USA: Aufstieg und Fall einer Dynastie:Glanz, Gloria, Kennedy

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Mit Edward "Ted" Kennedy stirbt der letzte prominente Vertreter einer einst großen Dynastie. Ihren Glanz hat diese Familie schon viel früher verloren.

Ulrike Bretz

Die Familiengeschichte der Kennedys liest sich wie das Drehbuch zu einer politischen Soap Opera. Ein Drehbuch, in dem viel zu häufig und viel zu heftig übertrieben wird. Auch wenn die Kennedy-Frauen äußerst fruchtbar waren und viel Nachwuchs hervorgebracht haben - dass sich das Unglück und die Tragik derart ballt, ist auch für eine pittoreske Großfamilie nicht normal.

Zwischen Triumph und Trauer: Am 9. November 1960 erfahren die Kennedys, dass ihr bekanntester Sprößling, John F. Kennedy (Mitte), zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. (Foto: Foto: Getty Images)

Vielleicht sind es die unglaublichen Tragödien, die nicht nur das amerikanische Volk faszinierten.

Nun ist mit John F. Kennedys Bruder Edward der letzte prominente Vertreter dieser einzigartigen Dynastie gestorben. Er dürfte derjenige gewesen sein, der am häufigsten am Grab seiner Geschwister, Nichten und Neffen stand. Jemand, der die unzähligen Affären und Eskapaden seiner Verwandten miterlebt hat - und der eigene Skandale überstehen musste.

Er war das letzte große Mitglied eines Clans, der es geschafft hat, über Jahrzehnte hinweg den Eindruck zu vermitteln, die USA seien eine Monarchie, die Präsidentschaft ein Familienerbe und die Kennedys die Königsfamilie.

Gründungsvater dieser Familie war Joseph Patrick Kennedy Senior, ein Sohn irischer Einwanderer. Er tingelte durch Filmstudios, verdiente sein Geld mit Aktien und Alkoholhandel - und heiratete Rose Fitzgerald, die Tochter des Bürgermeisters von Boston.

Die Hochzeit des Draufgängers mit der Vertreterin der High Society war die Verbindung von Macht und Geld. Ein idealer Ausgangspunkt für alles, was folgte: Erfolg und Glamour, Führung und Selbstüberschätzung, Tragik und Unglück. Kennedy Senior erzog seine neun Kinder, wie ein Fußballtrainer eine Mannschaft führt: "Siege, siege siege!" Seine eigene politische Karriere als amerikanischer Botschafter in London hat er durch seine Sympathien für Adolf Hitler selbst ruiniert.

Was er nicht geschafft hat, sollten seine Söhne nun für ihn übernehmen.

Die andere Schlüsselfigur in der königlichen Familiengeschichte der Kennedys ist seine Frau Rose. Sie erzog ihre Kinder mit Zurückhaltung, stoischer Ruhe und strengem Katholizismus. Ihr Sohn John F. erzählte später, er sei von ihr nie umarmt worden. Die Sitten sind rau auf dem Familiensitz der Kennedys - jeder der Brüder wollte der beste sein.

Mit Ruhe ertrug Mutter Rose die Tragödien, die ihre Kinder ereilen. Es waren viele Tragödien. Sie steuerten viel Stoff zur Aura des schillernden Clans bei. Ein Clan, in dem machthungrige Männer sich selbst überschätzten und sich mit leichten Mädchen vergnügten, während sich ihre Ehefrauen mit Hochprozentigem trösteten. Ein Clan, in dem Frauen wie Rose die Zähne zusammenbissen: "Gott schickt uns keine Last, die wir nicht tragen können", sagte sie. Und Gott schickte viele Lasten.

1941 misslang eine neurochirugische Operation bei Tochter Rosemary - der umstrittene Eingriff hätte auf Wunsch des Vaters das rebellische Mädchen gefügiger machen sollen. Nach der Lobotomie war Rosemary auf dem geistigen Stand eines Kleinkindes - und wurde in den Augen des strengen Vaters ein noch größeres Hindernis. Sie kam in eine Anstalt nach Wisconsin und blieb fortan der ganzen Nation verborgen. 1944 kam Joseph, der älteste Sohn und eigentliche Hoffnungsträger der Familie, als Airforce-Pilot über England ums Leben. Die Kennedys machten weiter, das Machtstreben war übermächtig.

Dann die Katastrophe: Drei Jahre, nachdem der Aufstieg in die Politik-Elite perfekt war, wurde John F. Kennedy von Schüssen getroffen. Er war der Hoffungsträger der Familie, der im Weißen Haus die Füße auf den Schreibtisch legte, sein Hemd aufknöpfte und trotz vieler Krankheiten den charismatischen Kennedy-Glamour repräsentierte. Amerika jubelte ihm zu.

Die Stilikone Jackie lebte weiter, aber der König war tot. Die kollektive Bestürzung über seine Ermordung grub sich tief ins Gedächtnis der Amerikaner.

Auch spätere Schicksalsschläge in der Familie - die Ermordung seines Bruders Robert, des nächsten Hoffnungsträgers - lösten tiefes Entsetzen in der Bevölkerung aus. Der Niedergang der amerikanischen Königsfamilie war spätestens 1999 mit dem Tod des Kronprinzen John F. Junior besiegelt. Er stürzte mit dem Flugzeug auf dem Weg zur Hochzeit seiner Cousine ab.

Die nachfolgenden Drogeneskapaden, Affären, Unfälle, Straftaten, Krankheiten und Korruptionsgerüchte in der Großfamilie machten die Lage noch schlimmer. Das Sieger-Gen, das die Kennedys in sich zu tragen glaubten, war ausgestorben, das Erbe durchgebracht. Die Schicksalsschläge sorgten nur noch für traurigen Ruhm.

Der einstige Glanz, den John F. Kennedy mit der eleganten Jackie über die Familie und das ganze Land gebracht haben, war matt geworden, die Strahlkraft des Namens verblasst. Heute ist der Name Kennedy nur noch Ikone im Bewusstsein der Amerikaner, die dann hervorbeschworen wird, wenn es um neue Helden wie Barack Obama geht.

John F. Kennedys einziger noch lebender Bruder Edward, der letzte Patriarch, beschwor noch manchmal den alten Glanz herauf: "Der Funke glimmt noch, die Reise wird nie enden, der Traum niemals sterben." Er dürfte der letzte gewesen sein, der daran noch geglaubt hat. Mit ihm endete eine Ära.

Am glamourösesten in der Familie stellt sich jetzt Maria Shriver dar, die Tochter von John F. Kennedys Schwester Eunice. Sie heiratete 1986 den ehemaligen Hollywood-Star Arnold Schwarzenegger, der jetzt als Gouverneur von Kalifornien amtiert. Allerdings ist der bei den Republikanern - und damit in der falschen Partei. Die Kennedys waren traditionell eine Stütze der Demokraten gewesen.

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