument

Als Regina für ihren Freund Stefan ein altes Banjo ersteigerte, hatte sie keine Ahnung, wie viel tragische Liebe in dem Instrument steckte. Ein Restaurator, der es zum Reinigen auseinandernahm, entdeckte darin einen Brief aus dem Jahr 1946 - zusammengefaltet wie eine Ziehharmonika, eingeklemmt zwischen Holz und Metallring. Er war mit Bleistift geschrieben, voller Wehmut, und hatte 72 Jahre in in dem Banjo gewartet.

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"Nochmals Dank für die schönen Musikstunden, die du mir immer geschenkt hast", schreibt darin eine Frau namens Anni an ihren "Liebling", wie sie den Mann nennt. "Ich war in der Zeit, in der du kamst, immer sehr glücklich, und ich weiß auch, da du nicht mehr kommst, dass ich daran zugrunde gehe."

Wie aus dem Brief hervorgeht, war ihr Mann gestorben, der Sohn außer Haus. Umso schmerzlicher der Verlust des Geliebten - offenbar wollte sie sich das Leben nehmen. "Ich habe noch Tabletten, die reichen, um alles Leid zu vergessen", schreibt sie. "Bitte verzeihe mir, ich kann nicht anders."

Walter und Betty - Liebesbrief in der Mauer

Ein Amerikaner, der vergangenes Jahr beim Umbau seines Hauses in Massachusetts eine Wand aufbrach, staunte nicht schlecht: Zwischen den Steinen steckte ein Liebesbrief aus längst vergangenen Zeiten. Er stammt von einem gewissen Walter, geschrieben am 19. April 1944 an eine Frau namens Betty Miller. "Ich habe immer mehr von Dir gehalten als von jedem anderen Mädchen und tue das noch immer", heißt es darin. "Du bist die Einzige in meinem Herzen. Ich werde immer nur an dich denken."

Der Mann wandte sich daraufhin an einen Polizisten aus seinem Freundeskreis und bat ihn um Hilfe bei dem Versuch, "Miss Betty" den Brief zukommen zu lassen. Tatsächlich gelang es der Dienststelle Greenfield über einen Facebook-Aufruf, Bettys Familie kurz vor Weihnachten ausfindig zu machen. Doch die alte Dame war inzwischen gestorben. Ihrer Schwester zufolge soll Betty mit ihrem Walter zwar nie zusammengekommen sein. Ihr Leben sei dennoch glücklich verlaufen.

Virginia und Rolf - Liebesbrief vom Dachboden

Es war Mittagspause, und Virginia Christoffersen hatte noch ein wenig Zeit an diesem 4. Mai 1945. Also schrieb sie ihrem "geliebten Ehemann" im Büro auf der Schreibmaschine ein paar Zeilen. Sie habe von ihm geträumt, heißt es darin, und dass sie ihrem "favorite pin-up boy" deshalb einen Liebesbrief schreiben wolle. Denn Rolf Christoffersen diente bei der Norwegischen Marine, auf der anderen Seite des Atlantiks, weit weg von New Jersey. "Fühlst du dich ebenso einsam wie ich?" schrieb die junge Frau und schloss den Brief mit den Worten "bis dass der Tod uns scheidet". Doch er erreichte sein Ziel nie - und kam zurück mit dem Vermerk "Return to sender". Dort blieb er, mehr als 70 Jahre.

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Im Jahr 2017, das Haus der Christoffersens in der Hazel Avenue in Westfield, NJ wurde längst von einem anderen Paar bewohnt ( hier einige Fotos), entdeckte Melissa Fahy den Brief zwischen den Dielen auf dem Dachboden. Über Facebook waren die Christoffersens schnell ausfindig gemacht - in Kalifornien. Rolf war mittlerweile 96, Virginia war sechs Jahre zuvor verstorben. Die beiden hatten bis zuletzt eine glückliche Ehe geführt.

Und als Rolfs Tochter ihm den Brief vorlas (den einzigen, der noch existierte - alle anderen waren beim Umzug verloren gegangen), erreichten die liebevollen Worte, wenn auch mit 72 Jahren Verspätung, doch noch ihr Ziel: "Ich liebe Dich Rolf, wie die warme Sonne, und das ist es, was du bist in meinem Leben, die Sonne, um die alles andere sich für mich dreht".

Winnie und Eric ​- Liebesbriefe aus der Dose

66 Jahre sind fast ein ganzes Leben - so lange hat es gedauert, bis ein Ehepaar aus Großbritannien seine Liebesbriefe zurückbekam. Winnie und Eric Pashley hatten sich während des Zweiten Weltkriegs auf Thoresby Hall in der Grafschaft Nottinghamshire kennengelernt. Das Landgut, auf dem Winnie damals als Hausmädchen und Eric als Gärtner arbeitete, ist heute ein Luxushotel.

Im August 2010 fand eine Angestellte die Briefe zufällig in einem Gartenhaus, Eric hatte sie dort in einer Senfdose aufbewahrt. Die Hotelleitung machte die beiden ausfindig und lud sie zu einem Luxuswochenende ein. Im September 2010 überreichte man Winnie und Eric - die mittlerweile seit 61 Jahren verheiratet waren, fünf Kinder, elf Enkel und fünf Urenkel hatten - die Briefe.

Steve und Carmen - Liebesbrief hinterm Kamin

Steve Smith lernte Carmen Ruiz-Perez 1993 in einem Sprachkurs in Brixham kennen. Die Spanierin war als Austauschstudentin nach England gekommen. Das Paar verlobte sich, doch als Carmen nach Frankreich ging, zerbrach die Beziehung. Sie verloren sich aus den Augen. Jahre später schrieb Steve seiner großen Liebe schließlich einen Brief. Er frage sich, ob sie jemals wieder geheiratet hätte, steht darin. Und dass er sich freuen würde, wenn sie sich bei ihm melden würde. Den Brief schickte er an Carmens Elternhaus in Spanien. Ihre Mutter legte ihn auf dem Kaminsims ab, um ihn für sie aufzuheben. Doch wie das so ist mit Papierkram: Irgendwann rutschte er hinten runter und war weg.

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Erst 2009, als das Haus ihrer Eltern renoviert wurde, tauchte Steves Brief hinter dem Kamin auf. Sie schickten ihn an Carmen, die mittlerweile in Frankreich lebte. Trotz der Verzögerung verfehlte der Brief seine Wirkung nicht: Sie rief Steve an, es gab ein Wiedersehen, den ersten Kuss gleich am Flughafen. Als Steve und Carmen, beide mittlerweile 42, noch im selben Jahr heirateten, waren zwar 16 Jahre vergangen. Aber es war trotzdem nicht zu spät.

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